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Gleichstellung in Köln„Städtische Unternehmen könnten mehr für Frauenförderung tun“

Lesezeit 5 Minuten
Bettina Mötting

Bettina Mötting

  • Welche Vorteile hat es, unter einer Oberbürgermeisterin zu arbeiten? Und welche Benachteiligung erleben weibliche Bewerber bei Einstellungsverfahren?
  • Bettina Mötting leitet seit Anfang des Jahres das städtische Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern.
  • Mit uns spricht die 49-Jährige über den geringen Anteil von Frauen im Management städtischer Unternehmen.

Köln – Frau Mötting, was den Anteil von Frauen im Management städtischer Unternehmen angeht, bleibt Köln laut einer Vergleichsstudie weit zurück hinter anderen Städten. Läuft da was falsch?

Bettina Mötting: Ich denke, dass die Unternehmen im Stadtwerke-Konzern noch mehr für die Frauenförderung tun könnten. Wenn man bedenkt, dass von den 35 stadtnahen Betrieben 30 keine Gleichstellungsbeauftragte haben, erkennt man, dass dem Thema womöglich nicht die wünschenswerte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Einen eigenen Gleichstellungsplan, wie wir ihn in der Stadtverwaltung schon lange kennen, haben lediglich sechs Stadtwerke-Firmen.

Sollten Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Sie selber dann nicht darauf hinwirken, dass sich bei den öffentlichen Firmen etwas ändert? Denen wird ja gerne eine gewisse Vorbildfunktion zugeschrieben.

Alles zum Thema Henriette Reker

Ich wünsche mir und plane eine engere Zusammenarbeit mit dem Stadtwerke-Konzern. Es geht zum Beispiel um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich weiß, wir können schon mit einfachen Mitteln bessere Zahlen im Sinne der Frauenförderung erreichen.

Zur Person

Bettina Mötting (49) leitet seit Anfang des Jahres das städtische Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Verwaltungsfachwirtin arbeitet seit 1989 bei der Stadt, Stationen waren unter anderem das Jugendamt und das Sozialdezernat. Von 2012 bis 2018 leitete sie die Abteilung Zentrale Dienste im Jobcenter Köln. Die Gleichstellungsbeauftragte ist Mutter eines 17-jährigen Sohnes. (adm) 

Wenn aber Düsseldorf, Berlin und Hamburg an der Spitze ihrer Unternehmen eine höhere Frauenquote haben, wie erklären Sie sich das? Gibt es für Köln zu wenig geeignete Bewerberinnen, oder wirken hier mehr Männerseilschaften?

Wir haben zurzeit die am besten ausgebildete Frauengeneration überhaupt, Frauen machen 51 Prozent der Bevölkerung aus. Insofern kann es nicht sein, dass es nicht genügend qualifizierte Frauen für das Top-Management gibt. Aber es hat sich ja in der jüngeren Vergangenheit einiges geändert bei den Stadtwerken. Ich nenne in dem Zusammenhang die neue KVB-Chefin Stefanie Haaks und Claudia Heckmann, die Geschäftsführerin unserer Bäder-GmbH. Darüber hinaus kann ich Ihre Frage nicht beantworten.

Wie hoch ist der Anteil der Frauen in der Stadtverwaltung?

Aktuell etwa 63 Prozent.

Und welchen Anteil haben Frauen in Führungspositionen?

Es gibt Bereiche, in denen Frauen immer noch unterrepräsentiert sind. Auf der Ebene der Amtsleitungen und stellvertretenden Amtsleitungen liegen wir bei 36 beziehungsweise 30 Prozent. Wünschenswert sind 50 Prozent. Da haben wir innerstädtisch noch Luft nach oben.

Wäre es nicht angemessen, einen Anteil von 63 Prozent anzustreben? Der würde dem Anteil der Frauen an der gesamten Belegschaft entsprechen.

Ich wäre schon sehr froh, wenn wir die 50 Prozent erreichen. Ich bin dafür, dass wir gemischte Teams haben. Einen zu hohen Anteil an Frauen finde ich genauso wenig wünschenswert wie einen zu hohen Anteil an Männern.

Wie können Sie Frauen, die Karriere machen wollen, für die Verwaltung gewinnen?

