Lärm am Brüsseler PlatzWem gehören die Kölner Nächte?

Lesezeit 5 Minuten
Mit den lauen Nächten kehrt auch der Lärm auf die Plätze und Straßen der Stadt zurück.

Mit den lauen Nächten kehrt auch der Lärm auf die Plätze und Straßen der Stadt zurück.

  • Das Frühjahr läuft gerade erst zu Hochtouren auf, doch die Anwohner befürchten schon jetzt das Schlimmste für die anstehende Saison.
  • Es geht um die Neuauflage des Kleinkriegs zwischen lärmgeplagten Bürgern und Feiernden.

Köln – Es war kurz vor Mitternacht, als die Polizei jüngst zum Brüsseler Platz gerufen wurde. 20 bis 30 Personen lieferten sich dort, so die Meldung, eine wüste Schlägerei. Als die Beamten auf dem Platz eintrafen, der sich in den vergangenen Jahren zum Hotspot des Kölner Nachtlebens entwickelt hat, waren die Kontrahenten jedoch bereits verschwunden.

Das Frühjahr läuft gerade erst zu Hochtouren auf, doch die Anwohner befürchten schon jetzt das Schlimmste für die anstehende Saison: Es geht um die Neuauflage des Kleinkriegs zwischen lärmgeplagten Bürgern und Feiernden; zwischen denjenigen, die an lauen Wochenenden kein Auge zumachen können, und jenen, für die das gesellige Zusammensein unter freiem Himmel selbstverständlich zum urbanen Lebensstil dazugehört. Es geht um die Frage: Wem gehört die Nacht?

Sie stellt sich keineswegs nur am Brüsseler Platz. Der Interessenkonflikt entzündet sich längst an vielen Orten in der ganzen Stadt – und er könnte sich womöglich noch verschärfen: Künftig sollen Restaurants und Cafés in der Innenstadt auf Antrag einen Parkplatz vor ihrer Gaststätte zu einer Fläche für Außengastronomie umwandeln können.

Alles zum Thema Cafes

Während die einen von mediterranem Piazza-Feeling und der Belebung des öffentlichen Raums schwärmen, sprechen die anderen von einer Horrorvorstellung. Denn leiser, so die Befürchtung, wird es dadurch nachts in der Stadt nicht. Beide Seiten haben sich erneut juristisch in Stellung gebracht: Vor wenigen Tagen behandelte das Kölner Verwaltungsgericht – nicht zum ersten Mal – die Klagen mehrerer Anwohner des Brüsseler Platzes gegen die Stadt.

Drei Verfahren um die Nachtruhe

Worum geht es den  Anwohner mit ihren Klagen?

In insgesamt drei Verfahren klagten die Anwohner auf eine strikte Einhaltung der Nachtruhe ab 22 Uhr. Diese solle nicht nur für Kneipen, Bars und Kioske gelten, vor deren Türen regelmäßig Gäste stehen, sondern auch für Betriebe mit Außengastronomie, die in der Regel bis 24 Uhr geöffnet bleiben dürfen.

In einer weiteren Klage wollten sie zudem die Stadt verpflichten, die Nachtruhe auch durchzusetzen, notfalls mit der polizeilichen Räumung des ganzen Platzes. Solch drastische Maßnahmen hatte die Stadt bislang immer abgelehnt mit dem Hinweis, man könne nur gegen einzelne Störer vorgehen, nicht aber gegen eine Menschenmenge, die allein aufgrund ihrer Größe zu laut ist.

Hat die Verhandlung zu einem  Ergebnis geführt?

Nein. Bei den drei Klagen die Nachtruhe betreffend drängte der Vorsitzende Richter der 1. Kammer erneut auf eine gütliche Einigung. Die Stadt erklärte sich daraufhin bereit, in einem Gespräch weitere Möglichkeiten zur Reduzierung von Lärm und Schmutz auszuloten. Die Gespräche sollen allerdings erst im Juni beginnen, wenn die Sommersaison längst begonnen hat. Viel versprechen sich die Kläger ohnehin nicht davon, sie halten schon die bisherigen Vereinbarungen für gescheitert. Dennoch erklärten sie im Gegenzug ihre Beschwerden für „erledigt“. Das vierte Verfahren, das die Stadt zur Durchsetzung der Nachtruhe auf dem Platz verpflichten soll, wurde dagegen abgetrennt. Die Klage soll nun an die Kammer für Immissionsschutzrecht verwiesen werden. Dessen Entscheidung wird mit großer Spannung erwartet. Denn es geht dabei um nichts geringeres als die Frage, wie künftig in einer Großstadt wie Köln das Zusammenleben funktionieren soll: Welchen Wert genießt das hohe Gut der Gesundheit, auf das sich lärmgestresste Anwohner berufen? Und ist es angesichts des veränderten Freizeitverhaltens überhaupt noch zeitgemäß, auf eine Nachtruhe ab 22 Uhr zu pochen? „Im Vergleich dazu war der Streit um das Nichtraucherschutzgesetz eine Lachnummer“, illustriert Inge Schürmann, Pressesprecherin der Stadt, die Brisanz.

