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„Dogs of Berlin“-StarKais Setti ist ein Junge vom Kölner Eigelstein

Lesezeit 5 Minuten
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In der Unterführung am Eigelstein herrscht immer eine leicht gruselige Atmosphäre. Doch auch die kann Settis guter Laune nichts anhaben.

  • „Das ist meine Hood“, sagt der 33-Jährige über das Triangel zwischen Schreckenskammer und Ursulakirche.
  • „Damals in den 90ern gab es ja auch noch mehr Rotlicht-Gestalten in der Gegend“, erinnert sich Setti.
  • Mit seiner Gang war er früher oft an der Gaffel-Brauerei. „Da dampfte es dann immer aus den Gullys und wir haben uns darüber gestellt und geschnüffelt, so als ob wir davon high würden.“

Köln – Kais Setti kommt mit dem Rad. Treffpunkt ist in der Ursulagartenstraße. Hier im Triangel zwischen Schreckenskammer und Ursulakirche hat Setti die ersten 18 Jahre seines Lebens verbracht. Seine Eltern wohnen noch immer hier.

„Das ist meine Hood“, sagt der 33-Jährige, der gerade in der im Dezember gestarteten Netflix-Serie Dogs of Berlin zu sehen ist. Als Kareem Tarek Amir, der kleine Bruder des arabischen Clan-Chefs und Hauptbösewichts der düster-glamourösen Serie, die wie die Erfolgsserie Babylon Berlin neue Standards in Sachen serieller Erzählung aus deutscher Produktion setzt.

Mein Vater besteht darauf, dass er aus seiner Heimat geholt wurde

Settis Eltern stammen aus Tunesien. „Mein Vater besteht darauf, dass er aus seiner Heimat geholt wurde und nicht arbeitssuchend nach Köln kam“, erzählt Setti laut und deutlich – und mit breitem Grinsen. Settis Vater Mohammed hatte in einem Hotel in der tunesischen Stadt Hamamet gearbeitet, als ihn ein Kölner Hotelier, der dort Urlaub machte, ansprach und nach Köln „weglobte“.

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Anfang der 70er Jahre kam er nach Köln, machte eine Ausbildung zum Oberkellner im Hotel Excelsior und arbeitete später im Weinhaus Lenz, direkt um die Ecke, das jetzt das Hotel Cristall ist. „Mein Vater konnte immer zu Fuß zur Arbeit gehen, sagt der Sohn, dessen südländisches Aussehen – dunkle Hautfarbe, Bart und Base-Cap – exakt dem Klischee des Macho-Arabers entspricht.

„Der Kareem in Dogs of Berlin ist meine erste GDH“

Ein Look, der seiner Karriere gerade zu ihrem vorläufigen Höhepunkt verholfen hat. „Das ist kommerziell natürlich das Beste, was mir passieren konnte – der Kareem in Dogs of Berlin ist meine erste GDH“, strahlt Setti. GDH steht in Settis Branchen-Sprech für Größte Durchgehende Hauptrolle, der Traum jedes Schauspielers, weil die GDH sicheres Einkommen verspricht.

Dass seine Serien-Figur exakt dem Klischee des kriminellen Arabers entspricht, sieht Setti pragmatisch. „So komme ich halt erstmal rein ins Game, das ist wichtig, denn dann kann ich vielleicht später von innen heraus etwas verändern und auch andere Rollen spielen“. Was ihm auch schon glückte.

Besonders stolz ist er auf die Zusammenarbeit mit Matthias Brandt im Polizeiruf 110. „Das war für mich persönlich eigentlich bisher der Höhepunkt meiner Arbeit. Es ist toll, mit einem so beeindruckenden Kollegen zu arbeiten.“

Settis TV-Karriere begann als Jugendlicher. Die Dokumentarfilmerin Bettina Braun suchte Anfang der Nuller Jahre eine Clique von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, deren Lebenswelt sie in einer Langzeit-Dokumentation abbilden wollte. Drei Filme sind daraus entstanden, für die sie 2013 den Grimme-Preis erhielt. Kais Setti, der damals im Jugendzentrum Klingelpütz abhing und mit seinen Kumpels rappte, war einer von ihnen. Ali und Alban komplettierten das Trio.

