In Corona-KriseSo stellen Kölner Hochschulen auf Online-Unterricht um

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Studentin Anna de Medeiros im Homeoffice.

Köln – Wenn Anna de Medeiros auf den Campus will, muss sie nur ein paar Mal die Maus an ihrem Laptop drücken. Fünf Vorlesungen hat die 21-Jährige an der Hochschule Macromedia am Neumarkt in diesem Semester ihres Bachelor-Studiengangs Media and Communication Management belegt – und alle kann sie derzeit im Internet besuchen. Über die Internet-Plattform Teams trifft sie zu fest verabredeten Zeiten ihren Professor und ihre Kommilitonen – virtuell. Corona macht es möglich.

Die Hochschulen laufen derzeit weitgehend im Online-Modus. Wegen der Virus-Krise untersagte das Land NRW im März den gesamten Präsenz-Lehrbetrieb.

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Anselm Kreuzer von der Rheinischen Fachhochschule im Videogespräch mit einem Studenten. 

Die Einrichtungen mussten ihre Vorlesungen und Seminare absagen, Bibliotheken wurden geschlossen, die Mitarbeiter weitgehend ins Homeoffice geschickt. Es war der Shutdown für die akademische Welt. Die Antwort vieler Hochschulen auf die Krise ist das Internet. Seit Jahren wird über Sinn und Unsinn des Ausbaus von virtuellen Kursen an den Einrichtungen diskutiert. In diesen Tagen geht manches plötzlich sehr schnell.

Mit der Microsoft-Plattform Teams in den virtuellen Hörsaal

Das Semester an der privaten Macromedia-Hochschule sollte eigentlich am 16. März beginnen. Da war aber schon absehbar, dass die Lehrpläne wegen Corona aus den Fugen geraten würden. „Wir hatten eine Woche Zeit, um das Ruder herumzureißen“, sagt Professor Oliver Lohmar (43), der an der Kölner Hochschule Studiendekan ist, Management-Themen unterrichtet und Mitglied der Macromedia-Taskforce ist, die an sieben Standorten der Hochschule in Deutschland Veranstaltungen ins Netz verlagert hat. Bundesweit wurden 4000 Studenten, davon 800 in Köln, über die Microsoft-Plattform Teams in den virtuellen Hörsaal geholt. 270 Lehrveranstaltungen werden nun über das Netz in die Wohnzimmer der Studenten live übertragen.

Online-Veranstaltungen gab es auch schon vor der Corona-Krise an der Macromedia Hochschule, vielleicht zehn bis 20 Kurse pro Semester, schätzt Lohmar. Nun sind alle Veranstaltungen im Internet zugänglich, freilich nur für die Studenten, die an der Hochschule eingeschrieben sind. Ein Kraftakt für alle Beteiligten. Die Dozenten erhielten einen digitalen Workshop, um mit der Technik besser umgehen zu können. Studenten erhalten Tutorien, wie sie Anna de Medeiros auf Instagram etwa einmal in der Woche anbietet.

Angehende Akademiker verabreden sich in virtuellen Klassenräumen

Über die Plattform können Studenten nicht nur dem Professor zuhören, sondern sich mit Kamera und Mikrofon zuschalten, Gespräche per Chat führen und sogar Umfragen machen und Grafiken erstellen. In virtuellen Klassenräumen verabreden sich die angehenden Akademiker zu Gruppenarbeiten, zu denen sich auch der Dozent zuschalten kann, bevor man im Hauptplenum die Gruppenarbeiten vorträgt. Zusätzlich erhalten die Hochschüler Links, die einen Zugang zu Fachliteratur bieten. „Die Studenten freuen sich über das Angebot und sind froh, dass sie kein Semester verlieren“, sagt Lohmar. „Die Umstellung verlief ohne Probleme“, sagt auch Studentin Anna de Medeiros.

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De Medeiros gefällt, dass „wir versuchen, etwas Normalität ins Leben zurückzuholen“. Es sei auch mitunter lustig, wenn in der Videokonferenz plötzlich der Hund des Professors ins Bild läuft oder die Kinder im Nebenraum ein bisschen Lärm machen. Andererseits fehle das Campus-Gefühl, die Kommilitonen, mit denen man einen Kaffee trinken kann, die Netzwerke, die nebenbei an der Hochschule geknüpft werden. Arbeit und Privates ließen sich daheim am Laptop nicht immer gut trennen. „Es ist schwierig, die Konzentration im Homeoffice zu behalten“, sagt de Medeiros. Für sich habe sie sich entschieden, dass sie die Online-Vorlesungen nicht in Jogginghose und mit Kaffeebecher am Computer verfolgen will. „Ich ziehe mich ganz normal an, als wenn ich zur Hochschule fahren würde“, sagt sie.

