Geiselnahme in KölnNachbarn: Mutmaßlicher Täter war „verbal aggressiv”

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In diesem Wohnhaus lebte der mutmaßliche Geiselnehmer.

Köln – Am Tag nach der blutig beendeten Geiselnahme im Hauptbahnhof werden immer mehr Einzelheiten über den mutmaßlichen Täter bekannt. Der Mann sei noch immer nicht endgültig identifiziert, betont die Polizei. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen 55 Jahre alten syrischen Flüchtling aus Neuehrenfeld handelt, sei aber „sehr hoch“.

Montagabend gegen Mitternacht stürmten Polizisten die Wohnung des Mannes, während der auf der Intensivstation eines Krankenhauses wegen seiner lebensgefährlichen Schussverletzungen behandelt wurde. Der 55-Jährige lebte seit etwa zwei Jahren in einem Appartementhaus in Neuehrenfeld, in dem unter anderem Flüchtlinge untergebracht sind.

Weil die Beamten nicht wissen, ob er in seiner Wohnung weitere Brand- oder womöglich Sprengsätze gelagert hatte und weil die Tür womöglich mit einer Sprengfalle präpariert gewesen sein könnten, sprengten die Polizisten die Wohnungstür auf.

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Nachbarn erinnern sich am nächsten Morgen an einen lauten Knall. „Die Polizei sagte uns vorher, wir sollten in unserer Wohnung bleiben“, erzählt einer. Was den 55-Jährigen zu der Tat getrieben haben könnte, ist den Nachbarn, dem Hausmeister und dem Hauseigentümer ein einziges Rätsel. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ beschreiben sie den Verdächtigen als „das Gegenteil eines Extremisten“. Er sei „ausgerastet“, wenn ihn jemand einen Terroristen genannt hätte, schildert der Eigentümer. Zu dieser Einschätzung passt zumindest, dass der 55-Jährige laut Polizei einmal einen Bekannten beim Staatsschutz gemeldet haben soll, weil dieser angeblich nach Syrien ausreisen wollte.

Am Montagnachmittag soll der 55-Jährige einen Molotowcocktail im Mc Donald’s am Hauptbahnhof gezündet und eine Geisel in der benachbarten Apotheke genommen haben. Dabei soll er geäußert haben, dass er Mitglied der Terrorvereinigung Daesh sei – eine arabische Bezeichnung für den Islamischen Staat.

Seinem Vermieter und Nachbarn hatte der Mann erzählt, dass er in seiner syrischen Heimat ungefähr 20 Jahre lang als politischer Häftling und Gegner des Assad-Regimes im Gefängnis gesessen habe. „Er sagte, dass er dort gefoltert wurde. Mit Stromschlägen, mit Wasser, mit Licht“, erzählt der Hausverwalter. „Das hat ihn psychisch krank gemacht. Er war hier in Köln deswegen auch in Behandlung.“

Mehrfach habe der 55-Jährige in der Unterkunft in Neuehrenfeld Streit mit Nachbarn gehabt, berichtet der Hauseigentümer. Deshalb habe er den Syrer schließlich auch in einem anderen Haus gegenüber einquartiert. Zweimal soll auch die Polizei dagewesen sein. Immer sei es um Streitigkeiten mit Nachbarn gegangen. Der 55-Jährige sei verbal aggressiv gewesen. Von einer Schlägerei kann aber niemand im Haus berichten.

Am Montag habe der Syrer eigentlich nach Hamburg zu einem Freund ziehen wollen, berichtet der Vermieter weiter. Seine Wohnung in Neuehrenfeld sei schon gekündigt gewesen. Statt nach Hamburg fuhr der 55-Jährige aber offenbar zum Kölner Hauptbahnhof und beging eine Geiselnahme, versuchten Mord und eine gefährliche Körperverletzung – das wirft die Staatsanwaltschaft Köln ihm vor.

Was die Ermittler bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden haben, ist noch unklar. Am Nachmittag will die Polizei auf einer Pressekonferenz weitere Details bekannt geben.  

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