Stolpersteine in KölnErinnerung an vier ehemalige Schüler des Gymnasiums Kreuzgasse

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Ernst Numann, Yvonne Gebauer, Silke David (v.l.) und Agnes Klein (ganz rechts) mit Schülern, die für die Stolpersteinverlegung über das Leben der Opfer recherchiert hatten.

Ernst Numann, Yvonne Gebauer, Silke David (v.l.) und Agnes Klein (ganz rechts) mit Schülern, die für die Stolpersteinverlegung über das Leben der Opfer recherchiert hatten.

Innenstadt – Am 23. April 1945 wurde Ernst Leffmann zum zweiten Mal geboren. An diesem Tag wurde er 56 Jahre alt - und gemeinsam mit 2000 anderen Menschen von sowjetischen Truppen bei dem Dorf Tröbitz aus Viehwaggons befreit, die vom KZ Bergen Belsen aus auf dem Weg zu den Gaskammern im Osten waren. Der Transport war der letzte von drei Zügen, die die Nazis kurz vor Kriegsende noch schnell in die Vernichtungslager schickten. Bedingt durch die vorrückende Front, irrte er mit den jüdischen Häftlingen dreizehn Tage ziellos durch Deutschland, ohne Nahrung und ohne irgendeine Form von Hygiene. 550 Zuginsassen verstarben während des Horrortrips, hauptsächlich an Flecktyphus. Die Waggons gingen als „der verlorene Zug“ in die Geschichte ein. Ernst Leffmann überlebte.

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Er war der einzige Überlebende von insgesamt vier ehemaligen Schülern des Gymnasiums Kreuzgasse, für die der Kölner Künstler Gunter Demnig nun weitere seiner „Stolpersteine“, kleine Betonwürfel mit Gedenktafeln aus Messing, vor dem Schuleingang verlegt hat. Mit einer Präsentation, bei der auch Lehrer, Eltern, Vertreter der Synagogengemeinde und auch Schuldezernentin Agnes Klein und Schulministerin Yvonne Gebauer zu Gast waren, erinnerten die Schüler an die vier Holocaustopfer: Die drei anderen, Richard Gatzert, Wilhelm Dreyer und seine Ehefrau, sowie Rudolf Löwenstein, seine Frau und seine zwei Töchter, neun und sechs Jahre alt, wurden in Auschwitz ermordet. Die vier ehemaligen Schüler hatten eine Gemeinsamkeit: Alle studierten nach ihrer Schulzeit Jura und arbeiteten als Anwälte, Gatzert und Dreyer in Köln, Löwenstein und Leffmann in Berlin. 

Die Schüler berichteten in einer Präsentation über die Biografien der vier Männer, für die die Stolpersteine verlegt wurden.

Die Schüler berichteten in einer Präsentation über die Biografien der vier Männer, für die die Stolpersteine verlegt wurden.

Als Verteidiger des Rechtsstaats wurden sie schnell zur Zielscheibe des Unrechtsregimes, misshandelt und aus ihren Berufen gedrängt. Ernst Numann, der Enkel von Ernst Leffmann, konnte noch mehr über seinen Großvater erzählen. „Opa Asse, wie er auch genannt wurde“, sagte er, „hatte kein einfaches Leben. Sein Vater starb als er vier Jahre war. Die Familie lebte in finanziell schwierigen Verhältnissen.“ Also habe Ernst sein Jurastudium in Köln als Werkstudent selbst bezahlt. „Er schrieb zwei Doktorarbeiten, von denen er eine verkauft hat. Als Anwalt in Berlin hatte er eine gut laufende Praxis und publizierte auch, ironischerweise über das Gesetz zum Schutze der Republik.“ 1931 heiratete er die geschiedene Käthe Katzenstein und wurde Stiefvater ihrer beiden Kinder. Die Flucht der Familie nach Arnheim im Jahr 1933 konnte sie nicht davor bewahren am Ende gefangen genommen und ins KZ Bergen Belsen transportiert zu werden.

Die ehemaligen Mitschüler der Anonymität der namenlosen Masse von sechs Millionen Holocaustopfern zu entreißen und ihnen ihre Individualität zurückzugeben, ist ein Ziel von Demnigs Kunstprojekt – und des Erinnerungskonzepts am Gymnasium Kreuzgasse unter Leitung der Geschichtslehrerin Silke David.

Isabella Farkas, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, forderte die Schüler noch einmal auf, aus den Geschehnissen für die Zukunft zu lernen. „Denkt nach, fragt nach, hört genau hin und bleibt nicht die schweigende Mehrheit“.

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