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Gegen Vatikan-VerbotKölner Geistliche erteilen Segen für Schwule und Lesben

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In Lindenthal wehten am Sonntag Regenbogenflaggen. Vor der Kirche Christi Auferstehung wurde ein Segnungsgottesdienst für Schwule und Lesben gefeiert.

Köln-Lindenthal – „Ich bin katholisch erzogen“, sagte Thomas Löcker, 56 Jahre alt. „Mit manchem in der Kirche habe ich Probleme, aber ich stehe zu meinem Glauben. Der Segen Gottes für die Partnerschaft ist mir wichtig.“ Neben ihm saß Andreas Grütz, den er im vorigen Oktober standesamtlich geheiratet hat. „Ich bin bin vor circa 40 Jahren ausgetreten“, sagte der 59-Jährige, „aber eine emotionale Restbindung ist geblieben.“ Beide Männer gehörten zu den weit über 100 Menschen, die am Sonntagabend an dem besonderen Gottesdienst teilnahmen, der vor der Kirche Christi Auferstehung in Lindenthal gefeiert wurde.

Zelebriert wurde die Freiluft-Messe von Pfarrvikar Ulrich Hinzen, der dem Seelsorgeteam der Kirchengemeinde St. Pankratius angehört. Die Feier vor dem Gotteshaus, vor dem als Symbole der Lesben- und Schwulenbewegung zwei große Regenbogenfahnen wehten, war Teil der bundesweiten Initiative #liebegewinnt, mit der sich viele Gemeinden gegen das kürzlich von der römischen Glaubenskongregation bekräftigte Verbot der katholischen Kirche stellen, homosexuelle Paare zu segnen.

Um den 10. Mai finden rund 100 Segnungsfeiern statt, bei denen niemand ausgeschlossen wird.In seiner Predigt, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, sagte Hinzen, die Sprache der katholischen Kirche über Liebe und Sexualität werde sich ändern müssen, weg von der „Leibfeindlichkeit“ , weg von der „Fixierung auf Sexualität als finsteres Tal des Sündhaften“. Es sei ein Fehler, wenn die Kirche so tue, als stammten „alle Gebote und Verbote aus göttlicher Feder“; sie müsse lernen, dass die Sexualmoral „ zeitbedingten Veränderungen" unterworfen sei. Sich gegen die tiefe Verbundenheit zweier Menschen zu stellen verstoße gegen das Liebesgebot. Nicht nur Homosexualität sprach Hinzen in aller Offenheit an, sondern auch Sex vor und außerhalb der Ehe sowie Selbstbefriedigung. „Unnatürlich und unmenschlich“ sei die Forderung, sexuell abstinent zu leben. Die „Sprache unserer Kirche“, davon sei er überzeugt, werde eine „zärtliche und barmherzige Sprache sein“, keine, „die befiehlt und bestraft“, sondern eine, „die fördert und ermutigt“. Für seine Worte erntete Hinzen anhaltenden Beifall.

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Zum Schluss sprach er den Segen, „den Sie alle ein Recht haben zu empfangen“. Diesen Segen spende nicht er, sondern „Gott selbst, den wir darum bitten“.

Unmut „in der Mitte der Gemeinde“

In einem Grußwort dankte Karin Hörstmann, die sich in der Gemeindearbeit engagiert und mit ihrer Frau Britta an der Messe teilnahm, für die „wunderbare Aktion“, die von der Reformbewegung Maria 2.0 unterstützt wurde. Sie sei „beeindruckt von Ihrem Mut, auch Unbequemes in Kauf zu nehmen“. Christoph Bouillon, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats von St. Pankratius, sagte, das Verbot aus Rom habe ihn fassungslos gemacht. Der Unmut darüber sei „in der Mitte der Gemeinde angekommen“. Auch wegen anderer Missstände in der Kirche – vom sexuellen Missbrauch bis zur Benachteiligung von Frauen – würden „altgediente Gemeindemitglieder von Austritt sprechen, und sie tun es auch“. Neulich sei eine 82-jährige Frau zusammen mit 15 Familienangehörigen ausgetreten.

Bouillon dankte Wolfgang Fey, Pfarrer von St. Pankratius, für die Courage, „die Aktion voll und ganz zu unterstützen.“ Gemessen daran, dass Köln als Hochburg schwul-lesbischen Lebens gilt, nimmt sich hier die Beteiligung an #liebegwinnt bescheiden aus – auch wenn in Reaktion auf das schroffe „Nein“ der Glaubenkongregation an einigen Kirchen der Stadt Regenbogenflaggen gehisst wurden.

Neben Christi Auferstehung beteiligt sich St. Michael im Belgischen Viertel an der Aktion, jedoch nicht mit einem Gottesdienst. „Stattdessen machen wir die Türen weit auf, stehen für Gespräche zur Verfügung, wollen unsere offene und wertschätzende Haltung deutlich machen“, heißt es auf der Webseite von #liebegewinnt. „Wir wollen Menschen kennenlernen, und wenn dann der Wunsch nach Segen und Gebet da ist, kommen wir dem gerne individuell nach.“ Das geschieht am Montag, 10. Mai, von 15 bis 19 Uhr.

Kardinal Rainer Woelki begrüßt das Segungsverbot, weil es das katholische Ehe- und Familienverständnis stärke. Diametral entgegengesetzt ist die Position der Kölner Band Brings. Mit einem „Rainbow Edition“-Video ihres Hits „Liebe gewinnt“ unterstützt sie die Initiative. Am Montag spielt sie in Hamm beim Segnungsgottesdienst, der um 19 Uhr in der Kirche St. Agnes beginnt; er wird auf dem Youtube-Kanal und der Facebook-Seite von #liebegewinnt übertragen.

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