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Impfen gegen Affenpocken in Köln„Wir haben Glück, dass diese Variante im Umlauf ist“

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Dominic Rauschning arbeitet eigentlich für die Bundeswehr. Aktuell kämpft er an  der Uniklinik gegen die Ausbreitung Affenpocken.

Köln – Die Zahl der Affenpocken-Impfungen in Köln schreitet voran. Am Infektionsschutzzentrum der Uniklinik werden inzwischen rund 30 Personen pro Tag geimpft. Mitte Juli wurden pro Tag etwa zehn Impfungen durchgeführt. Auch einige niedergelassene Schwerpunktpraxen für Infektionskrankheiten impfen in Köln immer häufiger gegen die Affenpocken. Die Fallzahl steigt unterdessen langsamer als noch im Juli. 375 Infektionen wurden in Köln bislang erfasst, neun Patienten mussten stationär behandelt werden. 30 sind aktuell in häuslicher Quarantäne, Tendenz sinkend.

„Für die Termine der vergangenen Wochen stand genug Impfstoff zur Verfügung“, sagt Impfarzt Dominic Rauschning. Der Mediziner arbeitet eigentlich für die Bundeswehr, wurde für ein Forschungsprojekt an der Kölner Uniklinik abgestellt – und arbeitet dort nun gegen die Ausbreitung der Affenpocken an. Um diese möglichst effektiv einzudämmen, ist es entscheidend, die richtigen Personen zu impfen. „Wenn die Indikation schwammig oder gar nicht gegeben ist, können wir die Impfung nicht verabreichen“, betont er. Dafür sei das Mittel weiterhin zu knapp.

Affenpocken in Köln: Impfung hilft auch nach der Infektion

Inzwischen habe sich die Ständige Impfkommission (Stiko) immerhin eindeutig zur Frage geäußert, wer berechtigt ist und wer nicht. Es gebe drei Gründe für eine Impfung, sagt Rauschning. Der erste Grund: enger Kontakt zu einem infizierten Menschen. Der Kontakt muss nicht sexueller Natur sein, es reicht aus, im selben Haushalt zu leben. „Bis zu vier Tage nach dem Kontakt zu einem Affenpocken-Patienten kann man die Erkrankung mit einer Impfung noch vollständig verhindern“, sagt der Mediziner.

Bis zwei Wochen nach der Infektion könne es gelingen, die Symptome durch eine Impfung noch deutlich abzuschwächen. Wer nach mehr als 14 Tagen noch keine Symptome entwickelt hat, sei sehr wahrscheinlich auch nicht infiziert.

Der zweite Grund, der für eine Impfung ausreicht, ist ein prophylaktischer Schutz. Dieser ist beschränkt auf die Risikogruppe. „Und das sind in Deutschland Männer, die Sex mit unterschiedlichen Männern haben“, so Rauschening weiter. „Wir müssen für die Risikobestimmung also auch das sexuelle Verhalten abfragen, das muss jedem klar sein, der sich hier vorstellt.“ Derzeit machen prophylaktische Impfungen den Großteil aus.

Unmittelbar nach dem Christopher Street Day in Köln lag der Schwerpunkt auf Impfungen nach Sexualkontakt. „Im Moment ist das Risiko in der rein heterosexuellen Bevölkerung nicht so groß“, wechselnde Sexualpartner des anderen Geschlechts seien also keine Indikation für eine Impfung, so der Arzt weiter.

Pocken-Impfstoff: „Es ist im Prinzip der erste Impfstoff überhaupt“

Die dritte Gruppe sind Labormitarbeiter, die sich direkt mit dem Virus beschäftigen und den Erreger dafür freilassen müssen. Für alle Gruppen gilt: „Wer eine Immunschwäche hat, wird höher priorisiert, weil das Risiko für einen schweren Verlauf größer ist“.

Für einen vollständigen Schutz wird zweimal in einem Abstand von mindestens vier Wochen geimpft – in der Theorie. Praktisch führt die Uniklinik derzeit keine Zweitimpfungen durch, um möglichst vielen Menschen eine Erstimpfung anbieten zu können. Im Herbst ist mit größeren Liefermengen zu rechnen, sodass die Zweitimpfungen bald schneller möglich sind. „Wer als Kind bereits gegen die Pocken geimpft wurde, dem reicht eine einmalige Auffrischungsimpfung“, sagt Rauschning.

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Die Grundlagen für den Impfstoff waren längst entwickelt, als sich die Affenpocken zu Beginn des Jahres weltweit verbreiteten. Es ist fast dasselbe Mittel, das auch gegen die klassischen Pocken verwendet wurde. „Die Pockenimpfung ist die erste überhaupt, auch mit Lebendimpfstoff. Der aktuelle Impfstoff ist natürlich nicht mehr der, von früher, leitet sich aber davon ab“, erklärt Rauschening. „Man bietet dem Körper einen Vergleichserreger an, der ihn aber kaum krank macht. Die Immunität funktioniert für die ganze Familie der Pockenviren.“

Im vergangenen Jahrhundert wurde die Pocken-Impfung auch in Deutschland in die Haut geritzt, also genau dorthin, wo die Erkrankung sichtbar wird. „Heute wird sie mit einer Spritze verabreicht, geht aber nicht in den Muskel, sondern in das Fettgewebe unter der Haut“, so der Arzt. „Da kann es Lokalreaktionen geben, die man eher wahrnimmt als Reaktionen im Muskel.“ Grippale Nebenwirkungen in der ersten Woche seien möglich, aber schnell rückläufig.

Corona-Pandemie und Affenpocken-Ausbreitung: Die Infektionen sind zurück

Für den Mediziner ist die neue Erkrankung eine Herausforderung, noch ist nicht bis ins Letzte erforscht, wie die Affenpocken funktionieren. „Wir haben Glück, dass eine Variante im Umlauf ist, die selten zu sehr schweren Verläufen führt“, sagt Rauschning. „Und wir haben von Anfang an einen funktionierenden Impfstoff, das ist sehr viel wert. Außerdem haben wir im Zuge der Pandemie Strukturen entwickelt, die jetzt enorm helfen.“ Dazu zählt das Infektionsschutzzentrum, in dem zahlreiche Affenpocken-Patienten geimpft, aber eben auch beraten und behandelt werden.

Für Mediziner wie Dominic Rauschning, die sich auf Infektionskrankheiten spezialisiert haben, ist es eine besondere Zeit. Nach zweieinhalb Jahren einer weltweiten Pandemie bahnt sich wieder etwas an, wieder macht eine Infektionserkrankung Schlagzeilen. Das ist für mich schon spannend, denn in den vergangenen Jahrzehnten haben Infektionen in der westlichen Welt kaum eine Rolle gespielt. Wir dachten, dieses Problem gelöst zu haben. Haben wir aber längst nicht.“

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