„Jeder, der Sozialarbeit studiert, muss diese Filme anschauen“, sagt Setti. „Sie sind eine Art Standard-Werk des Genres geworden.“ Zehn Jahre begleitete Braun die drei Nachwuchs-Machos aus muslimischen Elternhäusern und zeigte ihren Werdegang von am Rande der Kriminalität balancierenden Jugendlichen hin zu jungen Erwachsenen, die versuchen ihren Weg zu finden.

Für Kais Setti, der schon als Schüler der Hauptschule am Gereonswall in der Theater AG war, war das Ziel immer klar. „Ich wollte auf die Bühne, das mit dem Rappen gehörte damals zum Lebensgefühl, aber ich wollte immer Schauspieler sein.“ Seine Familie, zu der noch eine jüngere Schwester und ein älterer Bruder gehören, haben ihn dabei immer unterstützt.

Fachabi in Köln-Deutz

„Mein Vater wollte nur wissen, ob man das lernen kann. Ihm war wichtig, dass ich eine richtige Ausbildung mache“. Also ging Setti nach dem Fachabi in Deutz zum Schauspielstudium nach Aachen und Ludwigsburg. Ein Zwischenspiel in Berlin endete nach wenigen Wochen. „Ich war erst 18 und hatte Heimweh.“

Heimweh nach dem Eigelstein. Von der Ursulakirche aus machen wir uns auf den Weg, den er auch immer als Kind ging, erst zum Spielplatz an der Kirche, wo er zum ersten Mal ein Mädchen küsste weiter zum Kindergarten, und Richtung Eigelstein. „Diese Unterführung hier in der Eintrachtstraße musste ich aber immer umgehen, das war meinen Eltern zu düster. Und damals in den 90ern gab es ja auch noch mehr Rotlicht-Gestalten in der Gegend“, erinnert sich Setti.

Rotlicht-Gestalten, wie er nun selber eine spielt, doch sein Traum ist noch nicht erfüllt: „Ich liebe die amerikanischen Gerichtsfilme, am liebsten möchte ich mal einen Anwalt spielen“, erzählt er, als wir an der Pizzeria O Sole Mio ankommen.

An der Eintrachtstraße /Ecke Eigelstein gehört sie zum Inventar des Veedels und ist bis heute ein Favorit der Familie Setti. „Hier haben wir immer Pizza bestellt, wenn meine Eltern mal verreist waren, oder meine Mutter nicht kochen wollte“.

Vor der Gaffel-Brauerei über dem Gulli

Gleich um die Ecke am Eigelstein laufen wir an der Baulücke vorbei, wo einst die Gaffel-Brauerei stand. „Mit meiner Gang war ich hier oft früher, wenn sie den Hopfen nach dem Brauen in die Kanalisation geschüttet haben, da dampfte es dann immer aus den Gullys und wir haben uns darüber gestellt und geschnüffelt, so als ob wir davon high würden. Später habe ich hier immer gerne Schnitzel gegessen, das war mir sogar lieber als die Kebap-Läden an der Weidengasse“, erinnert sich Setti, der heute mit seiner Frau in Ehrenfeld wohnt.

Zum Arbeiten ist Kais Setti häufig in Berlin. Dort hinzuziehen kommt für den Kölner Jungen nicht in Frage. Er liebt seine Stadt. „Im Urlaub in Thailand habe ich mal einen Russen kennengelernt, der deutsche Literatur studiert hatte und in Shanghai am Goethe-Institut Deutsch unterrichtet. Der war zuletzt im Urlaub in Düsseldorf, sah mich zufällig in den „Dogs“ und rief mich an. Ich sagte nur: Du bist in der falschen Stadt, Mann!“

Setti grinst sein Grinsen und schwingt sich aufs Rad. Da fällt ihm noch was ein: „Der Fahrrad-Schrauber hier um die Ecke ist auch spitze. Ein echter Typ.“ Das könnte man auch von Kais Setti behaupten, der winkend von dannen radelt – ein Eigelsteiner Jung mit Wurzeln woanders.

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