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Ingenieur Wilhelm RieckWie ein Kölner in Kabul einen Palast baute

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Darulaman

Ende Mai 2019: Der Wiederaufbau des Palastes ist fast abgeschlossen.

Köln/Kabul – Der „Darul Aman“, der Königspalast vor den Toren der afghanischen Hauptstadt Kabul, wurde 1929 erbaut und in den 1990er Jahren von den Mudschaheddin zerstört. Nun wurde er wieder aufgebaut. Ein Umstand, der auch dem Kölner Werner Müller viel bedeutet: Sein Urgroßvater Wilhelm Rieck hat vor bald hundert Jahren am Bau des Palastes mitgearbeitet.

„Als mein Urgroßvater 1922 nach Afghanistan reiste, befand sich das Land im Aufbruch“, berichtet Müller. Schon 1919 war es König Amanullah gelungen, das Land am Hindukusch den Briten abzuringen – nach einer 60 Jahre währenden Besetzung. Er beschloss die Neuordnung des Steuerrechts, ein Antischmuggelgesetz, Maßnahmen gegen die Korruption.

Auch das gesellschaftliche Leben erfuhr unter Amanullah einen Wandel. Er führte die Schulpflicht für Mädchen und Jungen ein und begann mit der Modernisierung seines Landes – mit Hilfe von in Deutschland und Frankreich angeworbenen Spezialisten.

Neben Straßen und Staudämmen für die Strom- und Wasserversorgung ließ er vor den Toren Kabuls, elf Kilometer von der Metropole entfernt, den neuen Stadtteil Darul-Aman bauen – und den gleichnamigen Palast als neuen Sitz von Regierung und Parlament.

Aufgewachsen in Köln-Mülheim

Der Berliner Architekt Walter Horten wurde zum „Bauingenieur der königlich-afghanischen Regierung“ ernannt. Mit 22 Ingenieuren begann er mit dem Bau des Herrscherpalastes als Symbol des Fortschritts – und dazu noch 70 Gebäuden im europäischen Stil. Einer der 22 Männer, die Kabul modernisierten, war der Kölner Wilhelm Rieck. 

„Mein Urgroßvater wurde im Januar 1881 geboren. Seine Eltern waren der Oberpostsekretär Otto Rieck und seine Frau Christine. Aufgewachsen ist er in der Seidenstraße 21 in Mülheim,“ berichtet Müller.

Um 1920 arbeitete Rieck als Ingenieur bei der Berliner Firma Siemens-Schuckert-Werke AG und las dort am „Schwarzen Brett“ einen Aufruf von König Amanullah aus Afghanistan. Der suchte Spezialisten für die Modernisierung seines Landes.

Darüber, warum sich sein Urgroßvater entschied, in diesem weit entfernten, fremden Land zu arbeiten, ist seinem Urenkel Werner Müller nichts bekannt. War es die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland? Die rasende Inflation oder purer Abenteuergeist? „Vielleicht von allem etwas“, glaubt Müller.

Beim Bau des Palastes bildeten die Ingenieure auch etwa 700 einheimische Fachkräfte aus, die im Zuge des einsetzenden Baubooms wichtige Gebäude wie das Schloss Tape Taj-Beg, die Horten-Brücke, das Kabul-Museum, das Postgebäude, die Moschee Schado-Schamscherah und zahlreiche Straßenbauprojekte realisieren sollten.

Türme mit Kupfer verkleidet

Amanullahs Tage als Reformer-König waren trotz oder gerade wegen der vielen Neuerungen gezählt: Als er 1929 den Schleierzwang für die Frauen in Afghanistan abschaffen wollte, wurde er gestürzt. Große Teile der Landbevölkerung, aber auch viele Stammesfürsten verweigerten sich vehement seinen liberalen Reformen.

Amanullah aber blieb immer ein Volksheld, schließlich war er es, der sein Land von den Briten befreit hatte. Zur Feier des 100. Jahrestags der Unabhängigkeit vor einigen Tagen, am 19. August, waren die Renovierungsarbeiten am Palast bereits weit fortgeschritten.

In der Familie von Wilhelm Rieck wird bis heute die Geschichte erzählt, dass König Amanullah die Dächer des Darul Aman und auch die des Taj-Begh-Palastes gerne in Patinagrün gesehen hätte. Doch Rieck erklärte ihm, dass dies ein natürlicher Verwitterungseffekt des Kupfers sei, der sich in der trockenen Luft Afghanistans nicht so schnell einstelle.

Als dann im Jahr 2016 die Renovierung des Palastes beschlossen wurde, informierte Werner Müller den afghanischen Botschafter in Berlin über Amanullahs damaligen Wunsch. Daraufhin wurden vier Palast-Türme und die Kuppel mit Kupfer verkleidet.

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