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Offene Ateliers in Köln500 Künstler öffnen am Wochenende die Türen ihrer Werkstätten

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Künstlerin Saskia Niehaus pflegt eine körperbetonte erdverbundene Kunst, in der Mensch und Tier gleichberechtigt vorkommen.

Künstlerin Saskia Niehaus pflegt eine körperbetonte erdverbundene Kunst, in der Mensch und Tier gleichberechtigt vorkommen.

  • An diesem Wochenende erwarten Künstler im linksrheinischen Süden Besucher an ihren kreativen Produktionsstätten

Altstadt-Süd – Zeichnung ist das Leitthema der Offenen Ateliers Köln in diesem Jahr. Die Zeichnung als die elementarste Form des bildnerischen Ausdrucks. Eine einzige Linie genügt bereits, um einen Horizont zu schaffen, eine Gestalt anzudeuten, eine Ordnung zu suchen oder ein Gefühl spürbar werden zu lassen. Steht auf der einen Seite die akademische Zeichnung, die die menschliche Anatomie und die Dinge realistisch abbilden will, steht auf der anderen Seite ein expressiver Umgang mit Linie und Farben, der ganz den unbewussten Impulsen folgt und sich bis zur Verwirrung verheddern kann.

Abstrakte zeichnerische Strenge ist ebenso möglich wie gegenständliche Spielerei. Da gibt es die Bildhauerzeichnung, die den Entwurf einer Skulptur zu fassen versucht. Da gibt es die Vorzeichnungen des Malers, mit der die Komposition eines Gemäldes entwickelt wird. Und da gibt es die Zeichnung, die experimentierfreudig mit Fotos, Papierschnipseln und allem Möglichen kombiniert wird. Bei all dem steht fest, dass die Zeichnung längst eine eigenständige Kunstform ist, nachdem sie Jahrhunderte lang der Malerei und Bildhauerei untergeordnet galt.

Künstler öffnen die Türen ihrer Werkräume

Kurzum: Allein in den Möglichkeiten der Zeichnung sind unendliche kreative Spielarten möglich. Viele davon zeigen die Künstler, die an den drei Wochenenden der Offenen Ateliers in Köln die Türen zu ihren Werkräumen öffnen. Es gibt schließlich nur wenige Künstler, für die das Zeichnen überhaupt keine Rolle spielt. Daneben öffnen allerdings, ganz wie in den Jahren zuvor, auch all die Künstler ihre Ateliers, die mit anderen künstlerischen Medien von der Malerei bis zur neuen Medienkunst, der Fotografie bis zur Objektgestaltung, der Bildhauerei bis zur Installationskunst arbeiten.

Der Künstler Richard Berners hat sein neues Atelier gerade erst bezogen. Er ist in Lövenich in der Dieselstraße untergekommen; in einem Gebäude, in dem zuvor bereits sein Kollege Christian Keinstar ansässig wurde. Eine ganze Weile hat Berners nach einem neuen Arbeitsraum gesucht, seitdem er wusste, dass er aus seinem alten in Ehrenfeld heraus musste. „In Köln einen Atelierraum zu finden ist nicht einfach. Dass ich jetzt noch einen Künstlernachbarn habe, ist prima,“ sagt er, der bis jetzt stets in einem kleinen Ladenlokal an seinen bildnerischen Ideen werkelte. Der neue Raum ist größer und übersichtlicher. „Für meine Zeichnungen ist ja nicht viel Platz nötig,“ erklärt Berners. Aber seitdem ich auch diese großen Installationen mit Schaufensterpuppen realisieren, hatte ich das Gefühl, ich brauche andere Raummöglichkeiten,“ erklärt Berners.

Empfindungen und Fantasien auf kleinen Formaten

Trotz allem Verlangen, weit in den Raum hinein zu wirken, ist Berners im Kern allerdings ein Zeichner, der seine Empfindungen und Fantasien auf kleinen Formaten zu entfalten und zu verdichten vermag. Er ist ein Künstler, der mit intuitiven Strichen den unendlichen Nuancen des Unbewussten auf der Spur ist. In dieser zeichnerischen Leidenschaft, die manchmal an einen Zwang grenzt, folgt er der kunsttherapeutischen Einsicht, dass man mit bildnerischen Kreativprozessen nicht nur sich selbst besser kennenlernt, sondern darüber hinaus stets auch seine eigenen seelischen Dramatiken heilsam behandelt.

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„Die Zeichnung bringt einen näher zu sich selbst,“ sagt er. Der Künstler Berners ist außerdem im Beruf des Kunsttherapeuten tätig. Bei einem Besuch in seinem Atelier lässt sich also nicht nur die existenzielle Kraft der Zeichnung entdecken, sondern auch einiges über den Zusammenhang von Kunst und seelischen Prozessen, Zeichnung und Therapie erfahren.

