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Hälfte der AmtszeitZwischenbilanz für OB Reker – Gute Ansätze mit viel Luft nach oben

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Henriette Reker

Köln – Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Hälfte der Amtszeit hinter sich.  Hat sie die Erwartungen erfüllt, was sind ihre Erfolge? Eine Bewertung.

Reker hat zu Beginn ihrer Amtszeit einen neuen Politikstil angekündigt. Was hat sich verändert?

Entscheidungen im Stadtrat müssten sachbezogen sein, nicht von Parteiinteressen geleitet, forderte  Reker. So vernünftig das klingt, sie ist ihrem Ziel bis heute nicht näher gekommen. Die Ratsfraktionen schaffen es nicht, unvoreingenommen um die jeweils beste Lösung für die Stadt zu ringen.

Zu groß, und bis zu einem gewissen Maß verständlich, ist ihr  Bedürfnis,  das eigene Profil herauszustellen – stets die  nächste Wahl vor Augen. Die parteilose Reker hat ihren Einfluss und ihr Führungsvermögen  überschätzt, sie tritt zu selten  als stadtpolitische Leitfigur auf.

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Die Stadtverwaltung steht regelmäßig in der Kritik: lange  Bearbeitungszeiten, bürokratische Hürden,  hoher Krankenstand in der Belegschaft. Wie sieht es mit der von Reker angekündigten Reform aus?

Die Reform der Stadtverwaltung ist eines der wichtigsten Ziele der Oberbürgermeisterin. Klar ist, dass sich in einer solchen Mammutbehörde  mit 19.000  Beschäftigten Arbeitsprozesse und  Motivation nicht innerhalb von  Monaten verbessern lassen. Wer sich so etwas vornimmt,  sollte in Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten denken. Anders als ihre Vorgänger geht Reker die notwendige Erneuerung  zumindest mit Entschlossenheit an.

Sie stellte einen externen Verwaltungsexperten ein und berief ihn zum Chef-Strategen. Sie  ließ sich vom Stadtrat mehrere Millionen Euro bewilligen, um ein Beratungsunternehmen zu beauftragen und eigenes Personal für die Reform abzustellen. 

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Es geht mehr noch als um organisatorische Fragen darum, die Belegschaft  für  Veränderungen zu gewinnen, von denen am Ende alle  profitieren können; die  Bürger durch kürzere Bearbeitungszeiten und ein besseres Angebot an Dienstleistungen, die Mitarbeiter durch mehr Eigenverantwortung und Identifikation mit ihrem Arbeitgeber.

Nachdem sie in der ersten Hälfte ihrer Amtszeit die Voraussetzungen  für die Reform geschaffen hat, braucht Reker in den verbleibenden zweieinhalb Jahren bis zur Wahl einige Erfolge. Die gesamte Ernte der Verwaltungsreform  wird sich ohnehin  erst später einfahren lassen.

Köln wächst seit Jahren, aber es mangelt  an bezahlbarem Wohnraum. Wie hat die Oberbürgermeisterin reagiert?

Seit Rekers Amtsantritt Ende 2015 ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen drastisch zurückgegangen. Waren es 2015 noch 3957 Wohnungen, so wurden 2016 nur noch 2387 und 2017 sogar  lediglich  2138 Wohnungen fertiggestellt. Damit  musste die Stadt einen neuen Negativrekord  verzeichnen. Erst Ende 2017 gründete Reker zusammen mit der Wohnungswirtschaft das „Kölner Wohnbündnis“, um den Bau zu beschleunigen. 

Die Stadt verpflichtete sich, Bauanträge künftig schneller zu bearbeiten. Andererseits hat der Stadtrat bereits vor zwei Jahren beschlossen, mit Kreuzfeld im Norden Kölns einen völlig neuen Stadtteil zu bauen. Doch die Verwaltung hat noch immer keine Planung für das Vorhaben realisiert.

Welche Impulse für die Stadtentwicklung hat Reker gesetzt?

Reker hat sich früh für die Idee eines neuen Stadtmuseums auf dem Roncalliplatz begeistert, die ihr Vorgänger Jürgen Roters initiiert hatte. Sie bezeichnete den Siegerentwurf des Architekten Volker Staab als „wie hingeküsst“ und erkannte die einmalige Chance, das Domumfeld mit der „Historischen Mitte“  aufzuwerten.

Ansonsten hat sich die Oberbürgermeisterin bislang  vergleichsweise  wenig   mit dem Themenfeld des  Städtebaus beschäftigt und sich dabei eher auf den ehemaligen Baudezernenten Franz-Josef Höing verlassen.  Seit dessen Abschied nach Hamburg sind keine nennenswerten Vorhaben hinzugekommen.

Die Autofahrer standen 2017 in  Köln durchschnittlich 40 Stunden im Stau. Wie hat sich die Verkehrslage seit Rekers Amtsantritt entwickelt?

