„Passagen“ in KölnEin kunstvoller Rundgang durch das Belgische Viertel

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Von Martin Trittin stammt die Idee einer Maschine, die den Menschen imitiert. Zu sehen in St. Michael

Von Martin Trittin stammt die Idee einer Maschine, die den Menschen imitiert. Zu sehen in St. Michael

Köln – Mit mehr als 25 Veranstaltungsorten – Geschäften, Galerien und einem Gotteshaus – ist das Belgische Viertel traditionell eine attraktive Passagenmeile.

St. Michael

In der Kirche St. Michael fliegen einem – wenn man Glück hat – die Herzen zu. Das liegt an einem Roboter, den Martin Trittin aus Stahl, Kabeln und Elektroteilen gebaut hat. Der 33-Jährige gehört zu einer Gruppe von Studenten der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, die bereits zum dritten Mal während der Passagen Arbeiten zeigen und begeistert sind, wie frei sie in dem Gotteshaus agieren können.

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Der mit ausgestrecktem Arm etwa drei Meter messende Roboter PT, (PT steht für Perspektiv-Transformator) ist im Grunde eine Maschine, die den Menschen imitiert und dabei den Zwiespalt zwischen äußerem Einfluss und Eigendarstellung verkörpert. „Im Zeitalter von Social Media machten sich die Leute „zu viele Gedanken darüber, was andere über sie denken“, sagt Trittin. Wenn man dem Roboter entgegentritt, kann man sich selbst auf einem Monitor sehen. Und wenn PT gefällt, was er sieht, erscheint auf dem Bildschirm zusätzlich ein großes rotes Herz.

Alles zum Thema Brüsseler Platz

Insgesamt sind in der Kirche am Brüsseler Platz sechs Stationen zu sehen, die thematisch ineinandergreifen. Besonders hübsch ist das Kiosk-Projekt, das sowohl als Projektion an der Decke zu sehen ist als auch in Form einer Installation. Der Gedanke hinter dem Projekt: „Früher war die Kirche ein Ort der Begegnung. Inzwischen ist diese Funktion zunehmend von Kiosken abgelöst worden“.

Antwerpener Straße

41zero42 ist sowohl eine Postleitzahl als auch der Name eines jungen italienischen Unternehmens, das in der Gegend von Maranello ansässig ist. Aus der Stadt, die vor allem durch den Sitz des Ferrari-Werkes bekannt ist, kommen Keramik-Kreationen von besonderer Schönheit. Das Material, das auch bei näherem Hinschauen wie eine edle Tapete wirkt, sind Fliesen – Feinsteinzeug mit einem Tattoo auf der Oberfläche.

Frederic Ades, einer der drei Firmenbesitzer, gibt im Rahmen der Passagen bei Oberender (Antwerpener Straße 1) einen Einblick in diese Materialwelt, die sich aufgrund ihrer abwaschbaren Beschaffenheit auch als Wandfläche in Bädern oder Küchen eignet.

Form-Werk

In der Goldschmiede Form-Werk von Andreas Köther hat sich nach dreimaliger Passagen-Abstinenz wieder ein Gast eingemietet, der auf ungewöhnliche Weise ein Kindheitsbedürfnis wachruft. Wer erinnert sich nicht daran, wie er als kleiner Mensch auf der schwingenden Matratze seines Bettes gefedert ist, als handele es sich im ein Trampolin.

Unter dem Begriff „The Minimalists“ hat die deutsche Künstlerin Patrizia Ricci eine Möbelkollektion entworfen, die Purismus und Bequemlichkeit perfekt zusammenbringt. „Es geht um den Kern der Dinge“, unterstreicht Ricci, die ihre Sessel, Liegen, Sofas oder Tische ausschließlich aus Sprungfedern fertigt, also dem Material, das sich in der Regel in einem Polstermöbel befindet. Über der Metallkonstruktion liegt lediglich eine gepolsterte Filzmatte. Nimmt man zu zweit auf dem Sofa Platz, ist garantiert, dass man die Schwingungen des anderen spüren kann.

Hallmackenreuther

Mit einer Ausstellung aus Vintage-Kelims, Möbeln und portugiesischer Keramik wurde das Obergeschoss des gerade wiedereröffneten Lokals „Hallmackenreuther“ am Brüsseler Platz in einem wohnlichen Raum verwandelt. Das Berliner Unternehmen „Wild Heart Free Soul“ hat sich spezialisiert auf diese flach gewebten Teppiche aus den 60er bis 70er Jahren. Inhaberin Beyza Özler fährt mehrmals im Jahr kreuz und quer durch Anatolien und wählt die schönsten Stücke aus, die anschließend gereinigt und danach bis zu drei Monaten auf Häuserdächern in Istanbul getrocknet und von Sonne beschienen werden.

In Kombination mit den klaren, transparent wirkenden Möbeln, Leuchten, die die Kölnerin Charlotte Mieß vertreibt, vereinen sich hier internationale Produkte zu einem stimmigen Konglomerat; Kulturen werden gemischt und bilden nicht zuletzt dank der dekorativen Mooskugeln ein stimmiges Ensemble.

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