Abgesehen von unseren flexiblen Arbeitszeiten, familiengerechten Teilzeitmodellen und etlichen Angeboten zur Weiterbildung bieten wir gute Aufstiegschancen. In den kommenden fünf Jahren werden in der Führungsebene 15 Prozent der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden, in den kommenden zehn Jahren sogar 40 Prozent.

Macht es einen Unterschied, dass die Verwaltung von einer Oberbürgermeisterin geführt wird und nicht von einem Oberbürgermeister?

Selbstverständlich. Frauen führen anders als Männer. Sie kommunizieren anders, sie arbeiten meistens team-orientierter, sie haben eine andere Sicht auf Themen und bringen ihre eigene Persönlichkeit stärker ein.

Erleichtert es Ihre Arbeit, dass im Rathaus eine Frau das Sagen hat?

Bei diesem Thema kommt es immer auf die handelnden Personen an. Es gab auch schon früher Verwaltungschefs und Oberbürgermeister, die sich des Themas Frauenförderung angenommen haben. Aber natürlich haben wir mit Frau Reker eine Chefin, der Gleichstellung sehr wichtig ist. Das macht es für mich einfacher, diese Themen zu platzieren.

Ihr Amt wirkt bei Einstellungsverfahren mit. Werden Frauen benachteiligt?

So etwas ist nach wie vor zu beobachten, ja.

Schildern Sie bitte mal ein Beispiel.

Wenn eine Frau so offen ist, zu sagen, dass sie ein kleines Kind hat, dann wird ihr mangelnde Flexibilität unterstellt. Das Vorurteil herrscht noch immer, dabei gibt es heutzutage wunderbare Betreuungsmöglichkeiten. Wenn ein Mann es sagt, würde sein Gegenüber nicht davon ausgehen, er sei unflexibel. Hier wird unterstellt, dass der Mann ausreichend Betreuungsmöglichkeiten für sein Kind hat. Wir leben noch ein bisschen in den alten Rollenklischees, auch in der Stadtverwaltung. 

In den Stellenausschreibungen der Stadt heißt es, bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt. Ob Bewerber gleich geeignet sind, ist natürlich Auslegungssache.

Nein, das sehe ich anders. Die städtischen Auswahlprozesse sind sehr strukturiert. Wir stellen allen Bewerbern, die die formalen Anforderungen erfüllen, die gleichen Aufgaben. Dazu gibt es eine Bewertungsmatrix, die Auswertung erfolgt also immer nach streng festgelegten Kriterien. Dass es in einem solchen Verfahren auch eine menschliche Komponente gibt, ist klar. Aber ich halte unsere Bewerbungsverfahren für fair.

Jahrzehnte lang spielte stets auch die Parteimitgliedschaft eine Rolle, wenn eine Amtsleiterstelle zu besetzen war. Was ist Ihre persönliche Erfahrung?

Danach wird in einem Bewerbungsverfahren gar nicht gefragt, das wäre ohnehin unzulässig. Es gibt im Gegenteil den ein oder anderen, der darauf hinweist, dass er in keiner Partei ist, weil er sich davon einen Vorteil erhofft. Dabei steht es jedem Menschen durchaus zu, politisch zu arbeiten. Das ist doch kein Manko. Insofern sind solche Hinweise weder hilfreich noch nötig.

Was halten Sie von einer geschlechterneutralen Behördensprache? Die liest sich mitunter arg bemüht und kann nerven.

Da widerspreche ich Ihnen. Sprache schafft Bilder. Und wenn Sie etwas nur vermännlichen, dann haben Sie dieses Bild gefestigt. Wir haben lange für das Gendern...

...Sie meinen die Gleichstellung der Geschlechter ...

...wir haben dafür Jahrzehnte gekämpft, davon würde ich nicht wieder abrücken. Aber vielleicht lassen sich Kompromisslinien finden. Es gibt sogar Frauenorganisationen, die fordern, dass wir in unserer Sprache nur noch die weibliche Form benutzen. Denn das Wort Lehrerin enthält ja bereits das Wort Lehrer. Wie fühlt sich das denn für Sie an?

Das Gespräch führte Andreas Damm

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