Geburten in KölnViele Babys, viel zu wenige Hebammen

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Die Geburtenzahlen in Köln steigen seit Jahren kontinuierlich an.

Köln – Eigentlich ist es ein Grund zur Freude: Die Geburtenzahlen steigen seit Jahren, die Kölner Geburtskliniken sind beliebt, nicht nur bei Eltern mit Wohnsitz in der Stadt, sondern auch bei Familien aus dem Umland. Doch Experten bereitet die Entwicklung zunehmend Sorge: Denn die Kliniken leiden unter dem Mangel an Hebammen.

„Ein ganzer Berufsstand verabschiedet sich gerade aus dem System“, sagt Friedrich Wolff, der frühere Chefarzt der Frauenklinik in Holweide. Ein bundesweites Problem, das keineswegs nur Köln betrifft.

Wie haben sich die Geburtenzahlen entwickelt?

Die endgültigen Zahlen für 2017 liegen zwar noch nicht vor, dennoch ist ein erneuter Rekord absehbar. „Wir rechnen damit, dass wir die Marke von 14 500 erreicht haben“, so Standesamtsleiterin Angelika Barg. Für die meisten Geburtskliniken bedeutet das Hochkonjunktur.

Spitzenreiter 2017 war mit knapp 2.300 Geburten die Uniklinik. Allein am Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich schoss die Zahl der Geburten um 42 Prozent nach oben. Aber auch andere Kliniken verzeichneten Zuwächse von bis zu 13 Prozent. Die Städtischen Kliniken in Holweide schlossen mit einem deutlichen Minus von zehn Prozent ab und befinden sich damit wieder auf dem Niveau von 2015.

Wie kommen die starken Schwankungen von bis zu 42 Prozent zustande?

Neben den hohen Geburtenzahlen hat vor allem die Schließung von Kliniken zu einer verstärkten Auslastung geführt. So machte die Asklepios-Klinik in St. Augustin (Rhein-Sieg-Kreis) 2017 Geburtshilfe und Perinatalstation dicht. 

Auch das Vinzenz-Krankenhaus in Nippes stellte den Bereich ein. Die mehr als 1000 Geburten müssen seither von den übrig gebliebenen acht Häusern aufgefangen werden. Das trifft vor allem auf das Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich zu, das nicht nur räumlich nahe gelegen ist, sondern mit den Cellitinnen auch denselben Träger hat.

Warum konnten die städtischen Kliniken nicht von dem positiven Trend profitieren?

Neben dem Dauerstau auf den Rheinbrücken, der auf viele werdende Eltern abschreckend wirke, sei vor allem der Mangel an Fachkräften für das Minus von zehn Prozent verantwortlich gewesen, so die Klinikleitung. „Wir würden gerne aktuell vier bis fünf weitere Hebammen einstellen, wenn der Arbeitsmarkt es zulassen würde“, sagt Werner Neuhaus, Chef der Frauenklinik Holweide.

Wie wirkt sich der Hebammen-Mangel an anderen Häusern aus?

Betroffen sind vor allem die großen Häuser mit den Perinatalzentren, weil hier die Arbeitsbelastung aufgrund der vielen Früh- und Risikogeburten besonders hoch ist. So erlebte die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Uni im vergangenen Jahr nach Angaben ihres Direktors, Peter Mallmann, eine Kündigungswelle. 13 von 37 Ärzten sowie sechs Hebammen verließen den Bereich oder reduzierten ihre Arbeitszeit.

Insgesamt acht Hebammen-Stellen sind derzeit unbesetzt, weswegen der Start der gerade neu eingerichteten Schwangeren-Ambulanz wohl nicht wie geplant im März erfolgen kann. Derzeit zahlt die Klinik eine Bleibe-Prämie, um nicht noch mehr Mitarbeiterinnen zu verlieren.

Zwar konnte die Uniklinik die Geburtenzahlen erneut steigern. „Aber wir konnten unsere Kapazitäten nicht voll ausschöpfen. Statt 2300 hätten wir gut 3000 Geburten machen können“, so Mallmann. Der Leitende Oberarzt Geburtshilfe, Berthold Grüttner, schätzt den Bedarf perspektivisch sogar auf 4000 Geburten im Jahr. Neben dem Fachkräftemangel sei es vor allem die zu geringe Zahl von Kinder-Intensivbetten, die den Handlungsradius des Perinatalzentrums einschränke.

Was bedeutet das für die Schwangeren?

Immer häufiger können Schwangere nicht an der Klinik entbinden, an der sie sich vorher angemeldet haben, klagt der Hebammenverband. Selbst Notfälle werden weitergeschickt. Frauen müssen zum Entbinden teilweise bis nach Düsseldorf oder Krefeld fahren. Im vergangenen halben Jahr mussten allein an der Uni 30 Frauen abgewiesen werden, weil es an Hebammen fehlte. Weitere 140 wurden in andere Krankenhäuser vermittelt, weil kein Bett auf der Kinderintensivstation frei war.

„Das ist eine früher unvorstellbare Situation“, so Mallmann. Holweide klagt bereits seit längerem über dasselbe Problem. Im letzten Herbst meldeten sich erstmals beide Perinatalzentren zeitgleich über mehrere Stunden vom Rettungsdienst ab.

Was muss getan werden, damit sich wieder mehr Hebammen entschließen, in Kliniken zu arbeiten?

Schicht- und Wochenenddienst, Personalmangel, eine hohe Verantwortung bei bescheidener Bezahlung – das sind nur einige Gründe für die Flucht der Hebammen aus der klinischen Geburtshilfe. Petra Krämer-Jörgens, Leitende Hebamme an der Uniklinik, fordert zudem: „Der Beruf muss endlich eine höhere Wertschätzung erfahren. Es kann nicht sein, dass etwa niedergelassene Ärzte sich dagegen wehren, wenn Hebammen die Vorsorge übernehmen und zum Beispiel etwas in den Mutterpass eintragen.“ Es gibt sogar Überlegungen, in Köln eine eigene Ausbildungsstätte, etwa im Rahmen eines Studiengangs an der Uni, einzurichten, um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken.

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