Hitze-Sommer„Die Früchte werden am Obstbaum gekocht“

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Expertin Carina Pfeffer warnt vor den Folgen des Klimawandels bei Obstbäumen.

Expertin Carina Pfeffer warnt vor den Folgen des Klimawandels bei Obstbäumen.

Köln – Das Gras auf der Streuobstwiese an der Straße Am Weißen Mönch ist durch die Sonne teils versengt. Den Bäumen in Dünnwald geht es kaum besser: Manche haben ihre Blätter verloren, an anderen hängen sie nur noch gelb oder welk an den Ästen. Die Früchte sind außen aufgeplatzt und innen verfault. „Die Lage ist dramatisch“, sagt Obstexpertin Carina Pfeffer, die für die Stadt den Obstbaumbestand kartiert.

Der Klimawandel macht mittlerweile auch den Kölner Obstbäumen zu schaffen. Durch die Hitze, die sich auch in diesem Jahr mit Temperaturen bis mehr als 40 Grad bemerkbar gemacht hat, leiden die Bäume unter Trockenstress. Unter anderem schalten sie in eine Art Notprogramm um – und werfen ihre Blätter vorzeitig ab. Damit gehen ihnen nicht nur wichtige Nährstoffe verloren, die sich im Sommer noch in den Blättern befinden und erst später in den Baum befördert werden. Sie verlieren auch den Schattenschutz gegen das intensiver werdende UV-Licht der Sonne.

„Die Bäume leiden an einem regelrechten Sonnenbrand“, sagt Pomologin Pfeffer. Rinden brechen auf, die Früchte platzen noch am Baum. „Durch die starke Sonneneinwirkung und die geschädigte Ozonschicht entstehen Temperaturen von mehr als 50 Grad auf den Früchten“, sagt Pfeffer. „Die Früchte werden am Baum gekocht.“ Anderes Obst wird vorzeitig abgeworfen oder verkümmert durch den Wassermangel am Baum. Ähnliches gilt für die Triebe, die deutlich weniger stark wachsen als in regenreichen Zeiten. Auch Wurzeln weisen Schäden auf. Außerdem werden die Bäume schneller Opfer von Schädlingen. Blattläuse, Apfelwickler (Würmer), Schorf, Mehltau oder Gespinstmotten haben leichtes Spiel mit den geschwächten Bäumen.

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Die Früchte sind aufgeplatzt und verfault. 

Die Früchte sind aufgeplatzt und verfault. 

Die Expertin rechnet mit Ernteverlusten bei einigen Sorten im gewerblichen Obstanbau von 30 Prozent. Auch die Schäden an den Bäumen auf Streuobstwiesen seien „massiv“. Bauern reagierten bereits auf den Klimawandel, indem sie ihre Bäume mit Netzen beschatteten, mit Wasser kühlten oder mit Spritzen mit Kaolinpartikeln behandelten, die die Oberfläche der Früchte abkühlen sollen. „Der Aufwand ist natürlich groß“, sagt Pfeffer

Fatal wirke sich aus, dass Landwirte, Handel und Verbraucher in der Vergangenheit nur auf wenige Sorten bei Äpfel, Birnen, Kirschen oder Pflaumen gesetzt hätten, was zu Lasten der Artenvielfalt gehe. Von den einst Hunderten Apfelsorten seien – vorsichtig geschätzt – nur 50 übrig geblieben. Früher habe „fast jedes Dorf seinen eigenen Apfel“ gehabt, heute dominierten wenige Sorten, die wiederum aus noch weniger Sorten gezüchtet worden seien. Äpfel wie „Cox“ und „Jonathan“ etwa gelten als ertragreich, aber wenig robust und können nur unter Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln überleben. Trockenheit und Hitze hätten diese Sorten nur wenig entgegenzusetzen, so Pfeffer. Bei Birnen, Kirschen und Pflaumen sei der Verlust der Artenvielfalt noch schlimmer.

Streuobstwiese für Ehrenfeld

Der Verein der Pomologen, in dem Pfeffer aktiv ist, sucht nach Alternativen zu Apfelsorten wie Elstar und Jonagold. Sorten wie der Luxemburger Triumph oder das Rheinische Seidenhemdchen bildeten tiefere Wurzeln und könnten daher auch unter widrigen Bedingungen bestehen. Künftig sollte man bei der Auswahl der Obstbäume auch darauf achten, wo man sie pflanzt. „Nicht alle Standorte sind geeignet“, sagt Pfeffer. Besonders Lehmböden seien gut für die Bäume, weil sie das Wasser besser speichern könnten. Bei der Pflanzung müssten Obstbaumsorten bevorzugt werden, die in einem normalen Zustand über ein üppiges, gesundes Blattwerk verfügen.

Ein Patentrezept gegen den Klimawandel hat Pfeffer jedoch nicht. „Es muss noch intensiv geforscht werden.“ Der Stadt attestiert sie aber, dass sie sich Mühe gebe, das Thema im Blick zu behalten. Jüngst habe Pfeffer die Kommune dabei unterstützt, eine Streuobstwiese mit 60 unterschiedlichen Obstsorten in Ehrenfeld anzulegen. Auf Gut Leidenhausen gibt es zudem ein „Obstmuseum“. Bei den auf einer Wiese gepflanzten Obstbäumen handelt es sich um alte, einst im Rheinland heimische Obstsorten, die es in der heutigen Agrarlandschaft nicht mehr gäbe. Neben alten Obstsorten wurden auch die Wildformen der Obstbäume gepflanzt, so dass Besucher zwischen einem Wildapfel und einer kultivierten Sorte vergleichen können.

www.pomologen-verein.de

www.sdw-nrw-koeln.de/obstmuseum

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