Interview mit Wohnungsamtschef„Bauen wird jetzt unheimlich teuer“

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Neubau Sürth 2907

Blick auf das Neubaugebiet Sürther Feldallee / Butterblumenweg im Stadtteil Sürth (Symbolbild)

  • Nach sieben Jahren als Chef des Wohnungsamtes und mehr als 40 Jahren im Dienst der Stadt, verabschiedet sich Josef Ludwig in den Ruhestand.
  • Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger schaut er kritisch darauf, was die Stadt in der Flüchtlingskrise 2015 falsch gemacht hat und was man daraus in der aktuellen Ukraine-Krise gelernt hat.
  • Warum das Kölner Baulandmodell ein Erfolg ist und warum es trotz des Mangels an Sozialwohnungen nicht ohne Risiko ist, die derzeitige Investoren Auflage von 30 Prozent sozialen Wohnungsbau aufzustocken.
  • Warum es so schwer ist den, die illegale Mietnutzung durch Airbnb einzudämmen und welche Erfolge Köln dabei erzielt hat.

Köln – Herr Ludwig, Sie haben das Amt als Leiter des Wohnungsamtes 2015 angetreten – kurz bevor die erste Flüchtlingskrise die Stadt vor bisher ungekannte Herausforderungen gestellt hat. Wie schauen Sie zurück auf den turbulenten Einstieg? Josef Ludwig: Es war eine herausfordernde Zeit mit viel Stress und vielen kurzfristigen und manchmal auch unangenehmen Entscheidungen. Zum Beispiel die Belegung der Turnhallen mit Geflüchteten, womit wir dem Schul- und Vereinssport keinen Gefallen getan haben. Aber es gab damals keine andere Möglichkeit.

Das lag aber mit daran, dass die Stadt ausgerechnet vor Beginn der Flüchtlingskrise viele Plätze in Notunterkünften abgebaut hatte, weil die zu dem Zeitpunkt nicht gebraucht wurden. Im Nachhinein ein vermeidbarer Fehler?

Das war klar ein Fehler. Keiner konnte konkret genau diese Situation voraussehen, aber auch 2015 waren auf der Welt Millionen Menschen auf der Flucht. Dass so etwas passieren konnte, war zumindest wahrscheinlich. Man hätte eine Reservehaltung betreiben müssen. Das hat man aus Kostengründen nicht getan. Wichtig ist, dass man daraus Lehren gezogen hat: Es ist jetzt fraktionsübergreifend unbestritten, dass wir dauerhaft eine Notreserve von 1500 Plätzen brauchen. Davon konnten wir jetzt zu Beginn des Ukrainekrieges profitieren.

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Wie ist die aktuelle Lage bezüglich der ukrainischen Geflüchteten?

Die 1500 Plätze der Notfallreserve haben uns in den ersten Wochen geholfen und uns Luft verschafft. Obwohl in den ersten vier Wochen des Krieges teilweise 300 bis 400 Menschen pro Tag kamen. Zum Vergleich: 2015 waren es 500 Geflüchtete in der Woche. Im Moment ist die Lage entspannt. Wir sind seit Wochen auf dem gleichbleibenden Niveau von 3900 Personen in städtischen Unterkünften. Das haben wir erst mit der Notreserve und mit der Anmietung von Hotels geschafft. Jetzt bringen wir langsam wieder eigene Unterkünfte an den Start wie etwa die Ringstraße in Rodenkirchen. So können wir die teureren Hotelplätze abbauen. Man muss aber auch sagen, dass es ein großes bürgerschaftliches Engagement in Köln gibt. Zwei Drittel der Menschen, die gekommen sind, leben bei Ehrenamtlern oder Landsleuten der ukrainischen Community.

Die Erkenntnisse der Integrationsforschung sind eindeutig: Integration gelingt in kleinen Wohneinheiten im Veedel deutlich besser als in Massenunterkünften wie der Herkulesstraße. Wie setzt die Stadt diese Erkenntnis um?

Für Krisen wird man weiter große Unterkünfte brauchen – auch um schnell reagieren zu können. Aber sobald die Situation überschaubar ist, ist immer das Ziel, möglichst kleine Unterkünfte bereitzustellen. Vor dem Ukrainekrieg hatten wir es geschafft, 85 Prozent der Geflüchteten in abgeschlossenen Wohneinheiten unterzubringen. Laut Ratsbeschluss sollten wir jedes Jahr 5 Prozent mehr schaffen. Das werden wir angesichts der aktuellen Situation nicht schaffen. Aber Ziel ist weiter, die 100 Prozent zu erreichen. Dafür bauen wir selber und schauen auch auf dem Markt, ob uns Objekte angeboten werden. Aber wir wissen nicht was kommen wird. Zum Winter hin könnten wieder mehr Menschen aus der Ukraine zu uns kommen – unter anderem, weil sie teilweise im Grenzgebiet zu Polen in Zelten leben.

