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Urlaub in der StadtIn diesem Veedel gehören Rhein-Idyll und Großbauten zusammen

Lesezeit 6 Minuten
Deutz Lanxess Kirche

Alt St. Heribert und das Lanxess-Gebäude in Köln-Deutz

  • Deutz ist ein Viertel voller Geschichte, Kontraste und traumhafter Aussichten.
  • Großbauten prägen das Stadtbild – aber es gibt auch Traditionelles zu entdecken.
  • Ein Besuch in Düx und seinen unbekannten Seiten.

Köln-Deutz – Alles begann in Deutz mit einer Brücke. Um das Jahr 310 errichteten die Römer einen Übergang über den Fluss ans rechte Rheinufer, um mit den Germanen zu handeln und sie bei Aufständen schnell attackieren zu können. Um die Brücke zu sichern wurde ein Kastell gebaut, das castrum divitensium, abgekürzt Divitia – aus dem sich der Name Deutz entwickelte.

Von dem römischen Kastell ist fast nichts mehr zu sehen. Als der Rheinboulevard 2010 bis 2015 errichtet wurde, machte sich der Förderverein Historischer Park dafür stark, möglichst viele der Bodendenkmäler im Baufeld öffentlich zu zeigen. Gelungen ist das nur ansatzweise. Die Steine des römischen Osttors ragen einen halben Meter aus dem Boden, ebenso Fragmente eines preußischen Bahndamms und eine Drehscheibe aus dem 19. Jahrhundert, die zu einer preußischen Eisenbahn gehörte. Die Umrisse des Kastells sind auf dem Boden nur markiert. Auf dem Areal wurde auch die Kirche Alt St. Heribert 1020 gegründet, die nun 1000 Jahre alt wurde. Allerdings wurde das Gebäude mehrmals zerstört und neu aufgebaut. Im Gewölbekeller sind originale Reste einer römischen Mauer zu sehen. Heute ist es Domizil einer griechisch-orthodoxen Gemeinde.

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Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Unsere Reporter stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor – solche, die sie besonders gut kennen, und solche, die sie schon immer mal besuchen wollten. Wir schildern, was wir schön finden, wo es besonders lecker ist und verraten unsere Lieblingsplätze, ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. (red)

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Der schönste Weg vom Rheinboulevard in den Deutzer Norden führt am Rhein entlang. Hier plätschern Wellen sanft ans Ufer, Schiffe ziehen vorbei, Möwen schreien über das Wasser. Hier suchen Menschen am Ufer nach Treibgut, tollen Hunde mit ihren Besitzern herum. Vorbei geht es an den Rheinterrassen, dem Tanzbrunnen und dem Beach Club 689, wo deutlich weniger Menschen den Blick auf das schöne Altstadt-Panorama genießen als vor der Pandemie.

Fast übergangslos kommt man in den Rheinpark, den schon die Preußen von 1907 bis 1913 nach Plänen von Gartenbaudirektor Fritz Encke errichteten. Geprägt wird der Park durch die Bundesgartenschau von 1957. Heute noch dominieren Blumenbeete das Areal. Es gibt einen kleinen Rosengarten, Palmen und andere mediterrane Pflanzen, zahlreiche Brunnen und Skulpturen etwa von Gerhard Marcks. Im Norden schweben Seilbahn-Gondeln durch die Luft, auf kleinen Weihern ziehen Gänse und Enten zwischen Seerosen ihre Bahnen. Lediglich das von Baugerüsten umgebene Parkcafé stört den friedlichen Blick.

Aber nicht nur Idylle prägt Deutz, sondern auch Handel, Gewerbe und Verkehr. Die Messe mit ihren elf Hallen kann man auf dem Rückweg betrachten. 80 Messen und 2000 Kongresse werden pro Jahr ausgerichtet, 400 Millionen Euro Umsatz wurden 2019 erwirtschaftet. 54500 Unternehmen stellten Waren aus, die drei Millionen Besucher auf 300000 Quadratmetern Fläche sehen konnten. Zahlen der Superlative. Im Vorfeld der Eröffnung der neuen Hallen 2005 (in die alten zog 2010 RTL) hatte es Kritik gegeben: Die Stadt hatte das Areal für 67 Millionen Euro an den Oppenheim-Esch-Fonds verkauft und anschließend für 30 Jahre und 20,7 Millionen Euro im Jahr zurückgemietet. Zu teuer, lautete die Kritik.

