So geht es den Südstadt-GastronomenTeil-Lockdown trifft Italiener in Köln hart

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Man kennt sich, man hilft sich: Die Italiener rund um den Kreisverkehr Merowinger/Bonner Straße/Rolandstraße hielten im Frühling schon zusammen und tun dies weiterhin.

Innenstadt – Ein befremdlicher Anblick – alle Parkplätze sind wieder voll belegt, die Gehwege leer. Kein Tisch, kein Klappstuhl, kein Ort zum Speisen und Verweilen. Eine der gastronomisch am stärksten frequentierten Straßen Kölns ist zur Durchgangsstraße geworden. Es ist kein Geheimnis, dass der Lockdown Lite die Gastronomie schwer getroffen hat, aber hier spürt man den Wechsel des Ambientes für den ganzen Stadtteil. Schon im Frühjahr berichteten wir über den ersten Lockdown, als die Akteure der italienischen Gastronomie wegen der neuen Bestimmungen sowie Knappheit an Hefe, Mehl und Informationen enger zusammen gerückt waren.

Kölner Südstadt: Kein Gastronom will aufgeben

Jetzt haben wir die Gastronomen wieder getroffen. Eins wird schnell klar: Sie sind alle noch da, keiner will aufgeben, aber es hat auch jeder trotz der neu geschaffenen Freundschaften mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. „Eine vegane Pizza zum Mitnehmen bitte. Schön, dass ihr wieder da seid.“ Ein Gast holt corona-konform seine Pizza am Verkaufsfenster vom „Little Italy 677“ ab. Inhaber André Pinto da Silva dankt – für den Gastronomen war es kein leichtes Jahr. „Wir haben kaum Rücklagen bilden können, die uns durch solche Zeiten helfen“, so Pinto da Silva. „Wir sind ja erst seit zwei Jahren der neue Pächter hier.“ Dabei waren er und sein Partner Mariano Li Pira sehr zufrieden mit der Entwicklung ihres Fusionskonzepts aus italienischer und amerikanischer Küche. Aber die Lockdowns treffen die jungen Gastronomen sehr: „Man merkt, jetzt im Winter kommen viel weniger Leute eine Pizza selber abholen. Viele bleiben lieber auf der Couch und lassen sich etwas liefern.“

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Die Newcomer vom "Little Italy" haben in der Corona-Krise die Gastro-Szene neu vernetzt.

La Locanda am Zugweg 

Um die Ecke hat Milena Vigani ihr sardisches Restaurant „La Locanda“ am Zugweg. Sie macht ähnliche Erfahrungen: „Es kommen nicht so viele Leute wie im Frühjahr, aber wir wollen trotzdem da sein für unsere Stammgäste.“ Sie und ihr Team sind auch mit abgespeckter Karte wieder im To-Go-Geschäft vertreten. Lohnen tut sich das kaum bis gar nicht, aber die Italienerin will die Hoffnung nicht aufgeben: „Corona hat uns alle erreicht. Ich hoffe auf eine bessere Zeit, gerade für alle kleinen Unternehmer. Nicht nur für uns Gastronomen.“ An der Bonner Straße fährt ein Lieferando-Fahrer vor, völlig abgehetzt hält er vor dem „485 Grad“. Für Julia Lumperda, Betriebsleiterin des Restaurants an der Bonner Straße, mittlerweile Tagesgeschäft. „Wir setzen zwar darauf, dass die Leute ihre Pizza bei uns abholen, aber es kommen schon weniger Menschen, weil das Wetter schlechter ist oder unsere Gäste vielleicht auch das Geld nicht mehr so locker sitzen haben wie im Frühjahr.“

Alles zum Thema Bonner Straße (Köln)

Seine Pizza abholen und im Volksgarten verzehren, macht im Winter mit Kontaktbeschränkungen keinen Spaß. Die Lieferdienste kommen kaum hinterher und schalten deswegen teilweise Restaurants wie das 485 Grad komplett offline. „Wir sind natürlich noch da, aber die Lieferpartner sind überfordert.“ 

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Julia Lumperda  leitet das "485 Grad".

Kölner Pizzeria vom Schlemmer-Atlas ausgezeichnet

Auch für die gehypte Szene-Pizzeria ist die Situation belastend: „Es ist nie schön Mitarbeiter in Kurzarbeit zuschicken, gerade so kurz vor Weihnachten“, so Lumperda, „Gerade die Weihnachtsfeier ist für das ganze Team immer ein Highlight gewesen, das jetzt flach fällt.“ Lumperda und ihr Team versucht die Zeit sinnvoll zu nutzen, etwa durch Mitarbeiter-Schulungen und Konzept-Optimierungen. Komplett untergegangen in den Schlagzeilen des Jahres: 485 Grad wurde vom Schlemmer-Atlas ausgezeichnet als Trend-Konzept des Jahres. „Wir arbeiten schon jetzt an Konzepten für die Wiedereröffnung“, verrät Lumperda. Es warten vier neue Pizza-Kreationen und Angebote, die zwei Pizzen und eine halbe Flasche Champagner integrieren auf die Neueröffnung der Gastro hier. „Wir halten auf jeden Fall durch und bleiben optimistisch.“

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Formula Uno schließt um 18 Uhr

Nach dem leckeren italienischen Essen einen Espresso als Absacker? Den haben die Südstädter meist bei Carmelo Bennardo im Formula Uno getrunken. Aber der macht um 18 Uhr mittlerweile den Laden dicht. Das Café verkauft zwar auch Coffee-to-go, aber nur bis zum frühen Abend. „Alles andere macht keinen Sinn, wenn die Restaurants geschlossen sind“, so Carmelo, „Wir sind nicht hier, um unsere Umsätze zu retten, sondern weil das unser Leben ist.“ Personell unterstützen ihn nur seine Frau und sein Sohn, anders wäre das nicht machbar. „Es lohnt sich ja so nicht mal“, so Bennardo, der sich aber keineswegs groß beschweren möchte. „In Deutschland kriegen wir ja wenigstens Hilfen von Papa Staat. Ich sage danke, ja. Wir sind nicht im Stich gelassen worden.“ Wenig Verständnis hat er aber für Corona-Demonstranten: „Wir sind die Leidtragenden.“ In seinem Laden hängt immer noch der Spruch, der die Corona-Krise in Italien durchweg begleitet hat: „Andrá tutto bene“ – Es wird alles gut.

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