Sanitätshaus Appelrath Kemper in KölnProthesen kann man nicht im Internet bestellen

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Martin Kemper mit der Siebenkämpferin Antonia Scholz, die das asymmetrische Polyethylen-Korsett wegen einer Skoliose drei Jahre getragen hat.

Martin Kemper mit der Siebenkämpferin Antonia Scholz, die das asymmetrische Polyethylen-Korsett wegen einer Skoliose drei Jahre getragen hat.

Köln – Mit einem der Hauptärgernisse vieler Einzelhändler, dem Beratungsdiebstahl, hat Martin Kemper nichts am Hut. Dass Kunden in seinem Geschäft Fachwissen einholen und anschließend im Internet bestellen, ist bei einem kleinen Teil seines Sortiments vorstellbar, aber nicht auf dem Gebiet, das der 57-Jährige schon vor 30 Jahren zu seinem Spezialgebiet ausgebaut hat: Prothesen, Korsetts und andere orthopädische Hilfsmittel.

Korsett später kaum noch gespürt

Antonia Scholz ist eine seiner Kundinnen. Oder besser gesagt: sie war es; denn mittlerweile kann die 17-Jährige sich den gemusterten Polyethylen-Torso als Dekoration in ihr Zimmer stellen. Gut drei Jahre lang hat die passionierte Siebenkämpferin und Hürdenläuferin das sperrig wirkende Teil wie eine zweite Haut getragen. 23 Stunden am Tag. Anfangs sei das schon recht unangenehm gewesen, vor allem nachts, gibt sie zu. Später habe sie das Korsett jedoch kaum noch gespürt.

Antonia und ihre Mutter sind regelmäßig aus dem Siegerland nach Köln gekommen. „Es ist nicht leicht, den richtigen Hersteller zu finden. Das kann nämlich nicht jeder“, sagt Susanne Röhrborn-Scholz, die die Anreise zum Fachmann an der Hahnenstraße nicht bereut. Heute ist von Antonias Skoliose nämlich kaum noch etwas zu sehen.

Die Fokussierung auf medizinische Hilfsmittel wie dieses zur Korrektur einer Wirbelsäulendeformation hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Martin Kempers Vater Heinz-Günther, ebenfalls Orthopädietechnikermeister, bereits vor vielen Jahren mit der Erfindung des französischen Arztes Jacques Cheneau in Berührung kam, der durch seine Bauweise eines Skoliose-Korsetts berühmt wurde. Die asymmetrische Form habe sich längst durchgesetzt, betont Kemper und erklärt anhand eines Gipsabdrucks, wie er vom Körper eines jeden Patienten genommen wird, die Funktionsweise.

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In einem weiteren Werkstattraum wird an Beinprothesen gearbeitet, die dank Carbon kaum noch etwas wiegen. Auch optisch haben sie wenig Gemeinsamkeit mit den Gliedmaßen-Ersatzstücken, die die Firma Appelrath Kemper nach Einzug in den Riphahn-Bau Anfang der 1950er Jahre in großer Zahl für Kriegsheimkehrer herstellte.

Frau von Gründer erfand Korsett-Leibbinde

Gegründet wurde das Unternehmen 1899 von Heinrich Appelrath, dem Urgroßvater des heutigen Geschäftsinhabers. Heinrichs Frau Anna wiederum erfand vor mehr als hundert Jahren die Korsett-Leibbinde. Eine aus dem Jahr 1912 stammende Patent-Urkunde existiert sogar noch. Tochter Katharina spielte insofern eine wichtige Rolle, als sie seinerzeit als allererste Frau in Deutschland die Meisterprüfung absolvierte.

Inzwischen stehe mit seinem Sohn Lukas, der zurzeit eine Ausbildung absolviert, die fünfte Generation in den Startlöchern, berichtet Martin Kemper. Er führt das Geschäft seit 1989 gemeinsam mit seiner Schwester Andrea Kemper-Gawel. Neben der Anfertigung von Korsetts und Prothesen, orthopädischen Schuhen und Stützmiedern bietet das Sanitätshaus eine große Auswahl an Thrombose-Strümpfen. Außerdem gibt es Bademoden und Miederwaren für Brustprothesen.

Sanitätshaus Appelrath Kemper, Hahnenstraße 19, Innenstadt. Öffnungszeiten: Mo bis Fr 9-18 Uhr, samstags 10-14 Uhr.

www.appelrath-kemper.de

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