Chefin der StadtbibliothekHannelore Vogt verrät ihre Lieblingsplätze mitten in Köln

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Mit Maske im Foyer des Rautenstrauch-Joest-Museums: Hannelore Vogt

  • Hannelore Vogt, Direktorin der Stadtbibliothek, liebt die Ferne, fühlt sich aber auch in Köln sehr wohl.
  • Eigentlich wohnt sie in Lindenthal, kennt sich aber auch in den Straßen rund um ihren Arbeitsplatz in der Innenstadt sehr gut aus.
  • Uns hat sie ihre Lieblingsplätze gezeigt und sogar mit zum Friseur genommen.

Köln – Hannelore Vogt ist gut gerüstet. Ein Schild aus Plexiglas – „selber gemacht“ – schützt ihr Gesicht, als sie das Foyer der Kölner Stadtbibliothek betritt. Dahinter funkeln meerblaue Augen. In der Handtasche steckt griffbereit ein Mundschutz. Unterwegs in Corona-Zeiten – noch ist jeder Begrüßungshandschlag tabu, ein Gespräch nur mit gebührendem Abstand möglich. Hannelore Vogt zuckt mit den Schultern. Ändern lässt sich das alles nicht. Also, los geht’s Richtung Rautenstrauch-Joest-Museum und Museum Schnütgen.

Seit zwölf Jahren lebt die Direktorin der Kölner Stadtbibliothek in Köln. Genauer: in der Klosterstraße in Lindenthal. Eine prima Wohngegend, am Rautenstrauch-Kanal gelegen und angedockt an die geschäftige Dürener Straße mit ihren Restaurants, Cafés und Boutiquen.

Doch in der Innenstadt rund um ihren Arbeitsplatz fühle sie sich mindestens genauso wohl, sagt Vogt, während wir von der Stadtbibliothek hinüber spazieren zu dem rotbraunen Museumsbau an der Cäcilienstraße. „Alles, was ich brauche, ist in der Nähe“: Cafés, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, ihre Lieblingsbuchhandlung und ihr Friseursalon. Wenn es das Wetter zulässt, radelt Vogt morgens von der Klosterstraße zum Neumarkt und abends wieder zurück, oft am Rautenstrauch-Kanal entlang, wo im Mai die Kastanienbäume blühen und im September die ersten Früchte zu Boden plumpsen.

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Hannelore Vogt träumt gern Blick auf den Reisspeicher

Maske raus und rein ins Museum. In der Eingangshalle steht ein mehrere Meter hoher Reisspeicher aus Indonesien. Baujahr 1935, gefertigt aus Holz, Bambus und Rotang von dem indonesischen Künstler Ne’Kambane und Wahrzeichen eines Hauses, das sich den Kulturen dieser Welt verschrieben hat.

Direkt gegenüber, vor den großen Panoramafenstern zum Hof, liegt das Museumscafé, in dem Vogt gern zur Mittagszeit einkehrt. Eben wegen dieses „wunderbaren Reisspeichers“. Sie setze sich immer so, dass sie ihn direkt vor Augen habe. „Mit ihm verbinde ich mein Interesse für andere Länder und Kulturen und finde Ruhe vom Alltag.“ Hier könne sie sich wegträumen über die Grenzen Europas hinaus.

Java, Bali, Lombok – Inseln, die die passionierte Reisende in den 1980er Jahren das erste Mal besucht hat. „Ich bin sehr reiselustig“, sagt die geborene Fränkin. 1958 ist sie in Marktbreit im Landkreis Kitzingen zur Welt gekommen. „Ich bin ein neugieriger Mensch.“ Und schon schwärmt sie von einer Reise durch Australien zu entlegenen Stränden, vom Wave Rock, der aussieht wie eine gewaltige Welle aus Stein, und von den freundlichen Menschen am anderen Ende der Welt. Im Februar und März dieses Jahres ist sie mit ihrem Mann drei Wochen auf eigene Faust durch die Dominikanische Republik gereist, der vorerst letzte Trip in die Ferne. Eine Dienstreise nach Vietnam ist gerade geplatzt. So ist das in Corona-Zeiten.

Die Handys blieben während der Reise ausgeschaltet, E-Mails wurden nicht abgerufen – Media-Detox. Umso größer war die Verblüffung, als das Ehepaar auf dem Rückflug nach Europa von der Corona-Pandemie erfuhr. „Eine Woche später, und wir wären nicht mehr weggekommen.“

Multimediaeinrichtung am Neumarkt wurde „Bibliothek des Jahres“

Wir schlendern zurück Richtung Neumarkt. Sie besuche gern die Veranstaltungen im Literaturhaus am Großen Griechenmarkt, sagt Vogt, die einige Jahre im Vorstand der Institution saß. „Ich mag die schönen Belletristik-Lesungen dort“ – ein interessanter Kontrast zu den Veranstaltungen im eigenen Haus. 2008 hat Hannelore Vogt nach 15 erfolgreichen Jahren an der Würzburger Stadtbücherei die Leitung der Kölner Stadtbibliothek übernommen. 2015 heimste sie die erste Auszeichnung ein – die Multimediaeinrichtung am Neumarkt wurde „Bibliothek des Jahres“.

Die Begründung der Jury: Sie erfülle exzellent ihre Rolle als Quartiertreff und kreative Begegnungsstätte und fördere die digitale Bildung. Für Vogt war das die zweite Auszeichnung dieser Art: 2003 wurde die Würzburger Stadtbücherei unter ihrer Leitung „Bibliothek des Jahres“. 2016 erhielt sie den „Kölner Kulturpreis“ als beste Kulturmanagerin der Stadt. Besonders stolz allerdings sei sie auf die Neueröffnung der Stadtteilbibliothek Kalk im Jahr 2018, ein überaus erfolgreiches „Experiment als open library, sogar im Heute-Journal wurde darüber berichtet“. Und auch für die Zentrale, zu deren Angebot unter anderem ein Klavierzimmer und ein 3-D-Drucker gehören, gibt es neue Pläne. Demnächst soll dort ein Youtube-Studio an den Start gehen, in dem die Benutzer Filme drehen können. „Bei uns steht das eigene Tun stark im Vordergrund“, sagt Vogt.

