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Auch über Nacht für den KlimaschutzFridays For Future beginnt Dauerstreik in Köln

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Schülerinnen und Schüler demonstrieren in Köln für den Klimaschutz. (Archivbild)

Köln – Es wirkt wie ein großes Sit-In auf dem Bahnhofsvorplatz: Dicht gedrängt sitzen die Jugendlichen im Kreis, während Pauline Brügger und Lilli Braun über Megafon die organisatorischen Details für die erste mehrtägige Schülerdemo von Fridays for Future durchgeben. In Köln wollen die Schüler ein Zeichen setzen und bis Freitag fünf Tage lang für das Klima auf der Straße bleiben – Tag und Nacht. „Wenn Freitage nicht reichen, streiken wir die ganze Woche“, lautet das Motto.

Im Grunde sei das der Versuch, noch mehr öffentlichen Druck aufzubauen, erläutert Leonie Bremer vom Orga-Team. Denn aus Sicht der jugendlichen Klimaschützer passiert trotz der öffentlichen Resonanz viel zu wenig. „Seit einem halben Jahr gehen wir jeden Freitag auf die Straße, bleiben Schule oder Uni fern, um eine konsequente Klimapolitik zu fordern. Und das Klimakabinett schafft es gerade mal, am 18. Juli über eine CO2-Bepreisung zu beraten.“ Das sei viel zu langsam, und die zur Debatte stehenden Beträge für eine CO2-Steuer viel zu niedrig. Deshalb folge jetzt die nächste Stufe des Streiks.

100 Jugendliche zum Auftakt am Kölner Hauptbahnhof

„Die Klimakrise wird noch immer nicht ernst genommen. Während die Bundesregierung trödelt und nichts konkret umsetzt, erreichen uns wie an diesem Wochenende Meldungen, dass der Permafrostboden in der kanadischen Arktis in einem Tempo taut, das erst in 70 Jahren erwartet worden war.“

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An die 100 Jugendliche haben sich am Montag zum Auftakt des Dauerstreiks eingefunden. In der Nacht soll im Schichtbetrieb weiter gestreikt werden. Allerdings nicht vor Dienstagabend. Dann erst können die Schüler auf dem Alter Markt direkt vor dem Rathaus ihr großes Zelt sowie einige Pavillons aufbauen, da zuerst die Abbauarbeiten nach der Christopher-Street-Day-Parade abgeschlossen werden mussten.

Übernachten nur mit Mutti-Zettel

Mit 50 bis 70 Übernachtern rechnen sie, davon sollen immer fünf in einem Schichtsystem die Nacht über wach bleiben. „Wer unter 18 Jahre alt ist, braucht zum Übernachten einen Mutti-Zettel“, erklärt Pauline Brügger. „Falls die Polizei mal vorbeikommt.“ Der 13-jährige Mattis, der als Eisbär kostümiert auf dem Bahnhofsvorplatz sitzt, kämpft daheim noch um den Zettel und würde gerne mit übernachten. „Mal sehen, ob es klappt.“

Aber tagsüber, da sind er und seine Freunde Meret (12), Nikolas (13), Kai (12), Luca (13) und Lilli (13) vom Schiller-Gymnasium auf jeden Fall dabei. „Unsere Eltern stehen voll dahinter. Wenn wir keinen Druck aufbauen, passiert ja nichts.“ Außerdem haben die sechs während ihres Engagements festgestellt, „dass es einfach richtig Spaß macht, sich gemeinsam für etwas einzusetzen.“

Streik-Camp als Ort der Begegnung

Dabei stehen die Organisatoren von Fridays for Future vor der Herausforderung, den Protest auch über die Sommerferien hinweg schlagkräftig aufrecht zu erhalten. Daher setzen sie bei diesem großen Aufschlag vor den Ferien auf ein besonderes Format: Es soll nicht nur ein besonders langer Streik werden. Das Streik-Camp soll ein Ort der Begegnung sein mit Workshops, Diskussionen, Musik und Raum für Austausch – auch mit den Kölner Passanten.

Die Jugendlichen wollen auch konkret den politisch Verantwortlichen in Köln Druck machen mit ihrem Camp vor dem Rathaus. „Es soll ein Signal sein an eine Kölner Politik, die nicht bereit ist, die Sorgen und Forderungen der Bürger zu beherzigen.“ Zumal der Rat der Stadt in seiner Sitzung an diesem Dienstag den Klimanotstand für Köln ausrufen will. „Das muss dann auch Folgen haben. Wir fordern etwa einen kostenlosen oder zumindest deutlich günstigere Tickets im ÖPNV“, fordert Leonie Bremer. Stattdessen versinke die Stadt im Autochaos und die Tickets würden immer teurer. Am Dienstag , wenn die Fridays-for-Future-Bewegung die Kölner Ratssitzung mit Aktionen begleiten will, hoffen die Veranstalter auf bis zu 1000 Schüler.

„Schulpflicht besteht bis zum letzten Schultag“

Bedenken wegen der geschwänzten Stunden versuchen die Initiatoren entgegenzutreten. Da in der letzten Woche vor den Ferien ohnehin in der Schule nicht mehr viel läuft, sei das unproblematisch. Das sieht die Bezirksregierung Köln jedoch anders. „Schulpflicht besteht bis zum letzten Schultag“, betonte der Sprecher der Bezirksregierung, Dirk Schneemann. Im Extremfall könnten Maßnahmen wie etwa Geldbußen verhängt werden.

Die Jugendlichen beeindruckt das nicht. Viele Passanten, denen die Jugendlichen Flyer in die Hand drücken, äußern sich unterstützend. „Wer Kinder oder Enkel hat, der weiß doch wie wichtig das ist“, meinen Josef und Edeltraud Huber, die mit dem Koffer über den Bahnhofsvorplatz ziehen. „Wir finden das wunderbar, dass die Jugend sich engagiert.“ Spätestens nach den Ferien können auch die Erwachsenen zeigen, wie ernst es ihnen ist: Für den 20. September hat Fridays for Future nicht nur die Jugendlichen, sondern alle Menschen zu einem weltweiten Generalstreik aufgerufen 

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