Angst vor „Party-Lärm“Aufgestellte Bänke im Kölner Pantaleonsviertel sorgen für Unmut

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Reinhard Kemper und Matthias Oberländer von der Initiative „Miteinander im Pantaleonsviertel“ auf den umstrittenen Bänken.

Köln-Innenstadt – Nach zwei teils turbulenten Stunden standen die Zeichen auf Kompromiss. Doch ob und wie der umgesetzt wird, blieb offen. Es soll Gespräche geben. In Rede steht das sogenannte Martinsplätzchen an der Ecke Pantaleonswall/Waisenhausgasse 100 Meter Luftlinie entfernt von der frühromanischen Kirche, der das Pantaleonsviertel seinen Namen verdankt.

Eben dieses Plätzchen sorgte jetzt für Turbulenzen bei einer Versammlung von Nachbarn, zu der Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke in die Aula des Berufskollegs am Perlengraben eingeladen hatte. Konkret ging es um mehrere Sitzbänke, die Mitglieder der Initiative „Miteinander im Pantaleonsviertel“ (mip) dort aufgestellt haben. Und während die einen die „Aufwertung“ des Plätzchens bedingungslos unterstützen, lehnen die anderen die Bänke rigoros ab wegen der nächtlichen Lärmbelästigungen durch die Nutzer.

Bezirksbürgermeister: Diskussion sind normal

Ulrich Höver, Leiter des Bürgeramtes Innenstadt, fasste den Stand der Dinge zusammen: „Bei den genehmigten Bänken und Tischen, die die Initiative aufgestellt hat, handelt es sich um eine Sondernutzung im öffentlichen Raum. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat die Verwaltung einstimmig gebeten, die Voraussetzungen zu schaffen für ein Weiterbestehen dieses Ortes. Nun prüft die Verwaltung im pflichtgemäßen Ermessen nach Recht und Gesetz, ob die Voraussetzungen für eine erneute Genehmigung vorliegen. Unser Ziel heute Abend ist, zu einem Ausgleich zu kommen.“

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Bezirksbürgermeister Andreas Hupke bei der Diskussion in der Aula des Berufskollegs.

Der Bezirksbürgermeister verwies darauf, dass es im Pantaleonsveedel weder eine Kneipe noch irgendein Geschäft für den täglichen Bedarf gebe, in dem sich Nachbarn treffen könnten. Und an die Kritiker gewandt: „Es ist ja ganz normal, dass das Neue, das entsteht, nicht sofort von allen mit offenen Armen empfangen wird.“

Kölner Initiative wollte Freiräume schaffen

Matthias Oberländer, Vorsitzender der Initiative, warf einen Blick zurück. Angefangen hat alles 2019. Da hatten sich einige Menschen aus dem Veedel zusammengetan, um die leer stehende Kneipe „Zum Trutzenberg“ als Nachbarschaftstreff wiederzubeleben. Das zerschlug sich, weil die Eigentümer-Erbengemeinschaft eine Miete aufrief, die die junge Initiative komplett überforderte.

Immerhin gelang es 2020, gemeinsam mit der Agora zwei Parkplätze im Veedel mit Sitzbänken zu bespielen. Das geschah im Rahmen des Projekts „Mut zur Lücke“, bei dessen Umsetzung mehrere Parkplätze im Stadtgebiet in öffentliche Freiräume umgewandelt wurden. Die Bänke, die den Sommer über am Martinsfeld gestanden hatten, zogen 2021 um und stehen seitdem auf dem „Martinsplätzchen“.

Stadt bezuschusste die umstrittenen Bänke

Das findet man zwar in keinem Stadtplan, aber die mip-Leute haben die kleine Fläche vor dem Kiosk an der Ecke Waisenhausgasse/Pantaleonstraße einfach mal so genannt. Unter einer mächtigen Linde kann man dort unter roten Sonnenschirmen verweilen. Die Bänke zimmerten die Mitglieder unter Anleitung des Profis Winfried Heuser. Die Bezirksvertretung Innenstadt schoss 3500 Euro aus den bezirksorientierten Mitteln dazu.

Anwohnender Architekt gegen das Vorhaben

Dieter Erlen, Architekt aus der Nachbarschaft, sieht das ganze Vorhaben skeptisch. „Ich beschäftige mich schon lange mit den Verhaltensmustern von Menschen im öffentlichen Raum. Menschen benehmen sich sozial, wenn sie streng kontrolliert werden. Was anonym ist, wird missbraucht.“ Erlen verwies auf die Zustände am Brüsseler Platz: „Ich möchte nicht, dass so was in unser Viertel kommt.“

Ein Nachbar äußerte sich unmissverständlich: „Ich warte nur auf einen klagefähigen Beschluss, der die Bänke genehmigt. Dann klage ich.“ Einige Anwohner stimmten ihm zu, als er „den unerträglichen Party-Lärm“ anprangerte. Eine Mehrheit der Anwesenden sprach sich für die Bänke auf dem Plätzchen aus. „Wenn wir uns besser kennen lernen und uns entscheiden, dass wir uns das da nett machen, wird es auch keine Auswüchse geben“, brachte eine Frau in die Diskussion ein. Sie verwies auf das Mäuerchen, das das Martinsplätzchen einfriedet. Dort würden seit Jahrzehnten Menschen sitzen und Bier trinken.

Ordnungsamt: Bedenken der Anwohner ernst nehmen

Aus dem Auditorium kam die Frage an Dirk Schmaul vom Ordnungsamt, wie viele Beschwerden im vergangenen Jahr eingegangen seien wegen Ruhestörungen auf dem Martinsplätzchen. „Vier“, erklärte er und erntete Gelächter. „Die Zahl spielt keine Rolle“, fuhr er fort. Es reiche für ein Verbot der Bänke, wenn sich ein Nachbar in seinem Ruhebedürfnis gestört fühle. So sei die Rechtslage.

Und wie geht es weiter? Hupke, Vertreter des Ordnungsamtes und der Initiative wollen sich zeitnah treffen und nach Lösungen suchen. Vorgeschlagen wurde, dass jeden Abend ab 22 Uhr eine Plane über die Bänke zu ziehen und festzuzurren, um deren Nutzung als Sitzgelegenheiten zu verhindern. Morgens müsste die Plane entfernt werden. Nachgedacht werden soll auch, ob man die Bänke nachts kippt und fixiert. Allein: Es müsste sich nur jemand darum kümmern. Und: Das Mäuerchen bleibt in jedem Fall.

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