„Haaremachen“ bei Jutta Wolter

Doch jetzt geht es erst einmal zum „Haaremachen“. Bunte Kugeln aus Papier hängen im Schaufenster des Friseursalons „Hauptsache“ an der Hahnenstraße. Lilli, der Hund von Besitzerin Jutta Wolter, begrüßt die vermeintlichen Kundinnen freundlich, ehe sie sich in ihre Ecke zurücktrollt.

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Friseurshündin Lilli begrüßt die Stammkundin

„Frau Wolter hat mich gewonnen“, sagt Hannelore Vogt und meint das durchaus wörtlich. Bei einer Weihnachtsverlosung der „Soroptimist International“, einem internationalen Frauenclub mit weltweit rund 80.000 Mitgliedern, wurde vor zwei Jahren eine Führung durch die Kölner Stadtbibliothek verlost – Besuch bei der Bibliotheksdirektorin inklusive.

Jutta Wolter machte das Rennen – und schlug wenig später mit sieben gut frisierten Begleiterinnen in Vogts Büro auf. Es gab Lachshäppchen und Sekt, anschließend die versprochene Bibliotheksführung und zum Abschied für jede Besucherin einen Kölner Dom aus dem 3-D-Drucker. Seitdem macht Jutta Wolter begeistert Werbung für „diese tolle Bibliothek“. Früher habe sie sich unter einer Bücherei einen verstaubten Laden mit angeschmuddelten Büchern vorgestellt. Jetzt wisse sie es besser.

Wir überqueren die Hahnenstraße und wandern vorbei am „Riphahn“, Vogts Lieblingslokal im Viertel. Sie schätze vor allem die bretonische Fischsuppe und die schöne Quiche von Thomas Tump und Uwe Hammes. Das 2012 eröffnete Lokal, benannt nach dem Kölner Architekten Wilhelm Riphahn, hat sich der deutsch-französischen Landküche verschrieben. Untergebracht ist es in einem denkmalgeschützten Gebäude unweit der St. Aposteln-Kirche.

Die Bibliotheksdirektorin zieht es auch wegen des eher puristischen Designs in das Lokal. „Allein diese Stühle“, schwärmt sie. Gar nicht zu reden von der Original-50er-Jahre-Treppe, die sich sanft in den ersten Stock hinaufschwingt. Hannelore Vogt hat als Zweitfach Kunstgeschichte studiert. „Ich mag schlichte, funktionale Dinge“, sagt sie. Klare Farben, klare Formen. So besuche sie gern die Antoniterkirche in der Schildergasse und schaue sich die Figuren von Ernst Barlach an: Der „Schwebende“, der „Lehrende Christus“, „Kruzifix II“.

Heißgetränk bei „Hernando Cortez Schokoladen“

„Hernando Cortez Schokoladen“ in der Gertrudenstraße 23 ist Vogts nächstes Ziel. Dort kehrt sie gern ein auf eine Tasse heiße Schokolade. Ein kleiner Raum, einige wenige Tische und Stühle. Und Schokolade, Schokolade, Schokolade. Rote, weiße, braune, schwarze. Eingeschlagen in bunt bedrucktes Papier, auf dem grüne Ranken den Eindruck von Exotik vermitteln.

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Die heiße Schokolade trinkt Hannelore Vogt besonders gern.

Marco Mühlberg stellt ein kleines Sortiment von Schokoladen mit unterschiedlichem Kakaoanteil auf den Tisch. „Zum Kosten.“ Der gebürtige Kölner hat das Geschäft vor 13 Jahren eröffnet. Benannt ist es nach dem spanischen Seefahrer Hernando Cortez, der die Europäer 1528 mit den ersten Kakaobohnen aus Mittelamerika überraschte. Zum Angebot gehören auch Wein- und Schokoladenverkostungen.

Hannelore Vogts Kolleginnen und Kollegen hätten ihr vor einiger Zeit einen Gutschein für das Café geschenkt. „Seitdem bin ich Fan.“ Ihre bevorzugte Trinkschokolade: „Satongo“, ein Mix aus verschiedenen afrikanischen Bohnen, mit einem Kakaoanteil von 72 Prozent so herrlich bittersüß, dass man gleich eine zweite Tasse bestellen möchte.

Und schon geht es weiter in die „Buchhandlung Klaus Bittner“ in der Albertus Straße 6. „Hummeln im Hintern“ habe Hannelore, sagt der Buchhändler. „Ihr fällt immer etwas Neues ein.“ Krimis lese sie gern, verrät Vogt, während sie das Regal mit der Spannungsliteratur scannt. Um schließlich „Dark Town“ von Thomas Mullen zu kaufen, die Geschichte der ersten schwarzen Cops in den USA Ende der 1940er Jahre. Aktueller kann ein Krimi kaum sein.

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Fachsimpeln mit Klaus Bittner von der gleichnamigen Buchhandlung

Jetzt noch ein Sauerteigbrot in der „Manufactum“-Bäckerei und eine Stippvisite beim „Globetrotter“, das Mekka der Wanderer und Reisenden. Vogt streift durch die obere Etage, wo es Kaffeefilter zum Zusammenklappen, Bunsenbrenner und solarbetriebene Lampen gibt. Die nächste Reise kommt bestimmt. Auch wenn das noch eine Weile dauern kann.

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