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Heumarkt in Köln250 Menschen demonstrieren für ihr Recht auf Versammlung

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Versammlungsgesetz

Teilnehmer der Demo auf dem Heumarkt

Köln – Ein Mann verteilt Flugblätter vor dem Reiterdenkmal, eine Kanone auf Rädern steht mitten auf dem Heumarkt und weiter hinten auf dem Platz dröhnt aus einer Musikbox laute Techno-Musik. Die rund 250 Demonstranten, die am Samstagnachmittag in der Kölner Innenstadt zusammengekommen sind, wollen genau für das demonstrieren, was sie hier tun: Ihr Recht auf Versammlung.

Im Koalitionsvertrag der gelb-schwarzen Landesregierung war schon seit längerem ein neues Versammlungsgesetz vorgesehen, seit Beginn des Jahres liegt der konkrete Entwurf vor. Daraufhin gründete sich das Punktbündnis „Versammlungsgesetz stoppen“ im Februar; ein Zusammenschluss unter anderem aus Fußballfans, Klimarechtsaktivisten und Gewerkschaften. Sie alle sehen in dem Gesetz eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, die sich vor allem gegen linke Gruppen und ihre Proteste richtet.

Auf Gesetzesänderung hinweisen

„Durch die Pandemie sind viele Versammlungen ausgefallen, unsere Grundrechte werden – aus gutem Grund – eingeschränkt“, sagt Luzie Stift, Pressesprecherin des Bündnisses in Köln, „aber deshalb ist es wichtig gerade jetzt auf eine solche Gesetzesänderung hinzuweisen und gegen sie zu protestieren.“ Stift spricht für alle Bewegungen, die hinter dem Bündnis stehen und fordert, dass das Gesetz in der momentanen Ausführung gestoppt werden solle.

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Torben Straußdat, Sprecher der Initiative „kameras-stoppen.org“, stört vor allem der Teil des Gesetzes, der es Polizisten fortan erlauben soll, Demonstranten mit Stand- sowie Drohnenkameras zu filmen. „Das war bisher auch nicht notwendig, und Versammlungen konnten trotzdem stattfinden“, sagt er. Auf dem Sprecherwagen stellt sich eine Antirassismus-Aktivistin vor die Menge. Sie trägt die Sicht von Menschen mit Migrationshintergrund auf das neue Gesetz vor: „Menschen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, werden sich weniger trauen, auf Versammlungen zu kommen, wenn sie fürchten müssen, dass sich politische Teilhabe auf ihr Verfahren auswirken könnte“, sagt sie. Lotte S. steht am Rande der Demonstration, zwei Meter entfernt von ihrem Begleiter, und ist genau wegen diesem Punkt gekommen. „Wir brauchen einen kritischen Dialog, den es um das Gesetz, – so wie es jetzt ist – nicht gab“, so die Kölnerin.

Auch Fußballfans fürchten um ihr Recht

Ein weiterer Teil des Gesetzes sieht vor, dass Versammlungen mit uniformierten Personen von der Polizei aufgelöst werden können. Auch Fußballfans fürchten, mit ihren Trikots unter das Verbot zu fallen, und mit bis zu zwei Jahren Haft wegen Teilnahme an einem Fanmarsch verurteilt zu werden. Es ist eines der extremsten Szenarien, das vom neuen Gesetzesentwurf jedoch nicht explizit ausgeschlossen wird. Ein Vertreter der Fußballrechtshilfe, die der Verein „Südkurve 1. FC Köln e. V.“ den Fans des FC bietet, fordert deswegen auf der Bühne: „Ein Fanmarsch kann bald zu einer unangemeldeten Versammlung deklariert werden, da die keiner anmeldet. Wir haben dann das Nachsehen, obwohl wir nur zum Fußball fahren wollen.“ Er fordert: Weniger Polizeigewalt und Staatsrepression, auf den Bannern der Versammelten steht dieselbe Forderung.

Richtung Appellhofplatz stehen 15 Mannschaftswägen der Polizei, auch sie ist hier, schließlich waren bis zu 500 Demonstranten angemeldet. „Unter das Gesetz fällt auch, dass die Daten von Ordnern an die Polizei weitergegeben werden müssen“, sagt die Sprecherin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) nun auf der Bühne. Auch, dass Veranstalter mit ihrem Klarnamen öffentlich als Veranstalter kenntlich sein müssten, würde potenzielle Veranstaltungsanmelder einschüchtern. Zu groß würden die Bedenken, auf rechten Abschusslisten zu landen, so die Sprecherin. „Wir sehen es als unsere demokratische Pflicht, Rechte beim Herausposaunen ihrer Ansichten stören zu dürfen und dabei selbst geschützt zu bleiben“, sagt sie. Es folgt eine Minute Applaus.

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Gegen Nazi-Aufmärsche gehe das Gesetz zu wenig vor, findet auch Pressesprecherin Stift. „Wenn die Politik etwas unternehmen will, soll sie in anderen Bereichen ehrlicher sein und zum Beispiel ermitteln, wer Daten an den NSU 2.0 weitergegeben hat“, findet sie. Der NSU 2.0 versendete Drohbriefe an die Privatadressen von Personen, die sich öffentlich liberal äußerten. Die privaten Daten entstammen mutmaßlich einem Datensystem der Polizei. „Es muss garantiert sein, dass wenn wir Daten von Ordnern weitergeben, die nicht auch mit Drohbriefen rechnen müssen“, so Stift. Vom Heumarkt aus zieht die Demonstration weiter, über den Neumarkt geht es zum Friesenplatz, wo noch jeweils zwei weitere Kundgebungen geplant sind. Nach 17 Uhr ist die Demonstration am Ziel angekommen. Auch ein Polizeisprecher vermeldet, dass es zu keinen Störungen kam. So konnte das Bündnis gemäß dem derzeit geltenden Versammlungsgesetz sowie unter Beachtung der Corona-Auflagen seinen Punkt an diesem Nachmittag deutlich machen.

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