Bunker in der Kölner InnenstadtEin Keller zum Überleben unter dem Reichenspergerplatz

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Auf den Bänken im Bunker warteten Schutzsuchende das Ende der Luftangriffe ab.

Auf den Bänken im Bunker warteten Schutzsuchende das Ende der Luftangriffe ab.

Köln – Im Zweiten Weltkrieg war der Keller oft der letzte Zufluchtsort für die Kölner. Während britische und amerikanische Flugzeuge ihre Bombenlast über der Stadt abluden, suchten die Menschen Schutz in den unterirdischen Räumen, die häufig zusätzlich verstärkt und mit Sandsäcken abgesichert waren.

Oft teilten sich mehrere Familien einen einzigen Kellerbunker und bildeten eine ungewollte Lebensgemeinschaft. Je häufiger die Bombenangriffe wurden und je länger sie anhielten, desto schwieriger wurde das Zusammenleben in diesen Räumen. Insbesondere mit jugendlichen Kellerbewohnern kam es immer wieder zu Konflikten.

Ein Teil des Kriegsalltags

An Verkehrsknotenpunkten und Orten, wo viele Menschen zusammenkamen, gab es auch große Bunker, die für die Öffentlichkeit zugänglich waren. Sobald die Sirenen das Zeichen „Fliegeralarm“ gaben, suchten die Menschen anhand von Wandmarkierungen den schnellsten Weg in den nächst gelegenen ober- oder unterirdischen Bunker.

Der Keller als Schutzraum zum Überleben – auch dies ist ein Aspekt der Kölner Keller-Geschichte, der für viele Menschen während des Krieges ein Teil ihres Alltags war. Eine Ahnung von diesen Jahren vermittelt sehr authentisch der so genannte Röhrenbunker unter dem Reichenspergerplatz, der fast unberührt die Nachkriegsjahre überdauert hat.

Wiederentdeckt wurde die Anlage am Oberlandesgericht im Jahr 2009 von Mitarbeitern des Kölner Instituts für Festungsarchitektur (Crifa), die in alten Unterlagen des OLG einen Hinweis gefunden hatten. Ihr Verein engagiert sich vor allem für den Erhalt der preußischen Festungsanlagen in Köln.

Meterlange Spinnweben, mumifizierte Ratte

Ganz Köln steht auf den Ruinen seiner Vergangenheit. Kölner Keller öffnen Türen in die Vergangenheit – zu Römern, Mittelalter und Gründerzeit, sie bilden Wirtschaftsgeschichte ab und dienen als unterirdische Erinnerungsstätten. Während des Bombenkrieges waren sie Zufluchtsort für viele Kölner, sie wurden aber auch Schauplatz der Verbrechen der Gestapo.

Der erste Einstieg glich einer Expedition ins Unbekannte. „Von der Decke hingen meterlange Spinnweben, die wir erstmal mit einem Besenstiel aufgewickelt haben“, berichten Robert Schwienbacher und Georg Ruppert. Außer einer mumifizierten Ratte gab es keinerlei Anzeichen, dass sich irgendein Lebewesen seit dem Krieg in den Bunker verirrt hatte.

Alles war intakt: die Luftschleusen, die vor Giftgasangriffen schützen sollten, die Überdruckventile und sogar eine Glühbirne, die den Krieg überdauert hatte. Beide Eingänge der Anlage in der Form eines großen „M“ liegen unter dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude. Der Bunker besteht aus einem langen, mehrfach abknickenden Gang, kaum 1,50 Meter breit und nur etwa 2,20 Meter hoch. Auf beiden Seiten des Ganges waren einfache Holzbänke als Sitzgelegenheit aufgestellt.

Wenn Fliegeralarm war, strömten die Schutzsuchenden in solche Bunker, die im Volksmund „Angströhren“ genannt wurden. Zugelassen waren sie meist für 180 bis 200 Menschen, „aber im Grunde waren sie immer überbesetzt“, sagt Ruppert. Da saßen sie sich dann Auge in Auge gegenüber, während draußen der Feuersturm tobte, sahen die eigene Angst im Gesicht des Gegenübers und zuckten zusammen, wenn in der Nähe niedergehende Bomben ihre Zuflucht erschütterten.

Phosphoreszierende Farbmarkierungen wiesen in der Dunkelheit auf abknickende Gänge hin und zeigten den Weg zum Ausgang. Dieser blieb während der Angriffe verschlossen, auch wenn die Panik im Inneren um sich griff. Was die Menschen in diesen Stunden bewegte, haben einige in der Dunkelheit auf die Wegweiser gekritzelt. „Not“ hat einer der Schutzsuchenden auf ein Schild geschrieben, ein anderer „Ich liebe dich“. Ein dritter hat offenbar auch im Bunker noch ans Geschäft gedacht und für die Kohlenhandlung Wilhelm Krakau in der Aduchtstraße geworben.

Notausgang mit Holztür

Je länger der Angriff dauerte, desto feuchter wurde es im Bunker – von der Atemluft, dem Schweiß und den Ausdünstungen der Menge. Dann mussten die zwei „Luftschutzraumlüfter“ in den Spitzkehren der Anlage in Betrieb genommen werden. Durch gleichmäßige Betätigung einer Art Pumpenschlegel konnte Frischluft von außen angesaugt und verbrauchte Luft nach draußen transportiert werden. Ein Pendel, das an einer Schnur an der Wand hing und zum Schwingen gebracht wurde, gab den Takt der Pumpbewegung vor.

Trotz der wohl 45 bis 60 Zentimeter starken Betondecke waren solche Bunker nicht wirklich sicher. Einem Volltreffer mit einer Bombe hätten sie nicht widerstanden. Ruppert berichtet von einer Hochzeitsgesellschaft, die sich in der Nähe des Melatengürtels in einen Bunker geflüchtet hatte und mit 100 Gästen getötet wurde.

Auch am Reichenspergerplatz hatte man Vorsorge für den Fall getroffen, dass die Zugänge blockiert würden, es aber noch Überlebende im Bunker gegeben hätte. Im Scheitelpunkt des „M“ gab es eine einfache Holztür vor einer Ziegelmauer, hinter der ein mit Sand verfüllter Schacht senkrecht nach draußen führte. Im Notfall konnte die Mauer eingeschlagen werden, der Sand hätte sich nach innen ergossen, und die Überlebenden hätten nach oben steigen können – ein Fall, der an diesem Ort offenbar nie eintrat.

Der kaum 200 Quadratmeter große Bunker konnte sogar einen gewissen Luxus aufweisen. Unter den Sitzbänken fanden sich in großen Abständen kleine elektrische Heizungen, und es gab vier Toiletten. In vielen anderen Bunkern gab es dagegen nur eine Holzkiste mit Sand. „Die Toiletten sehen noch genauso aus wie 1945“, betont Schwienbacher die Authentizität, „wir haben sie niemals geputzt.“

Besichtigungen: Der Verein „Crifa“ bietet an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr kostenlose Führungen durch den Bunker an.

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