„Mit dem Herz dabei“Warum ein Berliner in Köln Jodelseminare anbietet

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Sigurd Bemme gibt Jodelseminar in der Kartäuserkirche.

Köln-Innenstadt – „Auch wenn ihr leise jodelt, müsst ihr den Ruf immer in die Ferne richten. Wenn ihr den ersten Ton gesendet habt, schickt den nächsten gleich hinterher. Nehmt nicht die Luft weg, ihr habt genug Luft“, instruiert Sigurd Bemme seine Schüler.

Kölner Innenstadt: Jodelseminare in der Kartäuserkirche

Ende Oktober gab der Sänger und Jodellehrer aus Berlin ein zweitägiges Jodelseminar in einem Nebenraum der Kartäuserkirche. Acht Frauen und ein Mann hatten sich eingefunden, sich in der text- und wortlosen Singweise zu üben.

Am zweiten Seminartag steht der ein mehrstimmiger Jodelruf aus der Schweiz auf dem Programm. Aufmerksam hören die Teilnehmer zu, als Bemme ihnen vorjodelt, setzen erneut an und die Töne schwingen durch den Raum. Bemme hört genau hin, korrigiert und gibt Hilfestellungen. „Ihr müsst nicht fein singen. Ihr jodelt – das heißt, ihr gebt auch tierische Laute von euch. An dieser Stelle dürft und sollt ihr grunzen“, erklärt er.

Jodel-Coach in Köln: Geboren in Berlin, gelernt in den Alpen

Der 64-Jährige jodelt selbst sei 22 Jahren, gelernt hat er es in den Alpen. „Das mehrstimmige Naturjodeln hat nichts mit dem Musikantenstadl-Image oder dem berühmten Loriot-Sketch zu tun. Es ist ungeheuer befreiend. Dadurch, dass es keinen Text gibt, nur Silben, ist der Kopf viel freier. Es berührt auch sehr, denn man ist mit dem Herzen dabei“, beschreibt er. Seminarteilnehmerin Kerstin Engel aus Köln bestätigt das.

„Es ist so ursprünglich. Es gibt ungeheuer viel Energie und Lebensfreude“, sagt die 58-Jährige. Sie kam vor zehn Jahren durch Zufall zum Jodeln und hat es seitdem nicht mehr aufgegeben. „Die Zartheit der Töne und gleichzeitig ihre Kraft, das berührt. Es werden Emotionen frei, als würden Mauern einbrechen. Ich bin immer ganz beglückt nach einem Jodelwochenende, “ erzählt sie.

Jodeln kennt man vor allem aus den Bergen, wo es als Verständigungsmittel über große Distanzen eingesetzt wurde und wird. Dort diene es zudem auch zur Erbauung von Seele und Geist, so Jodeltrainer Bemme. Aber gejodelt wird nicht nur in den Alpen, sondern überall auf der Welt, wie unter anderem in Afrika, Hawaii und Georgien“, informiert er.

Teilnehmer des Seminars zeigen sich begeistert

Auch bei den Seminarteilnehmer klingt es schon beeindruckend, wenn sie ihre Töne durch den hohen Raum schicken und sich ihre Stimmen harmonisch verbinden. Beim Jodeln wechselt man rasch zwischen Kopf- und Bruststimme. Klingt gar nicht so leicht, aber Bemme versichert: „Jeder kann jodeln. Es beinhaltet viele Geräusche, die wir von Natur aus können wie grunzen, brummen, schluchzen.“

Man müsse sich nur trauen. Das sei wahrscheinlich das Schwierigste dabei, meint er. In der Natur sei Jodeln noch einmal befreiender als in einem Raum. „Es geht aber nicht überall. Am Meer zum Beispiel funktioniert es nicht. Einmal ist da der Wind und man braucht schon einen gewissen Widerhall und Erhebungen.“

Coach jodelt auch gerne beim Wandern um Köln

Auch Engel jodelt gerne beim Wandern in der Kölner Umgebung. „Ein super Gefühl. Oft bleiben Leute stehen, hören zu und sagen, dass sie es toll finden“, erzählt sie. Bemme ist seit vielen Jahren mit seinen Seminaren in Deutschland und Österreich unterwegs. Die Kosten für zwölf Unterrichtsstunden liegen bei etwa 150 Euro pro Teilnehmer.

Obwohl Jodeln seit jeher eine Männerdomäne ist, kommen zu den Veranstaltungen stets mehr Frauen. „Ich weiß nicht, woran es liegt“, meint Bemme und zuckt die Schultern. Vielleicht am Loslassen, Grunzen, Brummen und Schluchzen? „Vielleicht“, so Bemme.

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