Hochschule ist an den Lehrzeiten in den USA orientiert

Ähnlich läuft es an der CBS International Business School. Das Semester der international orientierten privaten Hochschule ist an den Lehrzeiten in den USA orientiert und beginnt schon im Februar. Oft wird in englischer Sprache unterrichtet. „In meinen Vorlesungen sitzen vermutlich 50 bis 70 Prozent Studierende aus dem Ausland“, sagt Michael Schwertel, Professor für Media Management.

Studenten aus Kanada, Australien oder Finnland können derzeit nicht nach Deutschland einreisen und freuen sich über das Internet-Studium, das auch seine Hochschulen über die Plattform Teams anbietet. Erfahrungen mit Online-Vorlesungen hatte die Hochschule bislang eher vereinzelt gemacht. Es gab Online-Videos und im vergangenen Jahr eine Internet-Vorlesung mit dem Filmproduzenten Jeff Gomez („Avatar“, „Fluch der Karibik“), der dafür nicht persönlich nach Köln kommen musste.

Höchstbelastung für die IT-Abteilung und viele Überstunden

Einen ganzen Campus mit Dutzenden Veranstaltungen aber ins Internet zu stellen, war eine ganz andere Herausforderung. Höchstbelastung für die IT-Abteilung und viele Überstunden. Aber nach einer Woche hatten sie es an der CBS tatsächlich geschafft. „Fünf Jahre haben wir darüber nachgedacht, und jetzt funktioniert es besser als gedacht“, sagt Schwertel. Jetzt können die Vorlesungen auch zeitversetzt gesehen werden, die CBS zeichnet die Inhalte auf und stellt sie ins Netz.

Grundsätzlich seien digitale Veranstaltungen sogar effektiver, wenn alle mitmachen, so der Dozent. Reibungslos verläuft aber auch im Internet nicht alles: „Wenn man noch nie online unterrichtet hat, ist das hart“, sagt Schwertel, der selbst viel Online-Praxiserfahrung mitbringt, zum Beispiel durch seine Cross-Media-Produktion Power-Toons.

Expertenteam schult 400 Dozenten

An der Rheinischen Fachhochschule, der größten privaten Hochschule in Köln mit Schwerpunkt auf Wirtschaft, Technik und Gesundheit, hat ein Expertenteam 400 Dozenten geschult, um das gesamte Lehrangebot online zu stellen. „Es gibt Leute bei uns, die sagen, das funktioniert besser als der Präsenzunterricht“, sagt Sprecherin Beate Czikowsky. Andere haben Probleme: Es gäbe Studenten, die sich nicht die entsprechenden Internetwerkzeuge herunterladen würden und „nicht jeder Dozent fühlt sich auf digitalen Plattformen wohl“. RFH-Sprecherin Czikowsky sagt, bestimmte Kurse könne man kaum ins Netz verlagern.

Ein ähnliches Feedback kommt auch von der Hochschule Fresenius, an der bundeweit nun 14.000 Studenten online lernen: Die mehr als 80 Studiengänge wurden auch in Köln mit Hilfe digital angeboten. Grenzen gab es nur, wo zum Beispiel Labore genutzt werden müssen. „Mancher Dozent hat jetzt gelernt, wie man einen Podcast macht“, sagt Sprecherin Melanie Hahn. Auch die öffentliche Technische Hochschule Köln, mit 28.000 Studenten, die größte Fachhochschule Deutschlands, hat das Semester nicht ausgesetzt, sondern geht in einen „geschützten Kernbetrieb“. Die Räume auf dem Campus Deutz und in der Südstadt sind geschlossen, aber 80 Prozent der Veranstaltungen werden durch digitale Angebote ersetzt, so Sprecherin Sybille Fuhrmann.

Was wird nach der Corona-Epidemie bleiben von der neuen Lust der Hochschulen auf das Internet? „Ich hoffe, man sieht, dass das Internet kein Luxus ist“, sagt CBS-Professor Schwertel. Die Regierung solle möglichst schnell die Voraussetzungen für ein leistungsstarkes Breitband schaffen. Die Präsenz-Hochschule könne das Internet freilich nicht ersetzen, sagt er. „Online ist aber eine super gute Ergänzung zu den herkömmlichen Angeboten.“ Das sieht auch Studentin Anna de Medeiros so. Sie hofft, dass die Corona-Krise bald vorüber sein wird. „Denn ich liebe es, meine Freunde auf dem Campus zu treffen“, sagt sie. 

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