Anatomie des menschlichen Körpers

Ganz anders ist das zeichnerische Konzept, das Monika von Starck verfolgt. Die im Jahr 1939 in Köln geborene Malerin hat das Zeichnen in ihrer ganzen akademischen Könnerschaft an der Kunstakademie in Düsseldorf gelernt und seit jungen Jahren gepflegt. Die Anatomie des menschlichen Körpers, der Ausdruck von Gesichtern gehen ihr zeichnerisch leicht von der Hand. Überall, wo von Strack sich aufhält, hat sie ihr Zeichenmaterial dabei, Stifte, ein Skizzenbuch. Sie lässt sich von den Menschen in ihrer Umgebung visuell berühren und inspirieren. Menschen sind ihr Thema.

Die Beziehungen von Menschen, ihre Sehnsüchte, ihre Abgründe, ihre Geheimnisse. Bei aller anatomischen Genauigkeit zeichnet von Starck allerdings nicht einfach ein realistisches Bild. Ihre Zeichnungen sind, ebenso wie ihre Malerei, gleichermaßen expressiv und surreal. Ihre Striche spitzen zu, heben hervor, verstricken in die Verführungen, Dramen und Paradoxien des Menschlich-Allzumenschlichen. So zeigt die Künstlerin in ihrem Atelier in der Straße Im Park in Rodenkirchen nicht nur die vielen zeichnerischen Versionen ihrer Blicke auf Menschen, sondern zugleich, wie aus Zeichnungen ausgetüftelte malerische Kompositionen entstehen.

Tradition der asiatischen Malerei

Der Übergang von Zeichnung und Malerei ist auch für die im Jahr 1958 in Seoul geborene Seong-Hi Kang fließend. Seit langem lebt die Koreanerin in Deutschland und arbeitet in einem Atelier im Neuen Kunstforum. Zeichnerischen Elementen sind die Grundlage ihrer Gemälde, so dass man nicht sagen kann, ob sie zeichnend malt oder malend zeichnet. Vieles ist besonders an ihrem Werk, in dem die Tradition der asiatischen Malerei und die Freiheit der westlichen Moderne auf ganz eigene Weise ineinander greifen.

Seong-Hi Kang erklärt dazu: „Ich will nicht Koreanerin oder Deutsche sein. Das schränkt mich als Künstlerin nur ein. Im Grunde ist die zweite Kultur eine Bereicherung.“ Mensch und Tierfiguren sind in ihren Bildern ebenso untrennbar miteinander verwoben wie Innenwelt und Außenwelt unauflösbar ineinander übergehen. Kangs Zeichnungen sind im besten Sinne fremd und geheimnisvoll. Die in namenlose Formfragmente zerfallenen Leiber, die Körper in Vogelköpfen, huschende Flatterwesen und spiraligen Wachstumslinien scheinen aus unbekannten seelischen Tiefen ihren Weg auf Leinwand und Papier gefunden zu haben.

Nächtliche Träume und taghelles Bewusstseins

Sie gleichen den nächtlichen Träumen mehr als Perspektiven des taghellen Bewusstseins. Verführung und Abgrund liegen in diesen behutsam ins Licht der Sichtbarkeit geholten Zeichnungen so nah beieinander, dass jedes einzelne Blatt eine Ahnung davon gibt, wie sehr die Person der Künstlerin und der Ausdruck ihres Striches eines sind. Ähnliches, bei anderer (künstlerischer) Mentalität, gilt auch für Kangs Ateliernachbarin Saskia Niehaus.

Auch deren Zeichnungen sind bevölkert von Mensch-Tierwesen, vom Zusammentreffen archaischer Themen und der Lebens-Erfahrung in unserer Zeit. Nur ein paar Meter voneinander entfernt können die Besucher sich ein Bild davon machen, wie der gänzlich individuelle Ausdruck des Zeichnens grundlegende kulturelle Themen berühren kann.

Offene Ateliers – Zweite Runde

Zum 27. Mal veranstaltet der Berufsverband Bildender Künstler Kölns (BBK) seine größte jährliche Ausstellung, die Offenen Ateliers. 500 Künstler zeigen in ihren Arbeitsräumen ihre Werke.

Näher kann man den Kunstschaffenden nicht kommen, besser kann man nicht mit Malern, Bildhauern, Objekt- und Fotokünstlern ins Gespräch kommen. Wie gewohnt werden die Ateliers an drei aufeinander folgenden Wochenenden geöffnet, um die große Zahl an Teilnehmern und die vielen Orte übersichtlicher zu gestalten. Und darüber auch möglichst viele Besuche praktikabel werden zu lassen. Allerdings sind die Einteilung der „Bezirke“ in diesem Jahr geändert worden.

Die Veranstaltung startete am vergangenen Wochenende mit den Offenen Ateliers im Gebiet „Linksrheinisch Nord“. An diesem Wochenende geht es weiter mit den Offenen Ateliers in Linksrheinisch-Süd. Und die Offenen Ateliers im Rechtsrheinischen beschließen vom 28. bis 30. September die in ihrem Umfang und in ihrer Vielfalt einzigartige Veranstaltung.

Offene Ateliers „Linksrheinisch Süd“ : 21. bis 23. September Offene Ateliers „Rechtsrheinisch“: 28. bis 30. September Informationen zu allen Offenen Ateliers gibt es online www.offene-ateliers-koeln.de

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