Geiselnahme in KölnMohammad Abo R. war ein abgezockter Betrüger

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Die Apotheke im Kölner Hauptbahnhof

Die Apotheke im Kölner Hauptbahnhof

  • Immer neue Details über Mohammad Abo R. kommen ans Tageslicht. Der Geiselnehmer war ein abgezockter Betrüger, der Opfern Schmuck und Handys abnahm.
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) versäumte, den Syrer rechtzeitig abzuschieben.
  • Viele IS-Kämpfer finanzieren sich durch Betrügereien. Auch Mohammad Abo R.?

Köln – Es war die Notärztin der Anti-Terroreinheit GSG 9 der Bundespolizei, die das Leben des syrischen Geiselnehmers von Köln rettete. Von sechs Schüssen durch Beamte eines Kölner Spezialeinsatzkommandos getroffen, gelang es der Medizinerin, den lebensgefährlich Verletzten Mohammad Abo R. zu reanimieren.

Weiterhin, so hieß es am Freitag, liege der Geiselnehmer im künstlichen Koma und sei nicht ansprechbar. Folglich bleibt sein Motiv weiterhin unklar. Er hatte von Daesh gesprochen, einem arabische Synonym für die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) und wollte nach Syrien ausgeflogen werden. Ein Indiz für einen möglichen islamistisch motivierten Anschlag, mehr nicht.

Bamf versäumte Frist für Abschiebung

Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge hätte man den Asylbewerber nach seiner Einreise 2015 gleich wieder in das Erstaufnahmeland Tschechien abschieben können, hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht die Fristen versäumt. So erhielt Mohammad A.R. ein Aufenthaltsrecht und fiel bald durch diverse Straftaten auf. Das Bamf bestätigte dies am Freitag. „Die Gründe, warum die Frist zum Stellen eines Übernahme-Ersuchens in diesem Einzelfall nicht eingehalten werden konnte, lassen sich nach mehr als dreieinhalb Jahren nicht mehr nachvollziehen“, teilte ein Sprecher mit.

Weitere Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zeichnen das Bild eines abgezockten Betrügers nach. Ende Juni begann ein Strafprozess beim Kölner Schöffengericht gegen den 55-jährigen Flüchtling. In sechs Fällen soll er laut Amtsgerichts-Sprecher mehrere Opfer um Werte von insgesamt knapp 23 000 Euro betrogen haben.

Mobiltelefon abgezogen

Der Betrug begann im Juli 2017, als der Angeklagte mit einem irakischen Komplizen den Verkäufer eines Smartphones zu einem Treffpunkt in Ehrenfeld bat. Unter dem Vorwand, das Mobiltelefon auf seine Funktionsfähigkeit prüfen zu wollen, nahm Mohammad A. R. das Gerät und verschwand. Den Schaden beziffern die Ermittler auf 400 Euro.

Im zweiten Fall war der der Syrer in einem Facebook-Chat auf einen Verkäufer von Goldschmuck gestoßen. Er bat um ein Treffen in seiner Wohnung in Neuehrenfeld. Dabei stellte sich heraus, dass der Anbieter nur als Vermittler auftrat. Mohammad A.R. lotste den Mittelsmann zu einer Spielhalle, nahm den Schmuck im Wert von 6500 Euro an sich und versprach bald wiederzukommen, sobald er die Wertgegenstände geprüft habe. Der Zwischenhändler wartete sechs Stunden, bis ihm klar wurde, dass er einem Betrüger aufgesessen war.

Mohammad Abo R. gab sich als Geschäftsmann aus

Wochen später meldete sich der Syrer bei seinem Opfer, Für 450 Euro könne er den Goldschmuck wieder einlösen. Und so ging es laut den Anklagen weiter: Mitte Februar 2018 soll A.R. eine Bekanntschaft auf dem Heimflug von Athen nach Düsseldorf ausgenommen haben. In der Maschine gab er sich als Geschäftsmann für An- und Verkauf von Goldschmuck aus.

Die Frau wurde hellhörig. Bei einer Zusammenkunft vor einer Spielhalle wollte sie ihm den Schmuck verkaufen. Mohammed A. R. gab vor, dessen Echtheit zu prüfen – und verschwand.

Viele IS-Kämpfer finanzieren sich durch Betrügereien

Agiert so ein islamistischer Terrorist? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Einerseits erlaubt der IS kriminelle Geschäfte zum Nachteil von Ungläubigen. Die Dschihadisten sprechen von Ghanima (Kriegsbeute) in den westlichen Ländern. Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, verkaufte zum Schein Drogen, ehe er im Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz mit einem Lastwagen ein Blutbad anrichtete. Auch finanzierten viele IS-Kämpfer ihre Ausreise durch Handybetrügereien.

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Anderseits hat der Geiselnehmer nicht die typische Vita eines IS-Terroristen, zumal bisher auch keine Bekennerbotschaft der Terror-Organisation vorliegt. Sicherheitskreise erinnern die Attacken mittels Brandbeschleunigern eher an den tödlichen Messerangriff eines labilen Palästinensers in Hamburg im Juli 2017 – ein Einzelkämpfer, der hätte ausreisen müssen und sich im Netz durch IS-Propaganda radikalisieren ließ, ohne, dass er Kontakt zu den Islamisten aufgenommen hätte.

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