Abo

Kölner AstronautentrainerinWelche Strategien Weltraumfahrer gegen Einsamkeit haben

Lesezeit 4 Minuten
MDS-KSTA-2018-12-13-71-141535481

Ein Astronaut allein im All. Er untersucht ein Raumschiff, das an der Station ISS angedockt hat.

  • Viele Menschen müssen derzeit zu Hause bleiben. Nicht wenige haben dabei Angst vor Einsamkeit und Langeweile.
  • Beate Fischer arbeitet in der medizinischen Astronautenbetreuung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Porz.
  • Im Interview spricht die 61-Jährige über den Umgang mit der Isolation, Methoden von Astronauten gegen die Einsamkeit und die Wichtigkeit eines geregelten Tagesablaufes.

Ausgangssperre, Quarantäne: Viele Menschen haben Angst vor der Einsamkeit und der Langeweile. Astronauten sind monatelang von der Außenwelt abgeschnitten. Wie halten sie die Isolation aus?

Ganz wichtig ist ein geregelter Tagesablauf. Es gibt auf der Internationalen Raumstation einen ganz engen Zeitplan, der im Fünf-Minuten-Takt läuft. Aber ebenso wichtig ist auch, dass der Kontakt zur Familie, Freunden und Beratern auf der Erde gehalten wird.

Wie oft funktioniert das?

Das geht über gesicherte private Audio/Video-Konferenzen und zusätzlich über die Internettelefonie. Der Sonntag ist für die Astronauten von der Arbeit freigeschaufelt. Da können die Astronauten mit ihren Familien und Freunden sprechen. Die Zeitfenster sind sehr flexibel, das kann auch schon mal eine oder zwei Stunden dauern. Das wird dann gestaffelt, damit alle drankommen – die Familien leben ja auch oft in verschiedenen Zeitzonen. Auch während der Woche ist die Internettelefonie möglich, auch E-Mails können verschickt werden. Früher in Zeiten der russischen MIR-Station war das technisch nicht möglich, da war der Kontakt mit dem Boden zeitlich sehr eingeschränkt. Da müssen die Astronauten ganz schön gelitten haben, uns liegen hierzu jedoch keine wissenschaftlichen Daten vor.

Wo finden die Astronauten Hilfe, wenn es ihnen nicht gut geht?

Es gibt regulär alle zwei Wochen eine Videokonferenz mit dem persönlichen Psychologen, den jeder Astronaut an die Seite gestellt bekommen hat. Einmal in der Woche sprechen sie mit ihrem persönlichen Arzt. Diese Gespräche werden über technische Mittel privat gehalten, die anderen Astronauten und auch das Bodenteam hören da nicht zu. Und bei Bedarf könnten diese Gespräche auch häufiger stattfinden. Dabei geht es natürlich auch um Themen wie das Gefühl des Eingeschlossenseins oder das Zusammensein mit immer denselben Menschen. Das ist sicher ähnlich wie bei Menschen in der Quarantäne, im Gegensatz zu uns am Boden kann man auf der ISS ja noch nicht einmal ein Fenster aufmachen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was ist sonst noch wichtig, um nicht durchzudrehen?

Was sehr hilft, ist ein geregelter Tages- und Wochenablauf. Es gibt Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Dabei sitzen – oder schweben – die Astronauten zusammen. Täglich sind zweieinhalb Stunden Sport vorgeschrieben. Das ist in der Schwerelosigkeit vor allem aus medizinischen Gründen notwendig. So viel Sport müssen Menschen in Quarantäne natürlich nicht machen. Und nicht jeder hat Geräte oder ein Laufband zuhause. Aber im Internet gibt es inzwischen ganz viele Anleitungen, wie man ohne Hilfsmittel zuhause Sport machen kann. Abends und am Wochenende ist private Zeit, die zum Beispiel für gemeinsame Aktionen genutzt werden kann, wie ein Video anschauen oder einen vom Boden gestreamten Fernsehsender zu sehen. An Wochenenden wird in der Regel nur in ganz geringem Umfang gearbeitet, wobei am Samstag noch drei Stunden Hausputz vorgesehen sind – da ist genau eingeteilt, wer das Bad oder den Arbeitsplatz sauber macht.

Und wenn man mal einen Lagerkoller bekommt?

Hobbys zu haben ist wichtig. Mehrere Astronauten haben Instrumente mit an Bord mitgenommen. Es gibt zum Beispiel eine Gitarre auf der ISS. Sich mal zurückziehen und Musik machen, hilft manchen Astronauten enorm. Ihnen stehen immerhin 900 Kubikmeter Platz zur Verfügung. Da kann man sich mal von den anderen fernhalten. Es wird erzählt, dass sogar mal ein Astronaut von seinen Teammitgliedern gesucht wurde. Er hatte den Tag über separat gearbeitet und sich danach zum Gitarrespielen in einen abgelegenen Teil der Station zurückgezogen. Andere Astronauten drehen in ihrer Freizeit kleine Videos, die Phänomene der Schwerelosigkeit populärwissenschaftlich oder für Kinder erklären. Die ersten Astronauten beginnen nun auf Facebook, Tipps für die Corona-Zeit zu geben. Matthias Maurer nimmt das Ganze mit Humor. Er plant die Corona-Zeit wie einen Weltraumflug – mit nur zwei Rollen Klopapier, weil in eine Versorgungskapsel, die alle paar Monate kommt, nicht mehr reinpasse. Er will auch nur einmal pro Woche einkaufen gehen. Man solle nicht in Panik verfallen, nur weil der Kühlschrank mal nicht so voll ist.

KStA abonnieren