InterviewWarum die Kölnerin Yasmine M'Barek erfolgreich auf Instagram ist

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Yasmine M'Barek äußert sich im Internet zu politischen Themen. 

  • Die Kölner Bloggerin Yasmine M'Barek spricht sich offen gegen Diskriminierung aus.
  • Sie sagt: People of Colour und Frauen mit Hijab werden bei uns systematisch ausgegrenzt.
  • Sie fordert außerdem dazu auf, sich mehr mit den eigenen Privilegien zu beschäftigen.

Innenstadt – Frau M'Barek, Ihnen folgen mehr als 15.000 Menschen auf der Social-Media-Plattform Instagram. In Ihren Storys kommentieren Sie beispielsweise den Mautskandal rund um Andreas Scheuer und sprechen über Kevin Kühnert und die Enteignungsdebatte. Wie fühlt sich das an, wenn quasi eine ganze Kleinstadt sich anhört, was Sie zu sagen haben?

Yasmine M'Barek: Mir folgen viele sehr reflektierte und kluge Leute, die mich konstruktiv kritisieren. Mit denen kann ich mich gut austauschen. Aber 15.000 ist wirklich sehr viel. Du setzt dich Tausenden verschiedener Meinungen aus. Da ist auch viel Hass dabei.

Diese negativen Kommentare halten Sie aber nie davon ab, etwas zu posten, was Sie für richtig halten?

Es gibt bestimmte Themen, über die ich nicht spreche. Manche stehen für mich einfach gar nicht zur Debatte und bei anderen bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Ich würde mich zum Beispiel niemals umfassend zum Palästina-/Israelkonflikt äußern. Instagram ist dafür einfach nicht der richtige Ort und ich kenne mich zu wenig aus.

Sie haben einst mit einem Modeblog begonnen. Jetzt ist Politik Ihr Thema. Wie kommt das?

Früher habe ich mir das gar nicht zugetraut. Ich habe mich aber immer für Politik interessiert, später dann auch für Identität. Irgendwann habe ich gesehen, dass das politische System in Deutschland nicht immer so rosig ist, wie es scheint. Ich habe gesehen, wie ich und andere marginalisiert werden. Und dann habe ich angefangen, darüber zu sprechen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wann haben Sie das erste Mal richtig viel Aufmerksamkeit bekommen?

Richtig Fahrt aufgenommen hat das nach den Ereignissen in Chemnitz. Die Politik ist zu locker mit der Geflüchtetenthematik umgegangen. Das in Chemnitz hatte nicht nur mit Nazis, sondern auch mit der basisdemokratischen Regierung zu tun. Da hast du das Gefühl, Menschen wie People of Colour und Frauen mit Hijab werden im politischen System nicht für wichtig genommen. Da habe ich gemerkt, dass es meine bürgerliche Pflicht ist, das anzusprechen und genau das hab ich dann auch getan. Da habe ich das erste Mal so richtig bemerkt, dass es mich persönlich was angeht, wenn Menschen in meiner politischen Landschaft nicht sicher sind.

Was möchten Sie mit Ihrem Instagram-Account erreichen?

Instagram ist für mich der Ort, an dem ich sagen kann, was ich möchte. Hier kann ich selbst etwas Neues dazu lernen und durch meine Bilder und Texte kreativ werden.

Über welche Reaktionen Ihrer Abonnenten freuen Sie sich?

Wenn Leute mir schreiben: „Danke, dass Du das ausgesprochen hast. Ich hatte dafür keine Kraft.“ Oder wenn mir jemand schreibt, er engagiert sich jetzt dank meiner Story politisch in einer Partei. Das sind Momente, in denen ich mich freue. Viele teilen auch ihre Erfahrungen mit Diskriminierung mit mir.

Sie kritisieren oft, dass Medien nicht divers genug seien. Wie könnte man das ändern?

Indem wir die Frau mit Kopftuch nicht nur über den Islam schreiben lassen. Oft führen automatisch weiße Männer die Interviews mit hochrangigen Politikern. Warum macht das keine jüdische Frau? Warum macht das keine schwarze Frau? Wir sollten nicht aufgrund der Herkunft oder des Geschlechts entscheiden, wer was schreiben oder sagen darf. Das muss nach Kompetenz und Berufsweg gehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Momentan entscheiden wir also nicht nach Kompetenz und Ausbildung?

Nein, auf keinen Fall. Ich merke das selbst bei einigen Anfragen. Da werde ich gefragt: Kannst du mal was zum Ramadan schreiben? Ich möchte nach meinem Fachwissen beurteilt werden und nicht nach meiner Religion oder Herkunft.

Nun gibt es aber auch viele weiße Männer, die sich gegen solche Vorwürfe wehren, weil sie ja nichts für ihre Privilegien können.

Das stimmt. Aber Du kannst etwas dafür, wenn das System so bleibt. Bei Studiengängen, bei Einstellungstests, einfach überall, vertrauen die Menschen immer wieder dem Modell „Weißer Mann“. Dieser Problematik müssen wir uns bewusstwerden.

Ist es einfacher, im Internet auf solche Probleme aufmerksam zu machen als im analogen, wirklichen Leben?

Definitiv. Im echten Leben stoße ich schnell schon einmal auf einen gewissen Schutzpanzer. Zum Beispiel in der Uni: Wenn ich hier mit männlichen weißen Studenten in einer Gruppe diskutiere, dann sind sie ja schon in der Mehrheit. Im Internet lesen sich die Leute meine Texte dann vielleicht zwei-, dreimal durch und suchen nach weiteren ähnlichen Meinungen.

Wie können wir denn Vorurteile abbauen?

Indem wir divers denken. Es existiert nicht nur das eigene Weltbild. Im deutschen Bildungssystem sprechen wir nur über europäische Werte und Geschichte. Das müssen wir ändern.

KStA abonnieren