Ungewöhnliches HobbyKölnerin baut Totenschreine für erfundene Verstorbene

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Ulrike Freemann in ihrem Atelier

Köln – Ulrike Freeman folgt einer ungewöhnlichen Passion. Sie begann damit, dass sie Holzkästen baute und sie mit Gegenständen bestückte, die fiktive Lebenswege illustrieren. Plattgefahrene Kronkorken, Fotos oder rostige Nägel kamen bei ihren Installationen zum Einsatz. Inspiriert wurde sie von Grabsteinen in Mittelamerika, Südamerika und Mittel- bis Südosteuropa. Oft mit Nischen für Erinnerungsstücke versehen, geben sie Auskunft über Vorlieben und bedeutsame Ereignisse im Leben des Toten, liefern Fragmente seiner Vita. Mit demselben Ziel geht Ulrike Freeman an ihre Schöpfungen. Ihre Totenschreine sollen „eine Geschichte ohne Worte“ erzählen und Raum für Assoziationen schaffen.

Aus Thüringen stammend, studierte die heute 43-Jährige in Würzburg Kommunikationsdesign. Nach Köln kam sie wegen eines Praktikum-Semesters. Bereits während ihrer ersten Anstellung in einer Werbeagentur drängte es sie zu handwerklichen Tätigkeiten als Ausgleich zur Computerarbeit. „Ich hatte schon immer das Bedürfnis, etwas mit den Händen zu machen. Mit den Kästen habe ich eine Möglichkeit gefunden, worin ich alle Fähigkeiten verarbeiten kann.“

Durch ihr Studium war Ulrike Freeman in Sachen Darstellungsformen bestens gerüstet, einen großen Teil ihrer handwerklichen Fertigkeiten erwarb sie allerdings an ganz anderer Stelle. „In meiner Kindheit habe ich viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht.“ Ihre Großmutter habe ihr all die typischen Handarbeitstechniken wie Nähen, Stricken und Häkeln beigebracht.

Fiktive Fundstücke als Überbleibsel eines erfundenen Lebens

In Deutz bewohnt sie eine mehrstöckige Wohnung mit Mann und zwei Kindern. Direkt unterm Dach befindet sich das Herz ihres Ateliers. Hier entwickelt sie ihre Ideen und setzt sie mittels Kleber, Skalpell, Pinzette und Nähmaschine um.

An den Totenschreinen reizt sie nicht etwa die Nähe zum Morbiden. „Ich finde es einfach interessant, etwas mit einer Bedeutung aufladen zu können und mit ganz vielen Darstellungsformen zu arbeiten“. Das vergilbte Foto eines Mädchens mit Hund bildet den zentralen Blickpunkt in einem ihrer Kästen. Ein Schloss, ein Kreuz und ein Kaffeelöffel zieren das mit einem Pariser Metrofahrplan ausgeschlagene Behältnis. „Fiktive Fundstücke einer Person“ nennt sie die zusammengetragenen Gegenstände, sie erzählen eine „Biografie ohne Worte“.

Die Fantasie entfacht sich beim Anblick des Arrangements von ganz allein. Unwillkürlich beginnt man sich zu fragen, welche Bedeutung die verschiedenen Gegenstände im Leben des namenlosen Mädchens hatten. Was Ulrike Freeman bei der Kreation einer Vita an Fundstücken fehlt, macht sie kurzerhand selbst. So nähte sie bereits Totenhemdchen und andere Kleidungsstücke. Ihre möblierten Kästen, eine Art Puppenhausvariation, fordern wiederum andere handwerkliche Fertigkeiten. Für sie stellt Freeman Möbel und Wohnaccessoires her. Eine Auftragsarbeit brachte ihr die Idee nahe, ganze Wohnräume als Szenario für eine Geschichte zu schaffen. Gewünscht war ein Umfeld, in dem ein Backenzahn eine Hauptrolle spielen konnte. Freeman entwickelte aus der Vorgabe das Zimmer eines Bildhauers für Zähne – mit Bildern mit Knochenfragmenten, einer Skizzenmappen, einer Kiste mit unbekanntem Inhalt, Werkzeugen auf einem Arbeitstisch.

Ihr derzeitiges Steckenpferd sind Miniaturdarstellungen in kleinen Glaskästchen. „Das Oberthema ist Kirmes - ein Ort, wo es blinkt und glitzert.“ Auch für dieses Projekt hat sie ihren handwerklichen Horizont erweitert: Für die Beleuchtung ihrer Schaukästen beschäftigt sie sich mit Elektronik, sie verkabelt ihre Objekte eigenhändig. Eine Popcornbude unter einer winzigen Glaskuppel springt so noch leichter ins Auge, eine Autoscooter-Bahn leuchtet sozusagen von innen. Selbstverständlich stammen die bunten Fahrzeuge ebenfalls aus ihrer Werkstatt – und zwar vom Modell über einen Abguss bis zum fertigen Unikat.

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Wer sich für Ulrike Freemans Werke interessiert oder eines ihrer Stücke erwerben will, kann sich im Internet auf ihrer Website informieren. Ihre Instagram-Seite klärt täglich darüber auf, was sich in ihrer Werkstatt getan hat. Sie sucht nach Ausstellungsmöglichkeiten, um ihre Arbeiten zu zeigen .

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