Interview zum Einzelhandel„Köln muss aufpassen, dass das System nicht kollabiert“

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Die Hohe Straße in der Kölner Innenstadt an einem vollen Tag

Die Hohe Straße in der Kölner Innenstadt an einem vollen Tag

Gerrit Heinemann ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Der 58-Jährige hat sich in mehreren Büchern wissenschaftlich mit der Zukunft des Handels befasst.

Herr Heinemann, wie ist Ihr Einblick „aus der Ferne“, was den Kölner Einzelhandel angeht?

Gerrit Heinemann: Na ja, ich war ja schon im Kölner Handel tätig. Bei Kaufhof habe ich gelernt, später war ich verantwortlich für Eduard Kettner Jagdbedarf. Ein Ur-Kölner Unternehmen. Also ich bin kein Kölner, aber durch meine Vergangenheit verfolge ich die Entwicklung hier natürlich schon.

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Wie sehen Sie Köln in Sachen Einzelhandel aufgestellt?

Köln hat als eine der deutschen Metropolen grundsätzlich bessere Karten als der Rest der Republik. Das wird auch erst einmal so bleiben, da Köln ja weiter wächst, wie wir wissen.

Etwa zwei Prozent, was die Bevölkerung angeht. Und davon profitiert der Einzelhandel. Das sind schon mal Voraussetzungen, die die knapp 13 000 deutschen Städte, die keine Metropolen sind, so nicht haben.

Das hört sich nach einem großen „Aber“ an.

Trotzdem muss man in Köln differenzieren. Hier ballt sich der Einzelhandel sehr stark im Zentrum der Stadt. Dort hat Köln mit der Hohe Straße und der Schildergasse auch nach wie vor Aushängeschilder zu bieten, auch was die Anzahl der Besucher angeht. Aber: Im Vergleich zu anderen Metropolen sieht man deutlich, dass es in den Außenbezirken wesentlich anders aussieht.

Was heißt das konkret?

Köln hat also eine Innenstadt, die fast schon überfüllt ist. Auch aufgrund der vielen Touristen, gerade aus China, die schon einen beträchtlichen Teil des Umsatzes ausmachen. Da muss Köln schon aufpassen, dass das System in der Innenstadt nicht kollabiert, denn voller als voll geht nicht. Gleichzeitig sehen wir hier aber auch Bezirke, die fast schon bedenklich aussehen, auch was den Leerstand vieler Läden angeht.

Welche Probleme hat der Kölner Einzelhandel?

Ein großes Problem ist der Verkehr, Köln liegt deutschlandweit vorne, was die Wartezeiten im Stau angeht. Und da muss Köln höllisch aufpassen, sich nicht selbst ein Bein zu stellen. Denn früher mussten die Kunden in die Stadt, um einzukaufen, heute müssen sie das nicht mehr. Und wenn das mit zu viel Stress verbunden ist, springt der Kunde ab, vor allem ins digitale Angebot. Dieses Problem ist in Köln ungelöst. Dazu kommt die relativ geringe Anzahl an Parkplätzen in der Innenstadt, vor allem im Agnesviertel und in der Südstadt.

Warum ist der Verkehr so entscheidend?

Eine besondere Herausforderung stellt die Logistik innerhalb der Stadt dar. Einerseits, was die Belieferung der Betriebe angeht, andererseits auch für den Kunden, der seine gekaufte Ware abtransportieren will. Auch da sollte sich Köln überlegen, wie man es dem Kunden möglich macht, in die Stadt und wieder raus zu kommen.

Wenn es mit dem Auto nicht geht, dann zumindest über öffentliche Verkehrsmittel. Aber da wächst in Köln nichts nach. Dass weniger Autos in die Stadt sollen, steht anderswo auch auf der Agenda. Aber Köln bietet zu wenige Alternativen. Und das ist ein echtes Problem.

Das heißt, es gäbe eine Handhabe für die Stadtverwaltung?

Die gibt es immer. Da kann keine Stadt sagen, dass sie nichts machen kann. Spätestens bei der Infrastruktur, bei Parkplätzen und beim öffentlichen Nahverkehr – das sind städtische Angelegenheiten.

Ist der Kunde von heute zu verwöhnt?

Ob er zu verwöhnt ist, weiß ich nicht, aber er ist verwöhnt. Wenn er in die Stadt kommt, will er bezahlbare Parkplätze, wo er kein Vermögen loswird. Er will in der Innenstadt sitzen können, das geht in Köln auch nur bedingt. Die Stadt soll sauber sein, da gehen die Meinungen auseinander. Und er will zur Toilette gehen können in sauberen Einrichtungen, die ihn ebenfalls nicht arm machen. Auch diese Basis-Bedürfnisse dürfen nicht vernachlässigt werden.

Wie wird Köln vom immer stärkeren Online-Handel getroffen?

Online ist ein Dauerthema und wird es auch in den nächsten Jahren bleiben. Allerdings führt der Trend eher dazu, dass die städtischen Randbezirke geschwächt werden. Die zentrumsnahen Filialen funktionieren in der Regel noch gut. Trotz der hohen Mieten sind die besten Lagen immer noch sehr attraktiv. Allerdings tut sich logischerweise eine Schere auf zwischen den besten Lagen und dem Rest.

Wie kann die Stadt den Einzelhandel noch attraktiver machen?

Ich kann als Stadt grundsätzlich entscheiden, ob ich Shopping-Stadt sein möchte oder nicht. Für Köln ist das undenkbar, aber viele Städte rennen dem Irrglauben hinterher, unbedingt Shopping-Stadt sein zu müssen. Ich habe mal recherchiert und unter den knapp 13 000 Städten keine Stadt gefunden, die sich selbst nicht als Shopping-Stadt bezeichnet. Warum eigentlich?

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Aber: Wenn ich entscheide, Einkaufsstadt zu sein oder dass ich es sein muss wie Köln, dann muss ich mir überlegen: Sollte ich die großen Fachmarkt-Zentren oder die Lebensmittelläden aus der Stadt rausziehen? Gerade wenn die Innenstadt ein Problem hat, muss ich doch zumindest in Erwägung ziehen, diese Märkte zurückzuholen und die Innenstadt damit wieder zu beleben. In manchen Städten werden deshalb schon Neubauten solcher Märkte in den Randgebieten blockiert.

Beschäftigen sich Städte zu wenig mit diesen Problemen?

Ja. Ich habe sogar das Gefühl, vielen Städten kommt es entgegen, dem Onlinehandel den Schwarzen Peter zuschieben zu können. „Der ist an allem schuld“, heißt es dann. Aber der Onlinehandel mag der Katalysator vieler Probleme sein, der Ursprung ist er sicher nicht. Die Städte sind meistens genauso schuld. Auch mit den ganzen Reglementierungen wie den Öffnungszeiten. Es muss doch möglich sein, dass der Händler das selbst entscheidet. Damit macht man es dem lokalen Händler immer schwieriger.

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