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Harte Zeiten für Floristen„Blumen Pitschack“ am Hauptbahnhof muss schließen

Lesezeit 6 Minuten
Floristmeister Roland Schimmel-Pfennig muss für seinen Beruf früh aufstehen.

Floristmeister Roland Schimmel-Pfennig muss für seinen Beruf früh aufstehen.

  • Floristen haben es schwer. Blumen gibt es mittlerweile auch zu Spottpreisen im Supermarkt.
  • Das Handwerk will kaum einer noch erlernen, die Löhne sind zu niedrig.
  • Dennoch halten Kölner Floristen an ihrer Leidenschaft fest, auch wenn das Traditionsgeschäft Pitschak aufgeben muss.

Köln – „Vor dem Blumenladen am Eingang“ heißt es oft, wenn Kölner sich am Hauptbahnhof verabreden. Wer von der Domseite her den Bahnhof betritt, läuft direkt auf das Geschäft zu. „Blumen Pitschak“ ist eine Institution“ – und wahrscheinlich „der beste Bahnhofsflorist in ganz Deutschland“, wie auch die Konkurrenz bestätigt.

Doch leider blieb es zuletzt immer öfter dabei, dass Menschen am Treffpunkt vor dem Geschäft stehen blieben. Zu wenige gingen in den Laden hinein. „Blumen Pitschak“ schließt zum Monatsende. Die Geschäftsführerin Rafaela Pitschak möchte nicht über die Gründe reden. Nur bei einem ist sie sich sicher: „Auf dieser Ladenfläche wird es kein Blumengeschäft mehr geben. Einfach zu groß, zu teuer.“

Das Geschäft mit Rose, Primel und Weihnachtsstern hat sich verändert. In Bestlagen wie am Hauptbahnhof lässt sich damit nicht mehr genug Geld verdienen, um die steigenden Gewerbe-Mieten zu erwirtschaften. Flower-Power war gestern. Viele Trends, die den Floristen das Leben schwer machen, sind zusammengekommen. Discounter und Supermärkte verschleudern Schnittblumen zu Spottpreisen.

Friedhofsgärtnereien beklagen, dass immer häufiger in der Urne bestattet wird, der Grabschmuck entsprechend kleiner ausfällt. Und auch Unternehmen sind sparsamer geworden und bestücken ihre Firmenfeiern längst nicht mehr mit der Blumenpracht, wie das einst üblich war. Die Folge: Das Ende des Pitschak-Ladens ist kein Einzelfall.

Zahl der Läden hat sich halbiert

Rund 200 Blumengeschäfte gibt es derzeit in Köln. Bundesweit dürfte sich die Zahl der Läden in den vergangenen zehn Jahren beinahe halbiert haben, schätzt der Fachverband Deutscher Floristen (FDF). Blühende Landschaften sucht man ausgerechnet im Handwerk mit dem grünen Daumen vergebens.

Das beobachtet auch Roland Schimmel-Pfennig. Der Floristmeister betreibt den efeuumrankten Traditionsbetrieb „Blumengarten“ an der Venloer Straße nahe am Friesenplatz. „Früher war auf dem Großmarkt richtig was los.“ Wenn der morgens öffnete, gab es einen richtigen Run auf die schönsten Blumen. Das war eine tolle Atmosphäre, viele Gärtner waren dort“, erinnert er sich. „Heute herrscht dort Grabesstille. Die Hälfte der Gärtner ist verschwunden.“ Raimund Korbmacher, Geschäftsführer des Blumengroßmarkts Köln, hält dagegen. Zwar sei die Zahl der Blumenläden zurückgegangen, „aber die Umsätze steigen“, sagt er. Der Branche gehe es nicht schlecht. Das Sterben der Läden habe eine andere Ursache: Es fehle vor allem der Nachwuchs.

Viele Floristen suchen sich Nischen

Azubis händeringend gesucht – Das beklagt auch die NRW-Sektion des Branchenverbandes FDF. Noch stärker als die Zahl der Betriebe sank nämlich das Interesse an einer Ausbildung an Gartenschere und Blumendraht.

Nur sieben Floristinnen schlossen 2018 ihre Ausbildung in Köln ab. Gerade einmal 18 unterschrieben einen Ausbildungsvertrag. Vor zehn Jahren waren es nach Auskunft der IHK Köln noch 47.

„Viele Betriebe suchen händeringend nach Azubis“, sagt Verbandssprecherin Nicola Fink. „Dabei machen wir viel mehr als bloß Sträuße binden.“ Sie glaubt, dass jene Läden, die sich bis jetzt gegenüber Discounterware und veränderten Kundenbedürfnissen behaupten konnten, gut aufgestellt sind. „Die Läden heute punkten mit guter Beratung, regionalen Produkten und Ware aus nachhaltigem Anbau“, so Fink. Manche Läden spezialisieren sich. Sie beliefern ausschließlich die Gastronomie oder richten ihr Sortiment ganz auf opulente Hochzeitsdekoration aus.

Von Betreibern klassischer Blumenläden werden sie nicht selten als „Garagenfloristen“ verspottet, weil klassische Ausstellungsräume für die Nischen-Profis kaum eine Rolle spielen.

Fleurop ist mehr Segen als Fluch

Die Online-Konkurrenz sei im Fachhandel mit Blumen dagegen kein großes Problem. „Fleurop ist für viele Händler eher ein Segen als ein Fluch“, sagt Nicola Fink. Schließlich arbeite der Internet-Service eng mit den Fachleuten vor Ort zusammen und vermittle die Kundenbestellung nur weiter. Pakete über Hunderte Kilometer per Post zu schicken, wo die Frischware womöglich noch in der Hitze welkt, macht wenig Sinn. Die sorgsame Aufbewahrung und Pflege der Blumen ist nämlich erste Pflicht des Floristen. Und genau daran hapert es im Supermarkt häufig.

„Die Ware dort ist oft nicht einmal schlechter als die im Fachhandel“, erläutert Fink. Aber fensterlose Supermarkthallen, in denen jede Topfpflanze über kurz oder lang verkümmert, unzureichende Bewässerung oder zugige Standorte im frostigen Eingangsbereich setzen den Blumen zu.

„Der ausgebildete Florist kennt die Pflanze und weiß, wo sie am besten steht. Er wechselt auch regelmäßig das Wasser, gibt Frischhaltemittel hinzu, zupft welke Blätter und reagiert bei Schädlingsbefall“, so Fink. Vor allem kann er auf die individuellen Wünsche seiner Kunden reagieren. „Jeder Strauß ist ein Unikat“, sagt die FDF-Sprecherin.

„Nur etwas für Hauptschüler“

Auch Roland Schimmel-Pfennig schwärmt von dem Beruf, dem es so sehr an Nachwuchs mangelt. „Es ist so ein wunderschöner Werkstoff, mit dem wir arbeiten“, sagt er. „Wenn wir unsere Arrangements dem Kunden übergeben, sehen wir in lächelnde Gesichter. Solche Erfolgserlebnisse haben wir immer wieder am Tag. In welchem Beruf bekommt man schon so eine Bestätigung?“, fragt er. Umso mehr ärgert es ihn, wenn er davon hört, dass Berater im Arbeitsamt Abiturienten davon abraten, eine Lehre im Blumenladen zu beginnen und den Schulabgängern sagen, der Beruf sei „nur etwas für Hauptschüler“.

Schimmel-Pfennig, selbst einst Abiturient und seit 25 Jahren Ausbilder in der Floristik, hat viele junge Menschen an den Beruf herangeführt. „Bei den Bewerbern haben sich mit der Zeit aber die Prioritäten verändert“, sagt er.

Statt die Freude am Handwerk, das Glück in einer gestaltenden Arbeit und dem Kontakt mit Kunden zu suchen, gehe es den Jugendlichen vor allem um die Bezahlung. Und die ist bei den Floristen noch immer gering. Knapp 600 Euro zahlt die Branche derzeit. Maurer, Mechatroniker und Versicherungskaufleute bekommen bereits während der Ausbildung rund 400 Euro mehr.

Enthusiasmus für den Beruf

„Wir werden in zehn Jahren nur noch halb so viele Blumenläden haben, wenn da kein Umdenken stattfindet“, prognostiziert Schimmel-Pfennig. Zudem sind die Arbeitsbedingungen alles andere als komfortabel. „Wenn ich zur Blumenversteigerung fahre, stehe ich morgens um 3.20 Uhr auf“, berichtet der Blumen-Veteran. Um sechs geht der Betrieb in Herongen an der deutsch-niederländischen Grenze los. Dann sitzen die angereisten Händler auf der Tribüne und geben per Knopfdruck ihre Gebote für Erzeuger-Ware ab. Wer klug einkaufen will, muss etwas früher da sein, um die Blumen vor Versteigerungsbeginn zu begutachten. Das kostet Schlaf und erfordert viel Enthusiasmus für den Beruf.

Rafaela Pitschak mangelte es daran nicht. Umso schwerer fällt ihr jetzt der Abschied von dem Laden, in dem in den besten Zeiten ein Dutzend Floristinnen arbeiteten. „Wir sind schon mitten im Schlussverkauf“, sagt sie. Viele Stücke sind stark rabattiert. Vor allem die Großteile, mächtige Amphoren sind noch zu haben. „Das ist sicher etwas Spezielles für Liebhaber“, sagt Pitschak. Vielleicht ein Grund für langjährige Kunden, noch einmal bei ihr vorbeizuschauen und sich zu verabschieden von einer Kölner Institution.

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