Gegen den Willen fast aller BürgerWie Adenauer für die Kölner Uni kämpfte

Lesezeit 7 Minuten
Eröffnung der Uni Köln 12.6.1919 Foto Albert Capell Köln

Konrad Adenauer bei der Eröffnung der Universität.

  • Die Neugründung der Universität Köln stand im Jahr 1919 Spitz auf Knopf. Den Kölnern war sie zu teuer. Den Preußen ein Dorn im Auge.
  • Oberbürgermeister Konrad Adenauer musste sich gegen viele Widerstände aus Berlin, Bonn und auch aus Köln durchsetzen.
  • Und auch der weitere Ausbau stand im Nationalsozialismus unter keinem guten Stern.

Köln – Die Entscheidung fiel in den späten Abendstunden. Viele Ratsherren des Kölner Stadtrats hatten die Sitzung im März 1919 schon verlassen, um noch die letzte Straßenbahn zu erreichen, als gegen 23 Uhr endlich die Abstimmung durchgeführt wurde.

Es ging um nichts geringeres als um die Frage, ob Köln nach mehr als 120 Jahren Unterbrechung wieder eine Universität erhalten sollte. Das Votum wurde für den größten Fürsprecher, Oberbürgermeister Konrad Adenauer, zum Triumph. Ohne Gegenstimmen wurde der Vorschlag angenommen.

Den Kölner Bürgern war eine Universität zu teuer

Dabei waren die Bedenken, die Adenauer in den Monaten zuvor zerstreuen musste, nicht unerheblich. Während in Berlin Kulturstaatssekretär Carl Heinrich Becker eine Fusion von Bonner und Kölner Universität favorisierte, wollten die Bonner nichts von einer neuen Konkurrenz in der Nachbarstadt wissen. Und Teilen des Kölner Bürgertums war die neue Universität, die die Stadt hätte bezahlen müssen, schlicht zu teuer.

Alles zum Thema Universität zu Köln

So wies in der Debatte der einflussreiche Zentrumspolitiker Johannes Rings auf das Budget hin: Es werde „ein Defizit von mehreren Millionen aufweisen“, kann man im neuen Buch der Historikerin Heidrun Edelmann „Die Adenauers und die Universität zu Köln“ nachlesen, das nun in der Uni vorgestellt wurde.

Die Preußen gründeten eine Uni in Bonn

Die Neugründung wurde überhaupt notwendig, weil die alte Universität, die im Jahr 1388 eröffnet worden war, von den Franzosen geschlossen wurde. Die Hochschule, die sich Ende des 18. Jahrhunderts in einer Krise befand, wurde von den Franzosen als nicht vereinbar mit den Idealen der Französischen Revolution angesehen. Auch die preußischen Herrscher gaben Köln lange Zeit einen Korb. Sie wollten ein deutliches Zeichen setzen und die Reformkonzepte Wilhelm von Humboldts von der Einheit von Lehre und Forschung auch in der Rheinprovinz durchsetzen und gründeten eine neue Uni – zum Leidwesen der Kölner – in Bonn.

Alte Uni Köln

Die Handelshochschule wird erster Standort der Universität.

Es sollten einige Jahrzehnte vergehen, bevor wieder Bewegung in die Kölner Hochschullandschaft kam. Gustav von Mevissen war kein Freund einer Universität. Zu verstaubt, zu altmodisch galt ihm der Lehrstoff. Dennoch trieb es den damaligen Präsidenten der Handelskammer um, dass Köln als viertgrößte deutsche Stadt und industrielles Zentrum keine angemessene Hochschule besaß, auf der die künftigen Führungskräfte ausgebildet werden konnten. Die von ihm favorisierte polytechnische Hochschule wurde von den Preußen allerdings in Aachen gegründet.

Der Leiter der Handelshochschule plädierte für eine Universität

Mevissen ließ aber nicht locker und sammelte über eine Stiftung das Kapital, um eine Handelshochschule zu errichten. Selbst sollte er deren Eröffnung nicht mehr erleben – Mevissen starb 1899, die Hochschule wurde erst 1901 eröffnet. 1904 folgte die Akademie für praktische Medizin, 1912 die Hochschule für kommunale und praktische Verwaltung. Der Leiter der Handelshochschule, Christian Eckert, gab zwei an den damaligen Oberbürgermeister Max Wallraf adressierte Denkschriften heraus, in denen er die Notwendigkeit postulierte, dass eine Großstadt wie Köln eine Universität benötige. Der Mann, der Eckert Gehör schenkte, war Konrad Adenauer.

Adenauer hatte schon die Pläne zur Gründung eines Instituts für Physiologie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und eines Forschungsinstituts für Sozialwissenschaften vorangetrieben. Eine Reise Adenauers und Eckerts nach Berlin, die für den 12. November 1918 geplant war, fiel jedoch ins Wasser. Denn am 9. November war die Weimarer Republik ausgerufen worden. In den revolutionären Wirren der Novembertage wurden Minister ausgetauscht, Absprachen galten nicht mehr.

Es zahlte sich für den umtriebigen Kölner OB aus, dass er über die Fraktionen hinweg Politik gestalten konnte und auch die durch das preußische Dreiklassenwahlrecht benachteiligte SPD einband. Mit dem langjährigen SPD-Chef Wilhelm Sollmann war er sogar lange Zeit befreundet. Zudem galten der neue Innenminister Rudolf Breitscheid, ein geborener Kölner, und Kultusminister Konrad Haenisch als Unterstützer neuer Universitäten.

