Freiwillig obdachlosKölner Musiker zieht probeweise auf Straße und verteilt Spenden

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Musiker Ant Utama war drei Tage obdachlos und sammelte Spenden durch Straßenmusik für Wohnungslose.

Köln – „Ich bin okay“ sagt Ant Utama an einem kalten Novembertag. Wir treffen den Singer-Songwriter auf der Schildergasse. Es ist zehn Uhr morgens, Utamas Nacht hat gerade einmal fünf Stunden gedauert. Er hat sich einen Hauseingang in der Nähe des Heumarkts gesucht, um dort zu übernachten. Aus dem Boden sei heiße Luft emporgestiegen, eine Lüftung vielleicht.

Er wirkt müde. Es ist der dritte Tag seiner selbst auferlegten Probe, obdachlos zu sein. Mit fünf Schichten Kleidung hat er sich gegen die Kälte gewappnet. Er will 72 Stunden draußen verbringen, mit Hund Daisy und Gitarre im Schlepptau. Sein Hab und Gut hat er in Supermarktüten verstaut.

Ant Utama: Spenden für Kölner Verein „Kunst hilft Geben“

Während seiner Challenge hat der 33-Jährige mit Straßenmusik Geld für den Verein „Kunst hilft Geben“ gesammelt. Parallel dazu hat er auf Social-Media seine Erfahrungen geteilt und zu Spenden aufgerufen. „Insgesamt haben wir 950 Euro gesammelt. 750 Euro geht an „Kunst hilft Geben“ und 200 Euro habe ich mit Straßenmusik verdient“, verkündet Utama den Spendenerfolg nach Ende seiner probeweisen Obdachlosigkeit auf Instagram.

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Die 200 Euro sei er ad hoc losgeworden, erzählt er bei unserem Treffen: „Ich habe unterwegs Essen, Hundefutter und Handschuhe gekauft und sie direkt an Obdachlose verteilt“. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Neuseeländer für Obdachlose engagiert; zuletzt gab er ein Benefiz-Konzert mit dem Verein „Acts 4 humanity“, der wohnungslose Menschen unterstützt.

In seinem neuen Song „Excuse me“ erzählt er außerdem aus der Perspektive eines Obdachlosen. Darin heißt es: „Menschen starren mich an und gehen vorbei, sie kennen nicht meine Geschichte, fragen nicht, wer ich bin…. Ich bin nur ein Mann“. Drei Tage Straßenleben hätten ihm eine Ahnung davon vermittelt, wie weit das Spektrum der Emotionen reicht.

Durch Straßenmusik viel gelernt

Er habe Ignoranz erfahren, Einsamkeit, aber auch Freundlichkeit. „Viele geben mir Kekse, bringen mir einen Kaffee, eine gab mir Wasser für Daisy.“ Manche ließen ihm für seine Musik einen Zehner da. „Ich habe auch gebettelt und eine Tasse hingestellt. Das fühlte sich komisch an. Auch mittendrin zu sein, und gleichzeitig außerhalb.“

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Singer-Songwriter Ant Utama auf der Schildergasse: Er macht Straßenmusik und sammelt Spenden für Obdachlose

Die Weihnachtsmärkte sind gestartet, doch als Obdachloser schaue man zu, wie in einer Parallelwelt. Die Erfahrung habe seine Perspektive verändert: „Eigentlich bin ich der Meinung, diese Personen können sich nicht um einen Hund kümmern, weil sie kein Geld für Futter haben. Aber ich habe gemerkt, dass es für ihre psychische Gesundheit wichtig ist. Sie sind allein und der Hund ist ihr bester Freund“. Warum macht er das, was motiviert den Musiker?

„Ich habe durch Straßenmusik viel gelernt. Obdachlose Menschen gaben mir Geld dafür. Ich möchte ihnen eine Stimme geben, empathisch sein“, so Utama. Er selber hatte bis vor drei Jahren ein gesetteltes Leben in Neuseeland: einen guten Bürojob im Marketing-Bereich, ein behütetes Elternhaus, der Vater arbeitete 40 Jahre bei derselben Firma. „Ich war sehr auf mich selbst bezogen, in Neuseeland habe ich Obdachlose gar nicht bemerkt“. Dann lernte er seine langjährige Freundin während einer Backpacking-Tour in Vietnam kennen und zog irgendwann zu ihr nach Neuwied. Jetzt wohnen die beiden schon länger in Köln zusammen.

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Utama wollte ausbrechen aus dem sicheren, konservativen Leben in der Mittelschicht. Er hielt sich finanziell zunächst mit Straßenmusik über Wasser. Sein Geld verdient er mittlerweile mit Konzerten auf privaten Feiern oder Events, auf denen er in erster Linie Cover spielt. Damit finanziert er auch sein Solo-Musikprojekt. „Ich verdiene noch nichts mit meiner eigenen Musik“, sagt Utama. Das soll irgendwann anders sein. Auch wenn es schwierig wird, so möchte er nicht gleich aufgeben und zur „sicheren“ Jobvariante zurückkehren.

In Köln fühlt er sich wohl. Er schätzt es, einfach ins Auto steigen und in kurzer Zeit unterschiedliche Länder bereisen zu können – anders als in seiner Heimat, wo gerade Sommer ist. Am dritten Tag seiner Challenge regnet es erstmals. „Das macht alles so viel schwerer“, sagt er. Aber er weiß: „Morgen kann ich wieder duschen, im Warmen sein und Netflix schauen. Die Menschen auf der Straße können das nicht. Und der Winter fängt hier erst gerade an“.

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