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„Riesenprobleme an Grundschulen“So ist die Lehrerversorgung an allen Kölner Schulen

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Gesamtschule

Lernen in der Gesamtschule - die Plätze sind begehrt.

Köln – Zum Schuljahr 2021/22 sind an Kölner Schulen 181 Lehrende unbefristet neu angestellt worden, 15 davon sind Quereinsteiger. Dies geht einer Antwort des nordrhein-westfälischen Schulministeriums auf Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag hervor. Demnach konnten besonders einige Gesamtschulen ihr Personal aufstocken.

Die Gesamtschulen Europaschule in Zollstock und Wasseramselweg in Lindenthal beispielsweise erhielten jeweils acht Lehrende, die Gesamtschulen Helios in Sülz und Innenstadt jeweils sechs.

Bei den Berufskollegien erhielten die Einrichtungen Ehrenfeld und Hans-Böckler in Deutz mit jeweils fünf Pädagoginnen und Pädagogen die größte Unterstützung. Beim Gymnasium Rodenkirchen sowie der Albert-Schweitzer-Realschule in Ostheim fingen jeweils vier Lehrende neu an.

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Es gibt zu wenig Rektoren

Insgesamt lag die Personalausstattungsquote in zahlreichen Einrichtungen knapp unter 100 Prozent oder darüber (Stand 1. Juni 2021). Probleme gab es den Unterlagen zufolge vor allem an einigen Grundschulen. Die Ildefons-Herwegen-Schule in Junkersdorf beispielsweise hat eine Quote von 85,8, die Grundschule Braunsfeld 86,5 oder die Katholische Grundschule An den Kaulen in Worringen 86,1 Prozent.

Schwierigkeiten gibt es zudem bei der Besetzung der Schulleiterstellen. Bei den 262 Kölner Schulen sind 25 Rektoren- sowie 48 Stellvertreter-Stellen nicht besetzt (Stand 12. August). Einen deutlichen Engpass gibt es auch im Bereich der sonderpädagogischen Förderung, wie den Landtagspapieren zu entnehmen ist.

Insgesamt fehlten Ende des vergangenen Monats 44 Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen – an der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Chorweiler sowie der Lise-Meitner-Gesamtschule in Porz waren es jeweils vier, an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Dellbrück und der Gesamtschule-Rodenkirchen jeweils drei. Bei lediglich 18 Schulen im Stadtgebiet, die Bedarf angemeldet haben, wird der auch ausreichend erfüllt.

„Die Statistik ist irreführend“

„Die von der Landesregierung errechnete Personalausstattungsquote ist nicht valide. Sie bezieht sich auf den Datenbestand vom 1. Juni diesen Jahres. Folglich bilden die Zahlen nicht das ab, was jetzt in der Realität an Kölner Schulen los ist“, sagt Jochen Ott, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. „Die Zahlen zeigen nicht eins zu eins, wie viel Personal tatsächlich zur Verfügung steht, weil beispielsweise kranke Lehrer in der Statistik nicht berücksichtigt werden.“ Oder schwangere Kolleginnen.

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„Ich kenne zum Beispiel eine Gesamtschulleiterin, die hat mehrere Lehrerinnen kurz vor dem Mutterschutz beziehungsweise bereits in Elternzeit. Die sind aber alle in der Personalausstattung mit drin“, so Ott. Die Frage beispielsweise, ob und wie viel Unterricht ausfällt oder fachfremd erteilt werden muss, könne mit diesen Zahlen nicht beantwortet werden.

„Was man hier in Köln aber sehen kann, sind Riesenprobleme mit einer Unterbesetzung an den Grundschulen und im Inklusionsbereich“, betont der Politiker aus Köln: „Sowohl die Gesamt- als auch die Förderschulen etwa in den linksrheinischen Stadtteilen von Chorweiler bis nach Meschenich haben viel zu wenige Sonderpädagogen.“

Ministerin beantwortet konkrete Fragen nicht

Auf Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ etwa zur Personalausstattungsquote in Köln oder den unbesetzten Sonderpädagogik-Stellen ging Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) in einer schriftlichen Antwort nicht ein. „Rot-Grün hat es in der Vergangenheit sträflich versäumt, zusätzliche und somit ausreichend Studienplätze in ganz Nordrhein-Westfalen bereitzustellen. Bewerberinnen und Bewerber gab es genug. Diese fehlen uns heute als Lehrkräfte in den Schulen, auch in Köln", ließ Gebauer lediglich wissen.

Dabei stünden insbesondere die Grundschulen vor großen Herausforderungen. „Um diese auch durch zusätzliches Personal gezielt zu unterstützen, hat das Schulministerium den Masterplan Grundschule aufgelegt, der unter anderem die Einrichtung von 1250 zusätzlichen Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte vorsieht“, betonte die Ministerin. Darüber hinaus habe die Landesregierung in dieser Legislaturperiode mehr als tausend zusätzliche Lehramtsstudienplätze geschaffen. „Schwerpunkte liegen hierbei auf den Lehrämtern der Grundschule und für Sonderpädagogik“, so Gebauer.

Auch Pensionäre werden angeworben

Das Land versucht mit vielen Mitteln, Lehrer außerhalb der üblichen Bahnen zu gewinnen. Unterrichtende Pensionäre, Seiteneinsteiger und weitere Sonderprogramme haben nach Angaben des Schulministeriums in Nordrhein-Westfalen 5362 zusätzliche Einstellungen seit 2017 ermöglicht. Allein die Zahl der Lehrkräfte, die ihren Ruhestand verschoben haben oder schon als Pensionäre ans Lehrerpult zurückgekehrt sind, hat sich demnach von 2016 bis 2020 auf 1014 Beschäftigungen mehr als verdoppelt. Zudem seien fast 1000 Seiteneinsteiger für die Grundschulen gewonnen worden - darunter 219 speziell für Englisch an Grundschulen.

Bislang hat die Landesregierung vier Maßnahmenpakete aufgelegt, um die Versorgung zu verbessern. Dazu zählt die seit Mai 2020 bestehende Möglichkeit, Lehrern auf schwer zu besetzenden Stellen einen Gehaltszuschlag zu gewähren. Bisher konnten nach Angaben des Ministeriums 137 Lehrkräfte mit einem Bonus von 350 Euro brutto im Monat gewonnen werden. Der Sonderzuschlag wird für zweieinhalb Jahre gewährt. Das Programm soll vor allem eine Entscheidung zugunsten der unattraktiveren Schulstandorte, Brennpunktschulen und Mangelfächer beflügeln.

„Wir drehen jeden Stein um“

Personalengpässe will das Schulministerium auch beseitigen durch mehr Flexibilität beim schulform- und laufbahnübergreifenden Einsatz: Den Angaben zufolge haben bereits über 1000 eigentlich für die Sekundarstufe II ausgebildete Lehrkräfte das Angebot angenommen, zunächst in der Grundschule oder Sekundarstufe I zu arbeiten - mit der Garantie, anschließend eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle antreten zu können.

„Die Landesregierung dreht jeden Stein um, um die Versorgung der Schulen mit gut ausgebildeten Lehrkräften zu verbessern“, sagte Schulministerin  Gebauer im August. Das habe die rot-grüne Vorgängerregierung versäumt. Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP gibt „eine 105-prozentige Lehrerversorgung“ als mittelfristiges Ziel vor. (mit dpa)

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