An der Messe erinnert eine Tafel an schlimmere Tage: Denn während des Zweiten Weltkrieges dienten die Hallen als Kriegsgefangenenlager, später als Sammelstelle, um Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Menschen zu inhaftieren und in Konzentrationslager zu deportieren. Östlich ans Messegelände grenzt der Bahnhof Deutz-Tief, von dem die Züge abfuhren, die die Gefangenen in die Konzentrationslager brachten.

Die barock-klassizistische Empfangshalle am Ottoplatz von Hugo Röttcher mit der prägenden Kuppel ist einer der schönsten Bauten in Deutz. 1913 wurde der Bahnhof eröffnet und ersetzte kleinere Stationen, die es zuvor in Deutz gegeben hatte. Mit dem Ausbau der ICE-Trasse von Köln nach Frankfurt erhielt der Bahnhof eine größere Bedeutung. Direkt gegenüber liegt eines der schönsten Hochhäuser Kölns. Das „Köln-Triangle“ misst 103 Meter in der Höhe und bietet Besuchern auf einer Plattform einen tollen Ausblick.

Ein Besuch beim Bock

Weitere Großbauten prägen das Bild des Viertels. Die Lanxess-Arena etwa. Deutschlands größte Veranstaltungshalle wurde 1998 mit einem Konzert von Operntenor Luciano Pavarotti eröffnet. Hier spielen internationale Popstars, kölsche Musikbands und die Eishockeyspieler der Kölner Haie. Bis zu 18000 Menschen passen in den Event-Palast. Der Bogen über dem Dach ragt 76 Meter in den Himmel über Deutz. Im benachbarten Stadthaus arbeitet ein guter Teil der 17000 städtischen Mitarbeiter. Östlich davon liegt der Deutzer Campus der Technischen Hochschule, der mit 26000 Studierenden größten Fachhochschule Deutschlands.

Abseits der Superbauten, rund um die Deutzer Freiheit befindet sich das alte Deutz. Hier trifft man auf den Düxer Bock, eine Skulptur von Gerhard Marcks, die an eine legendäre Familienfehde im Viertel erinnert. Hier befindet sich das mindestens so legendäre Gasthaus Lommerzheim, das Inhaber Hans Lommerzheim von 1959 bis 2004 führte und das nun von der Brauerei Päffgen betrieben wird. Hier wurde auch der Düxer Dom (St. Heribert) von 1891 bis 1896 im neuromanischen Stil errichtet, wo es vor allem den goldenen Schrein mit den Reliquien des Kölner Erzbischofs Heribert zu bestaunen gilt. Wem das zu langweilig ist, der trinkt einfach einen Cappuccino zum Beispiel in der „Villa Mathilde“, die sich im Retro-Stil präsentiert. Das „Heimisch“ auf der Deutzer Freiheit kommt moderner daher.

Tipps

Der Förderverein Historischer Park führt über das Areal am Rheinboulevard. Die Plattform des Köln-Triangle steht am Wochenende und feiertags von 12 bis 17 Uhr Besuchern offen. Eintritt: drei Euro. Die Synagogen-Gemeinde bietet Führungen über den jüdischen Friedhof Deutz an. Café Mathilde, Mathildenstraße 27, Di-So. 10.30 bis 18 Uhr.

Café Heimisch, Deutzer Freiheit 72-74, tägl. 9 bis 18 Uhr.

Im Deutzer Süden schmiegen sich die Poller Wiesen an den Rhein. Auf der anderen Seite der Halbinsel werden wohl nur Industrieromantiker auf ihre Kosten kommen. Nachdem man die Drehbrücke (1907) passiert hat, erinnert der Hafen daran, dass Köln der zweitgrößte Binnenhafen Deutschlands ist. Hier liegen Lastschiffe und kleine Jachten träge im Wasser, stehen rostbraune Eisenbahnwaggons in der Sonne. Im Hintergrund fahren Kräne hinab und reißen aus Bergen von Schrott Stücke heraus. All das wird es künftig nicht mehr geben: Aus dem Areal soll in den kommenden Jahren ein Wohn- und Büroviertel werden.

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Zum Abschluss ein Ort der Ruhe: Der jüdische Friedhof am Judenkirchhofsweg wurde 1695 von Erzbischof Clemens den Juden verpachtet. Hier sind Isaac Offenbach, dessen Sohn Jacques Offenbach weltberühmt wurde, und David Wolfssohn, Nachfolger von Theodor Herzl in der zionistischen Bewegung, begraben. Der Friedhof, der absichtlich in einem naturnahen Zustand belassen wurde, wurde 1918 geschlossen, seitdem gibt es einen jüdischen Friedhof in Bocklemünd.

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