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Travel Slam in KölnReisende duellieren sich mit den besten Erzählungen

Lesezeit 4 Minuten
Carolin Frühauf erzählte in der Bibliothek von ihrer Reise nach Marokko.

Carolin Frühauf erzählte in der Bibliothek von ihrer Reise nach Marokko.

Innenstadt – „Wer von Euch hat schon eine Urlaubsreise dieses Jahr gebucht?“ Sofort schnellen unzählige Hände in die Höhe. Es ist die stumme Antwort auf eine durchaus berechtigte Frage, schließlich hat die klirrende Winterkälte an diesem Donnerstagabend bereits ein paar Eisblumen an die Fenster der Kölner Zentralbibliothek gezaubert.

Wo soll es hingehen?

Wie ließe sich also der grauen Tristesse besser entkommen, als sich in die Sommerfrische zu träumen. Schließlich ist es drinnen – passend zum Reise-Motto des „Travel Slam“ – wohlig warm, und der Gedanke an Ferien in der Karibik oder an der Mittelmeerküste scheint auch dem Lichtverdrossensten sonnige Gedanken und entspanntes Fernweh ins Gemüt zu zaubern. Das weiß Moderator Alexander Königsmann für sich zu nutzen.

Galant tänzelt er kurz ums Mikrofon herum, bevor er zum Publikum eilt. „Sie da, wo soll es hingehen?“ Die Angesprochene heißt Ina, sie gibt nur zögerlich Auskunft. „Im August nach Kroatien“. Zu wenig Publikumskontakt für Königsmann, der seinen Lautsprecher an diesem Donnerstagabend auf alle richtet, die zu lange Blickkontakt mit ihm aufnehmen.

So läuft der Travel Slam ab

Sein nächstes Opfer heißt Irmgard, ist ihres Zeichens Rentnerin und zum ersten Mal Besucherin des „Travel Slam“. Dabei, unterbricht der Moderator sie, sei dies bereits die zwölfte Auflage des Wortduells. Zugegeben: Königsmann kitzelt mit Leichtigkeit die Zukunftspläne aus so manchem Reisehungrigen und Abenteurer heraus, doch eigentlich geht es um handfeste Reiseberichte.

Drei Slammer sollen in 15 Minuten von ihren Erfahrungen in der Fremde erzählen, anschließend kürt das Publikum – längst selbst zum Herzstück des Abends geworden – einen Gewinner.

Die Qual der Wahl

Diesmal hat das Auditorium die Wahl zwischen der Kunsthistorikerin Marina Bergmüller, der Tourismus-Studentin Carolin Frühauf und der Bloggerin Tanja Ney, die allesamt ihr Viertelstunden-Ziel deutlich verfehlen. Sei’s drum. Schließlich wäre es um jede Sekunde schade.

Trotz Anlaufschwierigkeiten meistert Bergmüller ihre Bühnenkür als erste Starterin und entführt aus der eisigen Kölner Winterkälte in die St. Petersburger Frühlingskälte. Und damit in eine der westlichsten der osteuropäischen Städte. Wer nur Zwiebeltürme erwarte, sei in „Piter“, wie die Einheimischen die Stadt liebevoll nennen, falsch, glaubt die gebürtige Russin Marina.

Junge Slammer entführen in weite Welten

In blauen Gummistiefeln erkundete sie erstmals im April 2008 die verschneite Metropole, zeigt Bilder von Kirchen, die von einer kunterbunten sakralen Bilderflut übersät scheinen und gibt schließlich noch einen Tipp an das Publikum weiter: „Achten Sie vor der Abreise unbedingt darauf, warme Kleidung einzupacken. Das kalte Petersburger Klima wird oft unterschätzt.“

Die Kälte sei in Marokko kein Problem gewesen, kontert Carolin Frühauf, die auf den Spuren des nachhaltigen Tourismus allein durch das nordafrikanische Land reiste. Und ebenso arme wie herzenswarme Menschen traf.

Ungeteilte Aufmerksamkeit für fesselnde Berichte

Unverkrampft und offen entführt Frühauf in vielfarbige Märkte, auf denen blutiges Fleisch ohne Kühlung verarbeitet wird und deren würzige Düfte schwer die Luft durchziehen.

Und in Bergdörfer, in denen blonde und rothaarige Berber ihr einfaches Leben mit Arbeit und Gesang meistern. Die junge Slammerin ermöglicht einen launigen Einblick in eine Welt, die so fern und exotisch, aber unendlich vielfältig und genussvoll erscheint. „Shukran!“ Als sie mit dem arabischen „Dankeschön“ schließt, weiß sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des Auditoriums hinter sich.

Mit Fahrrad durch das Land des Feuers

Große Fußstapfen, in die sich Tanja Ney auf ihrem Weg in den Norden nun wagt. Die Abenteurerin begleitete ihre Radtour durch das Land des Feuers – „Es ist im Sommer angenehm warm dort!“ – mit der Kamera.

Und entführt so auch das Publikum in weite grüne Landschaften mit mehr Ponys als Menschen, in sanft rauschende Fjorde, Starkregen und den berüchtigten isländischen Gegenwind. Steigungen bis zu 30 Prozent und Toilettenkrisen werden zum Gradmesser für den Aufstieg und Verfall der Ney’schen Gemütsstimmung. „Irgendwann war ich mit meiner Kraft am Ende“, gesteht der Reiseprofi. „Doch dann kam es anders.“

Das Ende bleibt sie schuldig, denn nun pfeift schon Alexander Königsmann zur Siegerehrung. Per Handmeldung zählt nun jede Entscheidung. Schnell steht fest: Mit knappem Vorsprung lässt die Marokko-Hitze das kalte St. Petersburg und die klammen Nieseltage Islands hinter sich. Und beinahe scheint es, als hätten die Kölner an diesem Abend nicht nur für den Charme und Ideenreichtum Frühaufs, sondern auch gegen den Winterfrost gestimmt.

Der nächste Kölner Travel Slam findet statt am Donnerstag, 16. März, 20 Uhr in der Zentralbibliothek, Josef-Haubrich-Hof 1. Ein Science Slam, bei dem Nachwuchswissenschaftler ihre Projekte möglichst unterhaltsam vorstellen, findet statt am Mittwoch, 1. Februar, im Deutzer Gebäude 9. Einlass ist um 19.30 Uhr, Karten kosten 9/7 Euro.

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