Klöckner-Humboldt-DeutzEine Karriere in goldenen Zeiten

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Montage der Deutz-Großmotoren

Montage der Deutz-Großmotoren

Köln – Das einstige Herz von Klöckner-Humboldt-Deutz schlägt nur noch leise. Wer früher durch das Tor 12 an der Deutz-Mülheimer Straße 202 ging, traf dahinter Hunderte Spezialisten, die in einer riesigen Halle Pleuelstangen, Kurbelwellen und Zylinderköpfe bearbeiteten. Heute befindet sich hinter Tor 12 noch ein kleiner Fuhrpark.

Es hat sich viel verändert, seit Johannes Schiffgen in Mülheim seine Wirtschaftswunder-Laufbahn startete. 51 Jahre lang war der groß gewachsene Mann mit der sonoren Stimme Teil jener Erfolgsgeschichte, die Erfinder Nicolaus August Otto vor 150 Jahren begann. Dank Ottos Viertaktmotor wurde aus einer kleinen Werkstatt in der Kölner Altstadt ein Weltkonzern, der sich ab 1869 zwischen Deutz und Mülheim in imposanten Backsteinhallen einrichtete. Die Hallen stehen immer noch, an einer versteckten Fassade sind sogar die drei Buchstaben zu erkennen, unter denen Otto und sein Partner Eugen Langen einst firmierten: GFD – Gasmotoren-Fabrik Deutz. Die Karriere von Ottos Viertaktprinzip hält bis heute unvermindert an. Die der Firma, die er 1864 gründete , war eher schwankend.

Der Viertakt-Motor, den Nicolaus August Otto erfand, ging 1878 in Serie. Das Prinzip ist bis heute aktuell. 1864 hatte Otto an der Kölner Servasgasse zusammen mit Eugen Langen die Firma N.A. Otto & Cie. gegründet, um eine Alternative zu den großen Dampfmaschinen zu finden.

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Die atmosphärische Gaskraftmaschine stellte Otto 1867 vor, 1876 den Viertakt-Motor. Vor allem im Kleingewerbe wurde er eingesetzt, die Firma zog ins Rechtsrheinische um und expandierte. In den 1980-er und 1990-er Jahren gab es mehrere Krisen. (cht)

Als Johannes Schiffgen 1953 an der Deutz-Mülheimer Straße eine Lehre als Stahlbauschlosser anfing, hatte Klöckner-Humboldt-Deutz, so der spätere Name des Unternehmens, 33.000 Mitarbeiter in den Sparten Motoren, Landmaschinen und Industrieanlagen. Als er vor zehn Jahren aufhörte, waren es etwa 5000. Mülheim ist als Produktionsstandort längst abgemeldet, der Hauptsitz des Unternehmens, das seit 1997 Deutz AG heißt, befindet sich in Porz.

„Das ist alles Vergangenheit“, sagt Schiffgen beim Anblick der maroden Industrieanlagen von Mülheim. Nachdenklich berichtet der 75-Jährige von jener goldenen Zeit, als noch überlegt wurde, die Deutz-Mülheimer Straße zur Industriestraße zu erklären. Nur noch Deutz-AG-Fahrzeuge wären dann zugelassen gewesen, sonst nichts. Als Schiffgen 2004 in den Ruhestand ging, war davon keine Rede mehr. Dort, wo heute Rollladen schief vor den Fenstern hängen, saß Schiffgen viele Jahre lang in der Personalabteilung. Zuletzt als Chef. „Ich habe Höhen und Tiefen erlebt“, sagt Schiffgen. Die Tiefen begannen Ende der 1980er Jahre. Tausenden Menschen mussten er und seine Mitarbeiter damals kündigen. „Das war der erste große Einschnitt“, sagt Schiffgen.

Wie viele Mitarbeiter-Gespräche er damals führte, weiß er nicht mehr. Nur, dass die Zahl der Entlassungen die der Einstellungen bei weitem überstieg. Und dass den überzähligen Mitarbeitern immerhin faire Konditionen geboten wurden. „Es sind viele Managementfehler gemacht worden“, erzählt Johannes Schiffgen über die Vorstandsetage. Vom Geschäft mit Industrieanlagen und Landmaschinen hat sich die Deutz AG verabschiedet. Nur noch Motoren werden gebaut. „Es ist nur das geblieben, was Otto vor 150 Jahren gebaut hat.“

Unterm Strich gehörte Schiffgen gern zur Deutz-Familie. Sie hat ihm eine Bilderbuch-Karriere ermöglicht. Privat steht der Mann mit der Bass-Stimme dem Deutz-Chor als Präsident vor – seit 1957. Im Jubiläumsjahr wird es einige Konzerte geben, zum Beispiel in der Philharmonie am 31. Mai und 1. Juni. Auf dem Programm stehen Lieder aus der Wirtschaftswunderzeit.

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