Islam-Experte Ahmad MansourKlare Haltung gegen Antisemitismus an Kölner Schulen nötig

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Schulpolitischer Aschermittwoch im Haus der Evangelischen Kirche mit Ahmad Mansour 

Schulpolitischer Aschermittwoch im Haus der Evangelischen Kirche mit Ahmad Mansour 

  • Wie können Schulen in Köln mit dem Thema Antisemitismus umgehen?
  • Die Kölner Synagogen-Gemeinde beklagt schon seit Längerem einen deutlich wachsenden Antisemitimus.
  • Psychologe und Islam-Experte Ahmad Mansour findet, im Unterricht wird nicht genug über das Problem gesprochen.

Köln – Der Psychologe und Islam-Experte Ahmad Mansour hat die Kölner Schulen aufgefordert, sich dem Thema Antisemitismus offensiver zu stellen und im Unterricht Freiräume für die Auseinandersetzung damit zu schaffen. Der zunehmend selbstbewusster und lauter vorgetragene Antisemitismus auf Schulhöfen erfordere darüber hinaus Regeln, eine klare Haltung und keine Angst von Schulleitern um den Ruf der Schule, sagte Mansour beim schulpolitischen Aschermittwoch des Evangelischen Kirchenverbandes vor Kölner Schulleitern. „Bei Mobbing gilt es immer, auf der Seite der Opfer zu stehen. Es kann nicht sein, dass das Opfer die Schule verlässt und der Täter bleibt.“ Hier seien Sanktionen bis hin zum Schulverweis nötig.

Mansour, selbst Muslim, Sohn arabischer Israelis und Autor des Buchs „Klartext zur Integration“, beschäftigt sich mit der Radikalisierung und dem Antisemitismus von Jugendlichen, insbesondere innerhalb der muslimischen Community. Um die Jugendlichen zu erreichen, fordert er eine inhaltliche Weitung des Themas Antisemitismus, das sich im Geschichtsunterricht derzeit auf den Holocaust beschränke. Hier müsse das Curriculum dringend an die sich verändernde vielfach muslimische Schülerschaft angepasst werden. „Der Nahost-Konflikt gehört zwingend dazu.“

Schließlich habe der muslimisch motivierte Antisemitismus eine Hauptursache in der verzerrten schwarz-weißen Sichtweise auf den Nahostkonflikt. Der werde nicht als ein Regionalkonflikt, sondern als weltweite islamische Angelegenheit begriffen. Wobei die Schüler in der Sache fast nichts über den Gaza-Konflikt wüssten, sondern ihr Wissen aus Verschwörungsvideos in den soziale Medien bezögen. „Hier muss dringend Wissen vermittelt werden.“ Die Videos – vornehmlich aus dem Gangsta-Rap –, die alle Jugendlichen kennen und in denen Juden für den 11. September und für die weltweite Finanzkrise verantwortlich gemacht würden, nähmen die Jugendlichen als Tatsachen. „Es entsteht ein Feindbild, das immer wieder durch soziale Medien bestätigt wird, wobei hinzu kommt, dass Jugendliche in komplizierten Zeiten Sehnsucht nach einfach Antworten haben.“

Religiös begründeter Antisemitismus

Zudem gebe es den aus dem Koran heraus religiös begründeten Antisemitismus, weil der Koran nicht in einen historischen Kontext gesetzt werde. An beiden Themen müsse die Schule ansetzen. „Die Probleme kann Schule nicht alleine lösen, aber sie kann zentraler Teil der Lösung sein“, ermutigte Mansour. Es gibt nach Ansicht von Mansour keine andere Lösung als die Schulen zu reformieren. „Wir müssen endlich realisieren, dass Ahmed und Ali Teil dieser Gesellschaft und damit ihre Probleme Teil der Schule sind – und das bedeutet, Angebote für diese anders sozialisierten zu Menschen machen.“ Sonst informierten sich die Schüler weiter über soziale Netzwerke und Videos.

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An die Landesregierung gerichtet forderte Mansour mehr politischen Willen, den Schulen für diesen Kraftakt Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Sowohl in Form von Lehrerfortbildungen zum Thema Antisemitismus als auch vor allem in Form von Zeitressourcen durch eine Entschlackung des Curriculums. „Schulen müssen den Raum haben, nicht nur Leistung zu erwarten, sondern Jugendliche für das Selber-Denken zu begeistern.“ Dafür brauche es Zeitfenster für aktuelle politische Debatte, für die Bildung einer eigenen Meinung sowie für die Vermittlung von demokratischen Werten. Auch die Vermittlung von Medienkompetenz dürfe nicht bei der Vermittlung digitaler Kenntnisse und guter technischer Ausstattung der Schulen stehen bleiben. Fokus müsse vielmehr sein, wie Schüler mit sozialen Medien umgehen und wie sie Fake News identifizieren.

Vehemente Kritik äußerte Mansour an der Bundeszentrale sowie der Landeszentrale für politische Bildung. Statt in die sozialen Medien zu gehen – also dahin, wo die Jugendlichen sind und sich informieren – würden fleißig Broschüren und dicke Bücher produziert, die die Zielgruppe nicht erreichten. „Radikale IS-Sympathisanten erreichen unsere Jugendlichen besser als die Landes- und die Bundeszentrale für politische Bildung.“ Die müsste vielmehr mit Gegenvideos versuchen, die Jugendlichen anzusprechen.

Am Karnevalswochenende ist die Kölnische Gesellschaft für Christliche-jüdische Zusammenarbeit Ziel eines antisemitischen Übergriffs geworden. Unbekannte beschmierten den Briefkasten der Geschäftsstelle in der Richartzstraße mit SS-Runen. Da die umliegenden Briefkästen des Kulturamtes der Stadt davon verschont blieben, werte die Gesellschaft dies als gezielten Angriff auf ihre Institution, die sich seit mehr als 60 Jahren für den christlich-jüdischen Dialog einsetzt. Man lasse sich dadurch aber nicht einschüchtern, sondern fühle sich in der eigenen Arbeit bestärkt. 

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