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Grün gegen BetonDie schwierige Entscheidung zwischen Natur und Wohnflächen in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Kreuzfeld

Die Abwägung zwischen Naturschutz und dringend benötigtem Wohnraum ist schwierig.

  • Köln braucht neue Wohnungen, und zwar dringend. Gleichzeitig muss Natur gewahrt werden, um Klima und Umwelt zu schützen.
  • Der Regionalplan soll neues Bauland ermitteln – eine schwierige Abwägung zwischen Natur- und Wohnflächen.
  • Bei einigen potenziellen Bauflächen ist das Konfliktpotenzial besonders hoch.

Köln – Wie viel Freiflächen darf eine Stadt verbrauchen, um mit ihrem Bevölkerungswachstum umgehen zu können? Zehntausende Wohnungen müssen gebaut werden, dazu Schulen, Straßenbahntrassen, Parkhäuser, Kindertagesstätten, Sport- und Spielplätze. Gleichzeitig fordern Klimawandel und Umweltschutz den Erhalt von Frei- und Grünflächen. „Ein verantwortlicher Umgang mit der knappen Ressource Fläche“ sei „gefordert“, heißt es in einer Beschlussvorlage, die ab Ende des Monats in den Ausschüssen des Stadtrates diskutiert werden soll. Die Stadtverwaltung hat Vorschläge für die Überarbeitung des Regionalplans aufgeschrieben, die nun beschlossen werden sollen. Das klingt langweilig – doch tatsächlich geht es um nicht weniger als die zentrale Zukunftsaufgabe der Stadt.

Während die politischen Diskussionen bei vergleichsweise kleinen Bauprojekten hochkocht, hat die Stadtverwaltung – bislang ohne große öffentliche Debatten – 820 Hektar an Frei-, Brachflächen identifiziert, die für Wohnungsbau und Gewerbeimmobilien frei gegeben werden könnten. Zum Vergleich: Bei der aktuellen, hoch emotionalen Diskussion über die FC-Ausbaupläne im Grüngürtel geht es um drei zusätzliche Fußballplätze. Bei den Vorschlägen zur Überarbeitung des Regionalplans entspricht die Gesamtfläche, die zur Disposition steht, rund 900 Fußballfeldern.

Zuständig für den Regionalplan ist die Bezirksregierung Köln. Zurzeit machen alle Kommunen im Regierungsbezirk Vorschläge für neue Siedlungsbereiche. Ziel ist es, langfristige Perspektiven aufzuzeigen. Nicht alles, was im Regionalplan benannt wird, wird gleich bebaut. Bei einigen Flächen ist sich die Stadt selbst noch nicht sicher, ob sie überhaupt in den neuen Regionalplan aufgenommen werden sollen. Die Flächen seien „vorläufig“ und „unter Vorbehalt“ vorgeschlagen worden.

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Anhand der aktuellen Bevölkerungsprognose hat die Stadt bis 2040 einen zusätzlichen Bedarf für Wohnen und Mischnutzungen von mehr als 2600 Hektar ausgerechnet. Für Gewerbe und Industrie wurden 815 Hektar veranschlagt. Einen Teil des Bedarfs kann man noch im Rahmen des gültigen Regionalplans befriedigen. Für den weiteren Bedarf sei erforderlich, „sowohl die Potenziale der Innenentwicklung konsequent umzusetzen als auch über Handlungsoptionen im Außenbereich zu diskutieren, ohne den Aspekt der Nachhaltigkeit zu vernachlässigen“, heißt es in der aktuellen Beschlussvorlage.

20 Flächen mit hohem Konfliktpotenzial

Die Verwaltung schlägt insgesamt 53 Siedlungsbereiche für eine mögliche Bebauung vor. Bei 20 von ihnen ist das Konfliktpotenzial besonders groß. Sie werden als Flächen mit „besonderer ökologischer Funktion“ beschrieben. Flächen, die als Grünflächen besonders geschützt sind, bleiben zwar unangetastet. Innerer und Äußerer Grüngürtel sind tabu. Doch manche Frei- oder Brachfläche, die nun zur Debatte steht, wird im öffentlichen Bewusstsein durchaus als Grünfläche wahrgenommen. Auch Eingriffe in Grünzüge sind nach der Vorschlagsliste der Verwaltung möglich.

Bei einigen Flächen weist die Stadtverwaltung ausdrücklich daraufhin, dass Wiesen und Brachflächen geopfert würden, die für die Biotopvernetzung und die Pflege der Artenvielfalt wichtig sind – so zum Beispiel in den Stadtteilen Widdersdorf, in Pesch, Roggendorf/Thenhoven, Libur, Brück, Stammheim oder Dünnwald, wo auch ein Stück Wald verschwinden könnte. Auch in Ostheim steht eine bewaldete Grünfläche zur Debatte, die direkt an ein Landschaftsschutzgebiet grenzt. In Junkersdorf wird über das Areal entlang des Frechener Bachs diskutiert werden, der zurzeit aufwendig renaturiert wird.

Kaum Flächen rund ums Kölner Zentrum

Rund ums Zentrum der Stadt hat sich wenig finden lassen, das umgewandelt werden könnte. Die dem Zentrum am nächsten gelegenen Flächen befinden sich in Weidenpesch und Buchheim, wo Eingriffe in einen teilweise bewaldeten Grünzug denkbar sind. Fast alle Areale befinden sich in der Nachbarschaft äußerer Stadtteile. Am meisten wachsen könnten Porz-Libur (um bis zu 68 Hektar), Rheinkassel/Langel, Zündorf und Merkenich (jeweils um über 50 Hektar), Meschenich (um 44 Hektar), Brück (um 40 Hektar), Lövenich (um 32 Hektar) sowie Stammheim und Esch/Auweiler (jeweils um 30 Hektar).

Es gehe darum, „die Stadt von morgen generationengerecht und zukunftsfähig aufzustellen und Handlungsoptionen nicht nur zu bewahren, sondern zu generieren“. Man wolle nicht einfach nur den Bedarf an Wohnraum decken, so die Verantwortlichen. Eine Vergrößerung von Siedlungsbereichen schaffe auch neue Perspektiven für Stadtteile, die über Versorgungsdefizite, ein sterbendes Einzelhandelsangebot oder eine schlechte Anbindung klagen.

Die Vorschläge der Stadtverwaltung werden zum ersten Mal am 31. Oktober im Stadtentwicklungsausschuss beraten. Auch die Fachausschüsse für Wirtschaft, Schule, Umwelt und Verkehr sind daran beteiligt. Am 12. Dezember soll dann der Stadtrat entscheiden.

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