Verkaufen verbotenWie aus den Reben verschiedener Veedel kölscher Wein wird

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Thomas Eichert pflegt seine Trauben.

Thomas Eichert pflegt seine Trauben.

  • Zum Ende des Sommers steckt der Stadtwinzer Thomas Eichert mitten in der Herstellung des neuen Jahrgangs.
  • Dabei arbeitet er mit verschiedenen Traubensorten, die er in verschiedenen Veedeln aberntet.
  • Warum Eichert nur Wein für Freunde herstellt und wie er zu dem Hobby gekommen ist – wir haben ihn in der Südstadt besucht.

Südstadt – Erst vor zehn Jahren hat Thomas Eichert seine größte Leidenschaft entdeckt. Seitdem hat der 57-Jährige mehr Wein produziert als so manche Familien-Kelterei in der Toskana.

1000 Flaschen Rot- und Weißwein sind mittlerweile zusammengekommen, sein Keller steht voll mit edlen Tropfen der letzten Jahrgänge. Zum Ende des Sommers steckt der sogenannte „Stadtwinzer“ wie in jedem Jahr mitten in der Herstellung des neuen Jahrgangs – seine Wohnung ist mit Auffangtöpfen, der Weinpresse und der riesigen Wanne zum Entrappen der frisch gepflückten Trauben vollgestellt. Überall blubbert und gärt es in den großen Ballons und trotz täglichen Putzens kleben die Holzdielen vom zuckrigen Saft der Trauben.

Das Wetter war vielversprechend

Obwohl die Kelterei für Eichert viel Arbeit bedeutet – keinen Moment wirkt der gebürtige Stuttgarter angestrengt. Er ist erleichtert, denn das Jahr war gut. „Das Wetter war mit den hohen Temperaturen und der Trockenheit sehr vielversprechend für meine Schätze“, so der Stadtwinzer. „2019 könnte einige Spitzenweine hervorbringen.“

Thomas Eichert beim Mischen des Traubenmosts.

Thomas Eichert beim Mischen des Traubenmosts.

Doch nicht jede Traubensorte hat das Jahr gut überstanden, manchen der Bio-Rebsorten hat die Hitze schwer zugesetzt. Eichert: „Aber ich baue ohnehin jedes Jahr mehrere Sorten an, um so das Risiko zu verteilen – von Cabernet Cortis über Monarch bis Sauvignon Gris ist alles dabei.“ Die verschiedenen Weinsorten zieht er auf rund 30 Grundstücken in ganz Köln heran.

Weintrauben gegen Hälfte des Weins

Ob in Nippes, Porz, Lindenthal oder der Südstadt – überall hat der Stadtwinzer mit Privatpersonen einen Deal. Er darf ihre Weinreben abernten, dafür erhalten sie die Hälfte des Weins, den er aus den Trauben gewinnt. Bei der Abmachung ist Eichert auch gerne nachsichtig: „Manchmal fragen mich die Besitzer auch Jahre später noch nach einem vergangenen Jahrgang. Wenn ich dann noch eine Flasche vorrätig hab, helfe ich damit natürlich gerne aus.“

Trauben wachsen zuhauf an seiner Hausfassade.

Trauben wachsen zuhauf an seiner Hausfassade.

Beigebracht hat sich der findige Autodidakt, der auch schon als Vogelhändler und Hausdiener tätig war, die Kelterei mithilfe von Büchern und Internet-Tutorials. „Ich habe nie einen Kurs oder einen Lehrgang besucht. Nur in der Schule hatte ich ein paar Stunden zum Thema alkoholische Gärung, da hab ich damals gut aufgepasst“, verrät Eichert mit einem Augenzwinkern.

Wein an der Hausfassade

Aufmerksam wurde er auf sein heutiges Lieblingshobby vor knapp 20 Jahren durch seinen Nachbarn Vittorio. Er zog in seinem Innenhof Trauben, die er Eichert zur Marmeladen-Herstellung überließ. Trotz der schattigen Lage gediehen die süßen Früchte hervorragend. „Ich konnte gar nicht alle Trauben zu Marmelade weiterverarbeiten, so viele waren das“, erinnert sich der Stadtwinzer. „Deshalb fing ich an, sie zu keltern.“ Mit Erfolg. Zum Dank schenkten ihm Nachbarn eine kleine Weinrebe. „Die ziert heute meine gesamte Hausfassade“, freut sich Eichert. „Nur leider weiß ich bis heute nicht, welche Sorte ich dort kultiviere – das Namensschildchen haben wir damals direkt weggeschmissen.“

Mit der Weinpresse begann alles.

Mit der Weinpresse begann alles.

Mittlerweile ist der ungewöhnliche Winzer aus Leidenschaft nicht nur in der Südstadt bekannt. Auch Stadtführer haben Eicherts Wohnungsfront mit der 30 Meter breiten Weinrebe schon für sich entdeckt.

Vor allem bei sonnigem Wetter ist seine Hausfassade eine Sehenswürdigkeit. „Allein der Anblick der Reben macht in der Sonne schon einiges her“, so Stadtführer Angelo Pizzulli. „Wenn Thomas dann noch von der Geschichte des Weins in Köln und seinem Werdegang zum Stadtwinzer erzählt, sind die Besucher gefesselt.“

Aus dem Fenster heraus berichtet er „Freunden“ von seiner Winzer-Leidenschaft.

Aus dem Fenster heraus berichtet er „Freunden“ von seiner Winzer-Leidenschaft.

Beliebt sind neben den Erzählungen, die der Stadtwinzer aus dem Wohnzimmerfenster zum Besten gibt, auch die Kostproben seiner Weine. Dazu gibt es aber eine Bedingung – zunächst müssen die Gäste ihm ihre Freundschaft aussprechen. Denn seine edlen Tropfen darf Eichert nur an Freunde und Verwandte austeilen. Für den sonstigen Absatz seiner Weine fehlt ihm die Erlaubnis. „Ich darf die Flaschen auch nicht entsprechend etikettieren.

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Denn das wäre ein Zeichen dafür, dass ich meine Weine in Umlauf bringen wollte“, erklärt Eichert. Eine gesetzliche Ausnahme davon bilden der Freundeskreis und die Familie. „Jeder, der meinen Wein probieren möchte, muss sich also vorher mit mir anfreunden.“ Damit dürfte Eichert nicht nur der einzige Stadtwinzer Kölns sein – vermutlich ist er auch der Kölner mit den meisten Freundschaftsanfragen der Stadt.

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