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Gottfried Böhm wird 100Unsere vier Lieblingsbauwerke des Kölner Star-Architekten

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Böhm Titelbild

Gottfried Böhm (Archivbild)

  • Der Kölner Architekt Gottfried Böhm wird heute 100 Jahre alt.
  • Er gehört zu den einflussreichsten deutschen Baumeistern. Zuletzt hatte er sich an der Planung der Kölner Zentralmoschee beteiligt.
  • Zum Geburtstag hat unsere Redaktion eine Auswahl von Lieblingsbauwerken gesammelt. Wir stellen sie vor.

Köln – Der Kölner Architekt Gottfried Böhm wird heute 100 Jahre alt. Er zählt zu den einflussreichsten deutschen Baumeistern. Der am 23. Januar 1920 geborene Böhm gilt vor allem als Kirchenbaumeister.

Doch  auch viele der Profanbauten des Kölners gingen als Ikonen in die Architekturgeschichte ein, das Bensberger Rathaus etwa. 1986 wurde er als erster Deutscher mit dem Pritzker-Preis für Architektur ausgezeichnet.

Auch die später von Norman Foster umgesetzte Idee einer begehbaren Kuppel auf dem Berliner Reichstag stammt von ihm – Helmut Kohl hatte Böhm persönlich mit einer ersten Umgestaltungsplanung beauftragt. Zuletzt hatte sich Böhm an der Planung der Kölner Zentralmoschee, die sein Sohn Paul leitete, beteiligt. Zum Geburtstag eine Auswahl von Lieblingsbauwerken der Redaktion.

Deutsche Bank, Luxemburg (1987-1991): Für einen Architekten fester Glaubensburgen scheint der Wechsel ins Bankenfach einigermaßen nahe zu liegen. Doch gleicht Gottfried Böhms Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank in Luxemburg-Kirchberg (1987-1991) nichts weniger als einem Tresor. Statt Beton sieht man viel Glas und Aluminium, die Fassade wird von eher zierlichen Rundpfeilern gehalten und die mit Kegeldächern bekrönten „Wachtürme“ wirken vor allem verspielt. Durch eine Glaskuppel fällt reichlich Licht ins Innere, das Herz des Gebäudes bildet eine kreisrunde Halle, in der sich das Treppenhaus wie ein Wirbelwind in die Höhe schraubt. Diese Spirale ist durch zahlreiche Brücken und Stege mit den Bürofluren verbunden, was dem Ganzen bei aller Schönheit die Anmutung eines Gefängnistraktes verleiht. Ob es Böhm als Mahnung an die Mitarbeiter meinte? In Zeiten von Luxemburg-Leaks und Cum-Ex-Prozessen drängt sich die Anspielung, ob gewollt oder nicht, geradezu auf. Ansonsten folgte Böhm auch in Luxemburg seiner späten Lust an lichtdurchfluteten Innenhöfen und monumentalen Glashäusern – in Köln geben das Bezirksrathaus Kalk und das Maritim-Hotel, bei dessen Bau er als Berater mitwirkte, davon einen Eindruck. (KoM)

Böhm Chapel, Hürth-Kalscheuren (1954-1956): Den Rundbau der ehemaligen Pfarrkirche St. Ursula entwarf Gottfried Böhm  um 1954,  ausgehend von einer Skizze seines Vaters Dominikus, die er allerdings stark veränderte. Sechs gleich große, weiße Nischen, sogenannte Konchen, wechseln sich mit raumhohen, milchglasigen Fenstern ab, eine darüber liegende Netzstruktur soll den Menschenfischer symbolisieren. Das Kuppeldach, das von schlanken,  außen vorgestellten Pfeilern getragen wird,  schwebt scheinbar  frei über einem umlaufenden Glasfries und ist innen bedeckt  von   rechteckigen Schindeln aus Zedernholz.  Der Raum ist außergewöhnlich hell für eine Kirche,  die frühere Stadtkonservatorin Hiltrud Kier  verglich ihre Bedeutung mit der der romanischen Kirche St. Maria im Kapitol.   2006  wurde der Bau profanisiert, alle kultischen Gegenstände wurden in Absprache mit Böhm entfernt, der Boden nivelliert, der vorgesetzte Glockenturm von Verbauungen befreit und mit einem Glockenspiel von Philip Glass bestückt.  2010 eröffneten die neuen Eigentümer, Rafael und Teresa Jablonka, in der Galerie, die seither „Böhm Chapel“ heißt, ihre erste Ausstellung. Derzeit sind Skulpturen von Michael Heizer zu sehen. (stef)

Rathaus,  Bergisch Gladbach-Bensberg (1963-1969): Wie ein Fels aus Beton überragt das Rathaus  die  Bensberger Stadtsilhouette und fügt sich gleichzeitig perfekt in die Überreste des Alten Schlosses  ein. Als  die damalige Stadtverwaltung – heute gehört Bensberg zu Bergisch Gladbach – Anfang der 1960er Jahre beschloss, an der Ruine ein neues Rathaus zu bauen, bewiesen die Verantwortlichen  viel Mut und entschieden sich für den Entwurf Gottfried Böhms.  Die Reste einer Burganlage mit einem Neubau aus Sichtbeton zu ergänzen, sorgte unmittelbar nach der Eröffnung 1969 für massive Proteste – zu modern war vielen Kritikern diese Art von Architektur. Böhm bediente sich des historischen Vorbildes und trieb das architektonische Konzept einer klassischen Burg auf die Spitze. Die an einen Felsen erinnernde Form  manifestiert sich vor allem in dem  skulptural gestalteten Treppenhausturm mit  seinen elegant geschwungenen  Fensterbändern. Das Rathaus wirkt in seinen Ausmaßen gleichzeitig mächtig  und filigran.   Die hinter die Fassade versetzten   Fenster erzeugen die Illusion, dass das Glas den Sichtbeton trägt.  Dessen konsequente Verwendung  setzt  sich auch im  Inneren fort – sämtliche Wände  und Decken bestehen aus diesem rauen Material, während die  Böden und Treppen aus rotem Ziegelstein gefertigt wurden. (att)

St. Gertrud, Köln (1962-1966): Die Krefelder Straße zählt nicht zu den schönsten Straßen Kölns. Und doch birgt sie mit der Kirche St. Gertrud von 1966 eines der spannendsten zeitgenössischen Bauwerke der Stadt – und eines, das viel aussagt über Gottfried  Böhms Architektursprache der 1960-er und 70-er Jahre. Entworfen auf schwierigem Grundstück zwischen Straße und Bahndamm, wirkt der expressiv gefaltete Baukörper der  Kirche vor allem von innen: Eine dunkle Höhle mit nur wenigen belichteten Abschnitten, die  Gesamtwirkung entfaltet sich erst nach intensiver Auseinandersetzung mit den  Feinheiten des Baus. Mit den scharfen Graten des quer zum Raum gespannten  Betongewölbes etwa, oder  mit der  kargen Altarinsel, deren einziger Farbpunkt ein erhöht schwebendes Kruzifix ist. Alles ist aufs Wesentliche reduziert – in deutlichem Kontrast dazu steht die freundlich-wohnliche Atmosphäre des angrenzenden Innenhofs und der integrierten Wohnbebauung.

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