Das Thema Verkehr hat unter Rekers Ägide durchaus an Bedeutung gewonnen. Das schwarz-grüne Ratsbündnis hat den Verkehr aus dem Baudezernat herausgelöst und ein eigenes Dezernat mit der ehemaligen Düsseldorfer Amtsleiterin Andrea Blome an der Spitze gegründet. 

Die Oberbürgermeisterin hat zudem ein neues Amt für Verkehrsmanagement  ins Leben gerufen, das für einen flüssiger laufenden Verkehr sorgen soll. Die Weichen für eine Verbesserung sind also gestellt, ein Effekt ist aber noch nicht eingetreten. Insbesondere der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs kommen weiterhin nur schleppend voran.

Die Sanierung der Oper wird immer teurer und dauert immer länger. Was hat Reker auf der Großbaustelle bewirkt?

Die Oberbürgermeisterin hat  das von ihrem Amtsvorgänger Jürgen Roters geerbte Operndebakel zum Anlass genommen, die Großbaustelle zur Chefsache zu erklären. In der Folge ernannte sie den ehemaligen Baudezernenten  Bernd Streitberger zum neuen technischen Betriebsleiter der Bühnen.

Kritiker bemängelten allerdings, dass damit ausgerechnet derjenige als Retter engagiert wurde, der die fehlgeschlagene Sanierungsplanung konzipierte. In der Sache hat sich bislang  nichts verbessert. Die Kosten für das Vorhaben stiegen während Rekers Amtszeit zunächst auf 460 Millionen Euro und zuletzt erneut auf bis  zu 570 Millionen Euro.

In der Kulturpolitik liegt einiges im Argen. Es gibt ungelöste Personalfragen, Schauspiel und Oper spielen in Provisorien, die Museen sind marode.

Das Wirken von Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach bleibt höchst  überschaubar. Reker hat sich deswegen einiger Themen selbst angenommen, etwa der Vertragsverhandlungen mit François-Xavier Roth, dem Chef des Gürzenich-Orchesters. Auch die Zuständigkeit für die Kulturbauten hat sie der überforderten Dezernentin weggenommen. Nun muss sie darauf achten, dass sie die Funktionsfähigkeit der Museen wiederherstellt. Mit dem RGM, dem Stadtmuseum, dem Rautenstrauch-Joest-Museum – um nur die größten Problemfälle zu nennen – hat sie einiges zu tun. Und der lange versprochene Anbau an das Wallraf-Richartz-Museum lässt weiter auf sich warten.

Die Wirtschaft läuft auch in Köln rund. Was tut Reker, um die lokalen Unternehmen zu fördern und neue Firmen nach Köln zu holen?

Seit dem Weggang von Wirtschaftsdezernentin Ute Berg im März 2017 hat das Thema in der Stadtspitze an Priorität verloren. Köln ist so populär, dass viele Unternehmen auch ohne eine gezielte Ansiedelungspolitik kommen. Das muss aber nicht immer so bleiben.

Dem   Versandhändler Amazon etwa, der in Niehl ein Sortierzentrum  mit 950 Arbeitsplätzen errichten wollte, schnappte  ein städtisches Tochterunternehmen das fragliche Grundstück weg. So etwas spricht sich herum. Rekers Wunsch, die  Wirtschaftsförderung künftig in eine eigene Gesellschaft auszugliedern, hat sich der Rat im vergangenen Dezember angeschlossen. Passiert ist seitdem aber nicht viel.

Gelingt Henriette Reker der Spagat zwischen der Eventstadt Köln, die jährlich  Millionen Besucher lockt, und den Interessen der Menschen, die  hier leben?

Das jüngste Gerichtsurteil zum Brüsseler Platz zeigt jedenfalls: Wegducken hilft nicht mehr. Die Stadt muss sich klarere Regeln setzen – und sie muss wissen, was sie will.

Auch außerhalb von Großereignissen wie Karneval, CSD oder den Kölner Lichtern müssen die Verhältnisse zwischen denen, die feiern wollen und jenen Anwohnern, die auf ihre Rechte pochen, geregelt werden. Das  eine tun, ohne den guten Ruf Kölns als Stadt, die so offen und  herzlich feiern  kann, nicht zu verspielen, ist eine schwierige Aufgabe.

Wie agiert die Stadtchefin im Umgang mit Bürgern?

Wer Reker auf öffentlichen Versammlungen erlebt, im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, erkennt ihre Stärke. Sie begegnet ihrem Gegenüber offen und zugewandt. Sie möchte keine  Ideologien verkaufen, der Antityp einer Parteifunktionärin, das kommt an bei den Menschen.

Wenn sie sich, wozu sie mitunter neigt,  deren Kritik an der Verwaltung anschließt, macht sie es sich allerdings zu einfach. Dann vermittelt sie den Eindruck, sie habe mit dem Geschehen im Rathaus überhaupt nichts zu tun. Das Gegenteil ist aber der Fall.

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