„Adenauer bewies Gespür für richtigen Augenblick“

Adenauer nutzte die Gunst der Stunde, schrieb Briefe an Innen-, Finanz- und Kultusminister, ließ seine Emissäre Eckert und den Sozialdemokraten Johannes Meerfeld, ein Freund Sollmanns, nach Berlins reisen. Machte auf die Rolle der Uni als nationales Bollwerk des Geistes gegen die Franzosen aufmerksam, zugleich betonte er, die Hochschule könne ein Mittler zwischen den in Hass getrennten Völkern sein. Er siegte auf der ganzen Linie, als Berlin Anfang Januar ihm nicht nur die neue Universität, sondern auch das Promotionsrecht zusicherte. Sollmann schrieb später: Die Universität wurde „nur möglich durch die Revolution“.

Historikerin Edelmann notiert: „Adenauer bewies ein Gespür für den richtigen Augenblick. Weder in den Wochen vor dem Januar 1919 noch kurze Zeit später wäre die Gründung einer Universität konzessioniert worden.“ Der Politiker habe die neue Uni vor allem aus Prestige-Gründen forciert. „Sie war die Perle in seiner Sammlung.“

Einziges Manko: Köln musste die neue Einrichtung aus eigener Tasche bezahlen, und Adenauer hatte den Stadtrat bei den Verhandlungen mit Berlin nicht eingebunden. Die Liberalen fürchteten, die neue Universität könnte ein Hort des katholischen Glaubens werden, das Zentrum erwartete hohe Kosten und die Berufung von nicht-katholischen Professoren an die Hochschule. Zudem protestierte die überrumpelte Bonner Universität gegen die neue Hochschule in der Nachbarstadt. „Adenauer war ein politischer Hasardeur, aber hatte unglaubliches Gespür für die Stimmung“, sagt Edelmann.

Adenauer zog alle Register, um Ratsherren von Uni zu überzeugen

Das Votum der Stadtverordneten am 21. März war daher eine offene Sache: Die Presse berichtete kritisch, nach Einschätzung des Handelskammer-Präsidenten Louis Hagen waren 90 Prozent der Kölner gegen die Universität. Am Abend kamen die Delegierten zusammen, von den 60 Ratsherren fehlten 15. Adenauer zog alle Register: Räumte ein, die Kollegen zu spät informiert zu haben, sprach von der Abneigung Berlins gegen das katholische Köln, drohte, dass Frankfurt, wo eine neue Uni kürzlich entstanden war, an Köln vorbeiziehen könnte und bemühte die nationale Frage.

Nach langer Debatte stimmte der Stadtrat der Uni-Gründung zu. Handelshochschule und Hochschule für kommunale Verwaltung wurden in eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät überführt, die Kosten von gut einer Million Reichsmark bewilligt. Im Mai wurde der Vertrag zwischen Berlin und Köln unterzeichnet.

Grundsteinlegung Uni Köln Fotograf unbekannt

Konrad Adenauer (l.) und Kultusminister Carl Heinrich Becker bei der Grundsteinlegung des Campus

Schon am 12. Juni fand die Gründungsfeier der neuen Universität, die ihr Domizil damals noch an der Claudiusstraße in der Südstadt hatte, wo sich einst die Handelshochschule befand. Christian Eckert wurde zum ersten Rektor gewählt, Adenauer war Vorsitzender des Kuratoriums und erhielt die Ehrendoktorwürde. Neben den Medizinern und der wirtschaftswissenschaftlicher Fakultät nahm 1920 die juristische Fakultät, später auch die philosophische Fakultät ihren Betrieb auf.

Universität zu Köln boomte von Beginn an

Die Uni boomte schnell. Im Sommersemester immatrikulierten sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät 1191 Studenten, in der medizinischen 108, ein Jahr später waren es schon gut 2500 Studenten, Mitte der 1920er Jahre gar 5000. Köln wurde in Preußen zum zweitgrößten Universitäts-Standort. Führende Wissenschaftler wie Max Scheler, Leopold von Wiese, Hans Kelsen, Benedikt Schmittmann und Eugen Schmalenbach lehrten an der Hochschule.

Um sie zu finanzieren, tüftelte Adenauer ein Fundraising-System aus und ging bei reichen Kölnern auf Spendentour. Dank der finanziellen Gaben konnten zum Beispiel 100.000 Mark für die Vorklinik, die der Medizinischen Fakultät noch fehlten, eingeworben werden. Eine Mensa gab es zunächst aber nicht. Schwester Ignatia, eine geborene Gräfin von Spee, bot ehrenamtlich an, eine Speisung der Studenten durchzuführen. Geeignete Räume wurden in der Schokoladenfabrik der Brüder Stollwerck an der Annostraße gefunden, die Frauen mussten in die Rolandstraße ausweichen.

Neuer Universitätsbau in Köln wurde unter Nazis eröffnet

Bald platzte die Universität aus allen Nähten. Ein Erweiterungsbau musste her – Adenauer fand ihn in Lindenthal. Der Neubau stand unter einem unguten Stern. Die Grundsteinlegung fand am 26. Oktober 1929 statt, einen Tag nach dem Schwarzen Freitag, der die Weltwirtschaftskrise einleitete. Im Frühjahr war der Rohbau fertiggestellt, im Dezember mussten die Arbeiten aus Geldmangel eingestellt werden.

So konnte der neue Universitätsbau erst unter den Nationalsozialisten 1935 eröffnet werden. Zur Einweihung zogen die Fahnenträger der NS-Studentenschaft ein und es wurde unter anderem das Horst-Wessel-Lied gesungen. In das verlassene Gebäude an der Claudiusstraße zog die Gauleitung der NSDAP ein.

Die Ausstellung „100 Jahre neue Universität zu Köln“ ist zu sehen in der Universitäts-und Stadtbibliothek, Universitätsstraße 33, vom 7. Mai bis zum 30. Oktober. Mo bis Fr 9 bis 24 Uhr, Sa und So 9 bis 21 Uhr.

KStA abonnieren