Wie ist die Rechtslage momentan?

Um es auf den Punkt zu bringen: verworren und alles andere als eindeutig. Zum einen gilt Bundesrecht, wonach die Nachtruhe ab 22 Uhr aus Gründen des Gesundheitsschutzes einzuhalten ist. Zum anderen gibt es das Immissionsschutzgesetz des Landes NRW. In Absatz 1 heißt es darin: „Von 22 bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind.“ In Absatz 2 heißt es weiter: Das Verbot gilt nicht für die Außengastronomie zwischen 22 und 24 Uhr.

Die Stadt Köln interpretiert dies bislang so: Tische draußen dürfen bis Mitternacht bedient werden, unter der Voraussetzung, dass die Betreiber für die Einhaltung der Nachtruhe sorgen – die Quadratur des Kreises. Das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Münster haben in früheren Urteilen denn auch Zweifel angemeldet, ob die Ausnahmen für die Außengastronomen verfassungskonform sind. Dennoch hat das Landesinnenministerium erst vor wenigen Tagen einen neuen „Freizeitlärm-Erlass“ herausgegeben. Darin wird der Beginn der Nachtruhe allgemein auf 24 Uhr festgesetzt – womit die Verwirrung komplett wäre.

Bald soll es in Köln auch noch  erlaubt sein, Parkplätze  in Außengastronomie umzuwandeln. Wird das nicht für noch mehr Lärm sorgen?

Vermutlich, zumal die Idee bei den Gastronomen auf ein sehr positives Echo stößt. „Mein Laden würde von vorne einfach ein ganz anderes Bild abgeben“, sagt Ingo Noack. Parken heute Transporter vor seiner Tür, kann sein kleines Café „Spatz“ in der Antwerpener Straße schnell übersehen werden. Auch wirtschaftlich wären ein paar zusätzlich Tische und Stühle für ihn ein Gewinn: „Ich glaube, das würde mir im Sommer 50 Prozent mehr Umsatz bescherren.“ Einen Antrag hat der 38-Jährige bereits gestellt. Nachtschwärmer würden bei ihm aber nicht zum Zuge kommen: Er öffnet nur bis 19 Uhr.

Welche Gastronomen werden davon profitieren?

Das wären Betriebe, die bislang aufgrund ordnungsrechtlicher  Gründe – zum Beispiel zu schmale Gehwege – noch über keine Möglichkeit zur Außengastronomie verfügen.  Aus Angst vor einem möglichen Parkplatzmangel in der Innenstadt will die Verwaltung die Umsetzung des Beschlusses der Bezirksvertretung auf Bereiche beschränken, bei denen ein Parkhaus  in einem Umkreis von 300 Meter existiert.  Eine verbindliche Entscheidung für die Praxis soll noch  im Mai getroffen werden. Während sich Gastronomen und Gäste auf die neue Regelung freuen, dürften Anwohner  solcher Betriebe in der Stadt nicht unbedingt begeistert sein. Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung könnten  künftig zunehmen.

Was sagen die Gastronomen am Brüsseler Platz?

Bei ihnen herrscht Verunsicherung. „Wenn wir unsere Außengastronomie künftig schon um 22 Uhr statt 24 Uhr abräumen müssen, können wir auch gleich die Mittagsruhe von 12 bis 15 Uhr einführen“, ärgert sich Ludger Deimel, dessen Lokal „St. Michael“ über knapp 50 Außenplätze verfügt. Das Lärmproblem entstehe maßgeblich durch den Wildwuchs vor den Kiosken an den Seitenstraßen des Platzes, behauptet er. Und dem würde eine Einschränkung der geregelten Außengastronomie erneut Auftrieb geben.

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren