In Köln fehlen BeratungsstellenMehr Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt gefordert

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Laut Studien wird jede vierte Frau in Deutschland mindestens ein Mal Opfer von Gewalt.

Laut Studien wird jede vierte Frau in Deutschland mindestens ein Mal Opfer von Gewalt.

Köln – Der gefährlichste Ort ist oft das eigene Heim. Hier werden die meisten Gewalttaten verübt, die Opfer sind ganz überwiegend Frauen. Die Diakonie Michaelshoven fordert nun mehr Beratungsstellen im Rahmen des Netzwerks häusliche Gewalt. Mit der derzeitigen Finanzierung der akuten Krisenintervention könnten betroffen Frauen an lediglich drei Terminen unterstützt werden.

Viel zu wenig, sagt Marina Walch von der Beratungsstelle „Der Wendepunkt“ der Diakonie. Etwa jede fünfte Frau, die Gewalterfahrungen gemacht hat, müsse ein Jahr und länger betreut werden. Walch plädiert daher für zwei zusätzliche Beraterinnen für die Frauen und die in den Familien mitbetroffenen Kindern.

Dunkelziffer womöglich hoch

1347 Fälle von häuslicher Gewalt waren 2018 von der Polizei an die Interventionsstellen von Diakonie (rechtsrheinisch) und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) im Linksrheinischen vermittelt worden. Überwiegend weist die Statistik Männer als Täter aus, Frauen kommen nur mit 3,1 Prozent vor, heißt es in einer Mitteilung für den Sozialausschuss. Die Anzahl der Fälle ist im Vergleich zum Vorjahr fast gleich geblieben (2017: 1335 Fälle). Dennoch dürfte es eine hohe Dunkelziffer geben, denn nicht jede Gewalttat wird angezeigt. „Wir gehen davon aus, dass die Zahlen viel höher sind“, sagt Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen.

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Laut mehrerer Studien ist jede vierte Frau in Deutschland von einer Gewalttat in ihrem Leben mindestens einmal betroffen. Oft verhinderten Scham, Angst vor dem Partner, die Sorge um die Kinder oder auch mangelnde finanzielle Möglichkeiten, dass sich Frauen von ihrem gewalttätigen Partner trennen. Neben körperlichen Verletzung leiden betroffene Frauen auch seelisch: Angstzustände, Schlafstörungen, Misstrauen, Depression, Scham- und Schuldgefühle und vieles mehr sind die Folgen der Gewalttaten.

Vom Partner haben sie oft über Wochen und Monate gehört, sie seien nichts wert. „Die Frauen haben das Gefühl, sie könnten über ihr Leben nicht mehr selbst bestimmen“, sagt Walch. „Sie fühlen sich so erniedrigt, dass in ihnen etwas kaputt gegangen ist. Ihr gesamter Lebensentwurf ist zerbrochen.“

Psychologische Hilfe helfe, ist aber in Köln schwer zu erhalten. Betroffene von Gewalttaten warten – wie viele andere Kölner auch – oft monatelang auf Termine bei Psychologen. „Viele Frauen sind traumatisiert“, sagt Walch und wünscht sich eine Psychologin innerhalb ihres Teams, um die betroffenen Frauen direkt zu beraten.

Möglichkeiten für Neustart fehlen

Während Diakonie und SkF die Zusammenarbeit mit der Polizei loben, fehlten den betroffenen Frauen oft die Möglichkeiten für einen Neustart. Wer sich vom Partner trennen will, muss über entsprechende finanzielle Möglichkeiten verfügen, um auf dem angespannten Markt eine Wohnung zu finden. Frauen, die keinen Job haben, oder keinen finden, weil sie nach einem Übergriff und der daraus folgenden Trennung etwa alleinerziehend sind, fallen schnell auf Hartz-IV-Niveau, wenn der Expartner sich weigert, Unterhalt zu zahlen. „Für viele ist es eine Hürde zum Jobcenter zu gehen.“

Auch die Beratung für Kinder stemmt die Diakonie derzeit nur mit Hilfe von Spenden der Aktion „wir helfen“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dabei seien bei 772 Beratungsfällen im Rechtsrheinischen 761 Kinder mitbetroffen gewesen. Kinder litten unter der Situation aber besonders, so Walch. „Die bekommen immer etwas mit.“ Denn Mütter, die geschlagen werden, seien oft mit sich selbst beschäftigt. Kinder und Jugendliche, die sich einmischen, geraten selbst in Konflikte. Zudem übernähmen Jungs oft das aggressive Verhalten der Väter, Mädchen die Passivität der Mütter.

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Sozialpolitiker Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken im Stadtrat, fordert daher die Präventionsarbeit auszubauen und schlägt eine zusätzlich Stelle für sexualpädagogische Workshops mit junge Männern an Schulen vor. „Wenn Jungs gewaltfreie Wege lernen, um Konflikte zu lösen, werden sie als Männer nicht zuschlagen.“ Zudem müsse man mit den Tätern arbeiten. „Die Arbeit mit den Tätern ist ein gutes Mittel, um männliche Gewalt zu reduzieren, denn die Zahl der Wiederholungstäter nimmt kontinuierlich ab und hat sich gegenüber 2014 halbiert.“

Die Arbeiterwohlfahrt ist mit dem Angebot für Täter „Mann Sein ohne Gewalt“ Kooperationspartner im „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“. Das Projekt wird als kommunal flankierte Maßnahme über das Jobcenter finanziert. Hier wurden 2018 insgesamt 151 Fälle registriert. 122 Fälle wurden neu gemeldet. Von diesen sind 97 Männer tatsächlich erschienen. Mit 29 weiteren Klienten wurde die Arbeit aus dem Vorjahr auch 2018 weitergeführt.

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