Auch abgesehen von den Geflüchteten spitzt sich die Konkurrenz um Wohnraum weiter zu. Zentrales Problem ist, dass es viel zu wenig Sozialwohnungen gibt. Die Zielmarke, 1000 Sozialwohnungen pro Jahr zu fördern, hat die Stadt jahrelang gerissen….

Aber in den letzten beiden Jahren haben wir das geschafft. Man merkt nun die positiven Auswirkungen des Kooperativen Baulandmodells, das vorgibt, dass Investoren bei einem Neubauprojekt mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen vorsehen müssen. Wir liegen im Moment bei einer Quote von 6,8 Prozent sozialer Wohnungsbau in Köln. Jetzt ist die spannende Frage, wie sich die aktuelle Lage mit steigenden Baukosten und der Zinsentwicklung auf die Bereitschaft von Unternehmen auswirkt, weiter Sozialwohnungen zu bauen. Das Bauen wird jetzt unheimlich teuer.

Selbst wenn die 1000 Sozialwohnungen auch dieses Jahr erreicht werden, ist das viel zu wenig, um den steigenden Bedarf zu decken. Müsste die 30-Prozent-Quote im Baulandmodell nicht erhöht werden?

Das ist eine spannende politische Diskussion, ob die 30 Prozent geförderter Wohnungsbau ausreichen. Die Frage ist, wo die Grenze liegt, die die Bauherren mitgehen. Manche subventionieren ja den sozialen Wohnungsbau quer mit dem frei finanzierten Wohnungsbau. Ich habe keine Ahnung, ob bei 50 Prozent die Schmerzgrenze überschritten wäre. Was nützt eine höhere Quote, wenn dann die Bautätigkeit zum Erliegen kommt? Die 30 Prozent sind ja schon ganz gut. Und durch das Baulandmodell entsteht auch in Vierteln wie Lindenthal nun geförderter Wohnungsbau. Das ist wichtig für die Durchmischung.

Fehlender bezahlbarer Wohnraum fehlt vor allem in den Vierteln, in denen die Gentrifizierung weit fortgeschritten ist. In Vierteln wie in Ehrenfeld ist die angestammte Bevölkerung längst zurückgedrängt…

Das ist ein Problem, ja. Dafür gibt es das Mittel der Erhaltungssatzung. Die ist aber nur wirksam, wenn die Verwaltung die Ressourcen hat, das auch zu kontrollieren. Anfangs war das nicht so. Aber inzwischen hat man das Problem in Politik und Verwaltung erkannt.

Aber die die Debatten kommen doch meist viel zu spät. Wenn die Erhaltungssatzungen in Kraft treten – wie eben am Rathenauplatz – ist dort die Gentrifizierung schon quasi abgeschlossen. Wäre nicht viel sinnvoller, dann Erhaltungssatzungen zu beschließen, wenn sich in einem Viertel eine Entwicklung Richtung Gentrifizierung abzeichnet?

Immerhin ist ein Umdenken eingetreten. Es gibt jetzt ein oder zwei Erhaltungssatzungen pro Jahr. Es ist auch ein Irrtum zu glauben, dass soziale Erhaltungssatzungen Gentrifizierung verhindern. Sie können sie nur verlangsamen und abfedern. Und eine gewisse Veränderung von Vierteln ist ja auch sinnvoll.

In Ihre Amtszeit fiel auch der Kampf gegen die illegale Nutzung von Mietwohnungen – Stichwort Airbnb. Da sah die Bilanz zwischenzeitlich mal ziemlich desaströs aus. Wie fällt da Ihr Resümee aus?

Mittlerweile sind wir da ganz gut unterwegs. Das hängt wie so vieles mit Personal und Ressourcen zusammen. Ursprünglich hatten wir dafür nur zwei Mitarbeiter. Jetzt haben wir in dem Bereich 26 Mitarbeitende – das ist die größte Zahl in NRW. Seit diesem Monat ist auch die Gesetzgebung durch das Wohnraumstärkungsgesetz noch schärfer geworden.

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Wie viele illegale Nutzungen decken Sie denn im Jahr auf?

Das sind mehrere 100 Fälle jedes Jahr. Es sind meistens Hinweise aus der Bürgerschaft, denen die Ermittler*innen nachgehen. Manchmal sind auch größere Objekte dabei wie zum Beispiel ein Haus, in dem sich ein Bordellbetreib breit gemacht hatte. Das haben wir unterbunden. Aber klar ist auch: Ganz austrocknen können wird man diesen Markt nie.

Wie viele Wohnungen in Köln werden über Airbnb vermietet?

Laut einer Studie, die die Universität Köln für uns gemacht hat, sind es in der Stadt über 6000 Wohnungen. Das Angebot hat sich seit 2015 in der Stadt verzehnfacht.

Am Freitag ist ihr letzter Tag als Amtsleiter. Worauf freuen Sie sich in Ihrem Ruhestand am meisten?

Ich werde viel Sport machen und ein bisschen abnehmen. Und ich suche mir ein Ehrenamt.

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