Geduldete FlüchtlingeFamilie lebt seit 22 Jahren ohne eine Perspektive in Köln

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Safet Vejkovic mit seiner Frau Shiribane

Safet Vejkovic mit seiner Frau Shiribane

Köln – Seit 22 Jahren wartet Safet Vejkovic (Name geändert) auf eine Aufenthaltserlaubnis. 22 Jahre lang wurde der Bosnier in Deutschland nur geduldet. Mal für wenige Monate, mal für wenige Wochen. „Kettenduldungen“ nennen Experten das. „Man schläft schlecht, wenn man weiß, dass man jede Woche abgeschoben werden kann“, sagt der Familienvater. Doch dank des neuen Kölner Bleiberechtprojekts scheint die Möglichkeit, in Köln dauerhaft bleiben zu können, zum Greifen nah. Es fehlt nur noch der Pass, den er offenbar niemals hatte.

Vejkovic ist am Rande einer bosnischen Kleinstadt als Angehöriger der Roma-Minderheit aufgewachsen. Die Roma seien dort wenig integriert, sie würden nicht selten bedroht. Ihre Gesundheitsversorgung sei miserabel, lebensnotwendige Medikamente könnten sich viele nicht leisten. Menschen müssten sich manchmal Lebensmittel in Mülldeponien suchen, sagt Vejkovic.

Als Kind aus Bosnien geflohen

1988, da war er elf Jahre alt, zeichnete sich der Zusammenbruch des Ostblocks ab, es kam in Bosnien-Herzegowina zu gewaltsamen Ausschreitungen. Nicht lange sollte es dauern, bis in Jugoslawien offener Krieg ausbrach. Ein Bekannter warnte die Familie: „Ihr seid Roma, ihr könntet erschossen werden.“ Die Familie packte ihre Sachen, mietete einen Kleinbus samt Fahrer und kam über Bosnien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland. Aus dem Fenster sah der Junge ausgebrannte Autos und Panzerkolonnen, die den Kleinbus passierten. Heute sagte er im Gespräch beim Kölner Flüchtlingsrat: „Damals habe ich meine Kindheit verloren.“

Er kam in die Nähe von Herford, lernte dort seine Frau Shiribane, eine kosovarische Roma, kennen. Weil die Verbindung den Eltern nicht genehm war, brannte das Paar durch – nach Köln. Hier leben sie seit 1999 und haben mittlerweile acht Kinder und eine Wohnung in Poll. Was fehlt, ist die Aussicht auf einen Job. Denn Arbeitgeber stellen ungern Mitarbeiter ein, deren Aufenthaltserlaubnis nach wenigen Wochen wieder ausläuft. So hat Vejkovic einen Job in einer Discountbäckerei verloren und einen Job bei der Post, wo er als Kurierfahrer unterwegs war.

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Hoffnung macht ihm nun das Bleiberechtsprojekt der Stadt. Im Rahmen des Programms prüft die Kommune, ob langjährig geduldete und gut integrierte Flüchtlinge eine Chance auf ein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten können. Von den etwa 6000 geduldeten Flüchtlingen in Köln werden derzeit 1104 Fälle untersucht. 115 Menschen haben bereits ein Aufenthaltsrecht erhalten. Gute Chancen auf ein Aufenthaltsrecht hat, wer sich mindestens acht Jahre lang legal in Deutschland aufhält, nicht kriminell war, wer arbeitet oder sich in einer Ausbildung befindet oder zur Schule geht.

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Die geflüchteten Menschen erhalten Beratungen von verschiedenen Verbänden. Das Projekt wird begleitet von der Diakonie, der Caritas, dem Verein Agisra, dem Rom e.V. und dem Kölner Flüchtlingsrat, der sich um Familie Vejkovic kümmert. Birte Lange vom Flüchtlingsrat begrüßt trotz langer Bearbeitungszeiten von Seiten der Stadt das Projekt. Erstmals hätten die Flüchtlinge Fallmanager, die sich im schwer verständlichen Bürokratiedickdicht um ihre Probleme kümmern. Der Verein hat 50 Fälle übernommen und ist damit bereits an seiner Kapazitätsgrenze angekommen. Denn gefördert wird bislang nur eine halbe Stelle. Für die Stadt hat das Projekt auch finanzielle Vorteile: Denn der Bund übernimmt die Kosten für den Lebensunterhalt und teilweise auch die Wohnungskosten für Geflüchtete mit Aufenthaltsstatus, so dass die Kommune nach eigenen Angaben pro Fall 9000 Euro spart. Bei 115 Flüchtlingen macht das mehr als eine Million Euro.

Pass von Vejkovic fehlt

„Die Chancen für die Familie Vejkovic stehen ganz gut“, sagt Betreuerin Lange. Noch besser stünden sie, wenn Vejkovic einen Pass hätte, auf den das Ausländeramt dringt. Doch ein solches Dokument habe er als minderjähriger Roma in Bosnien nie besessen, sagt er. Die deutschen Behörden schickten ihn zur bosnischen Botschaft, die ihm mitteilte, dass er nicht als bosnischer Staatsbürger registriert sei. Nun soll das Ausländeramt Dokumente ausstellen, die Safet und Shiribane Vejkovic es ermöglichen, sich vor Ort in Bosnien beziehungsweise im Kosovo Dokumente ausstellen zu lassen. In Corona-Zeiten kein einfaches Unterfangen.

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