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Interview mit Franz-Josef Antwerpes„Oberbürgermeister hätte ich mir jederzeit zugetraut“

Lesezeit 5 Minuten
Franz-Josef Antwerpes, Ex-Regierungspräsident.

Franz-Josef Antwerpes, Ex-Regierungspräsident.

Köln – Herr Antwerpes, Sie interviewen regelmäßig Prominente für die »Aachener Zeitung«. Wer ist als Nächstes an der Reihe?

Ich plane ein Gespräch mit fünf 80-Jährigen, alles ehemalige Größen aus der Aachener Politik. Es war nicht so einfach, die zusammenzubringen. Jeder behauptet von den anderen, sie seien tüdelig.

Wäre der 76-jährige Hellmut Trienekens nicht ein interessanter Gesprächspartner für Sie? Den haben Sie vor seiner Verurteilung im Müllskandal gerne als Ihren Musterschüler bezeichnet.

Die Idee ist mir noch nicht gekommen.

Franz-Josef Antwerpes (SPD), geboren am 27. November 1934 in Viersen, war von 1978 bis 1999 Regierungspräsident in Köln. In diesem Amt widmete sich der Volkswirt verstärkt dem Thema Sicherheit im Straßenverkehr. Nicht selten wirkte er bei Polizeikontrollen mit. Für Schlagzeilen sorgte auch sein Streit mit dem Künstler HA Schult, dessen Flügelauto er vom Dach des denkmalgeschützten Stadtmuseums entfernen lassen wollte. Antwerpes war zweimal verheiratet und ist vierfacher Vater. (adm)

Ist jeder sofort begeistert, wenn Sie um ein Interview bitten?

Fünf Prozent sagen ab, alle anderen machen es gerne. Mein größter Erfolg sind aber nicht die Gespräche mit Politikern, sondern meine Marmeladenrezepte, die alle zwei Jahre erscheinen. Danach laufen mir die Leser hinterher und wollen Näheres wissen.

Spricht das jetzt für die Qualität der Rezepte oder gegen Ihre Interviews?

Das Thema Essen steht bei vielen eben ganz oben. Vor kurzem habe ich im Fernsehen mit einem Konditormeister Baguette gebacken. Es hat mich nämlich schon immer geärgert, dass die Bezeichnung Baguette für die Brote, die in Deutschland verkauft werden, irreführend ist. Deshalb habe ich mal erklärt, wie richtiges Baguette gebacken wird; und woraus es besteht, nämlich aus einer ganz gewissen Mehlsorte.

Das Schulmeisterliche haben Sie offenbar beibehalten . . .

Das hat nichts mit schulmeisterlich zu tun. Das ist mein Perfektionstrieb. Mich ärgert, dass hier Baguette verkauft wird, das aus deutschem Mehl und zu viel Hefe hergestellt wird. Man braucht dafür T 65, das ist das französische Weizenmehl, das enthält mehr Gluten und macht den Teig fluffig.

Sprechen Sie weiter, ich höre staunend zu.

Ich kenne einen Bäcker in der Nähe von Malmedy in Belgien, der das perfekte Baguette backt. Und zwar ein Baguette, das noch gleichzeitig Fett enthält. Der ist jetzt schon wieder einen Schritt weiter und verwendet Weizensauerteig. Das sei noch besser im Geschmack, sagt er. Ich werde mir das alsbald besorgen.

Als Sohn eines Bäckers befinden Sie sich ja in vertrautem Metier.

Meine Familie ist seit 400 Jahren Bäcker. Auch ich habe immer gerne gebacken, es liegt im Blut.

Repräsentanten statt Verwaltungschef

Wechseln wir mal vom Handwerk zur Politik. Wird Köln heute besser regiert als zu ihrer Amtszeit?

Ich glaube, dass die Kölner Verwaltung in den zurückliegenden zehn Jahren nicht geführt worden ist. Die Oberbürgermeister waren mehr Repräsentanten als Verwaltungschef. Und hier gehört ein Verwaltungschef hin. Einer der von der Pike her weiß, wie das läuft, nicht irgendein Lehrer.

Oberbürgermeister Jürgen Roters verfügt über jede Menge Verwaltungserfahrung. Er war Polizeipräsident und später Ihr Nachfolger als Regierungspräsident.

Herr Roters ist ein netter Mensch, aber er hat nie kommunale Verwaltung erlebt. Das muss man aber als Oberbürgermeister. Der Bürger hockt einem direkt auf dem Schoß. Wenn Sie in der Bezirksregierung oder einem Ministerium arbeiten, ist der Bürger weit weg.

Hätten Sie sich den OB-Posten zugetraut?

Jederzeit. Was mir nicht so passen würde, wären die repräsentativen Aufgaben, die mich von der Verwaltungsarbeit abhalten würden.

Ihre öffentliche Auftritte haben Sie aber immer genossen, etwa bei Ihren LKW-Kontrollen auf der Autobahn.

Natürlich habe ich das auch genossen. Wenn Sie etwas im großen Maße durchsetzen wollen, dann können Sie das nicht ohne Medien.

Jetzt könnten Sie es doch zugeben: Haben Sie als Regierungspräsident Fehler gemacht?

Sehr wenige. Mein größter Fehler war, an einem Karfreitag die Oper Peter Grimes zu verbieten. Meine Leute haben mir gesagt, nach dem Sonn- und Feiertagsgesetz dürfen an dem Tag nun einmal keine Opern aufgeführt werden. Da ich Peter Grimes nicht kannte, wusste ich nicht, dass diese Oper trauriger ist als die Matthäus-Passion.

Sie wälzen sich ja geradezu in Selbstkritik.

Ich habe nur deshalb sehr wenig Fehler gemacht, weil mich meine Mitarbeiter davon abgehalten haben. Mein persönlicher Referent sagte mal zu mir: Sie haben immer so gute Ideen – aber 95 Prozent davon sollte man vergessen.

Zipperlein und Wehwehchen

Wird der pensionierte Kurfürst noch auf der Straße angesprochen?

Das passiert regelmäßig. Unlängst sagte mir jemand während eines Kurzurlaubes an der Ems: Sie hören sich so an wie der Kölner Bürgermeister, der immer so eine große Klappe hatte und die Autobahn gesperrt hat. Da sagte ich zu ihm: Die große Klappe steht vor Ihnen.

Wann haben Sie selber festgestellt, dass Sie alt geworden sind?

So einen richtigen Einschnitt habe ich gar nicht erlebt. Man merkt es einfach. Hier ein Zipperlein, da ein Wehwehchen. Man ist empfindlicher, vergisst schon mal Namen. Beim Joggen lasse ich es ruhiger angehen. Andererseits rege ich mich weniger auf als früher.

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Mit einem Brunch im Restaurant. Keine Offiziellen, keine Festrede.

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