AWBDie Jäger der wilden Müllkippen in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Akin Dogan (l.) und Ismail Bozbiyik gehören zu einem der sechs AWB-Gruppen, die jeden Tag illegal abgelegten Müll in der Stadt beseitigen.

Akin Dogan (l.) und Ismail Bozbiyik gehören zu einem der sechs AWB-Gruppen, die jeden Tag illegal abgelegten Müll in der Stadt beseitigen.

Köln – Die Zehnthofstraße in Ostheim. Eine Frau stürmt aufgeregt auf den Müllwagen der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) zu. „Ist das nicht eine Sauerei hier? Das ist nun schon das zweite Mal“, redet sie voller Empörung auf die beiden Müllmänner ein und weist auf die alte Matratze, zerbrochene Schrankteile und das marode Uhrgehäuse aus Großmutters Zeiten.

Seit zwei Wochen stehe der Schrott in der Ecke auf dem Bürgersteig. Gestern habe sie den Anblick einfach nicht mehr ertragen, bei den AWB angerufen und um Abhilfe gebeten. „Ist ja toll, dass sie heute schon da sind“, lobt sie die Männer, die währenddessen alle Holzteile über die Laderampe des Müllwagens werfen, und schimpft dann weiter: „Die kriege ich noch, die das gemacht haben!“

Tausende Tonnen wilder Abfall

Wilde Müllkippen mitten in Köln – das ist trotz kostenloser Abholangebote für Privatleute offenbar eine unendliche Geschichte. 3000 Tonnen zusätzliche Abfälle kämen jedes Jahr zusammen, sagt Wilfried Berf, Sprecher der AWB. Die Mehrkosten für die Bürger: 7,4 Millionen Euro allein im vergangenen Jahr. „Die Menge wird nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Was jedoch zunehme, so Berf, seien Hinweise aus der Bevölkerung, wo wieder etwas abgestellt worden ist: „Da sind wir über jede Mitteilung froh.“

An diesem Tag ist der Anruf der Frau aus der Zehnthofstraße einer von acht Hinweisen, denen Akin Dogan und Ismail Bozbiyik mit ihrem Presswagen nachgehen werden. Die beiden sind eines der sechs Teams, die an jedem Wochentag in den Stadtbezirken aufräumen. Ihr Revier ist der Bezirk Kalk. Sie kennen jede Straße, jede Ecke. Und die sogenannten „Stammplätze“. Das sind Orte, an denen fast täglich irgendwelche Abfälle zu finden sind. „Meist sind das Ecken, wo man beim Abladen nicht so einfach zu beobachten ist“, sagt Akin Dogan. Die Stammplätze gehören zu jeder Runde.

Einer davon ist die Gernsheimer Straße in Ostheim mit ihren Seitenwegen. Das große, helle Sofa auf dem Bürgersteig ist schon von weitem zu sehen. Daneben stapeln sich Schränke, ein Tisch, Koffer, Badematten. Alles wird von der schweren Rolle im Inneren des Presswagens knarzend zermalmt.

Hinter Bäumen und Büschen an einem Parkplatz entdecken die Männer noch Stühle, fein säuberlich nebeneinander aufgereiht, einen kaputten Kühlschrank und Bretter. „Das stammt alles von Privathaushalten und könnte problemlos mit einem Sperrgut-Termin kostenlos abgeholt werden“, wundert sich Redouan El Makhfi, Städtereinigungsmeister bei den AWB. „Warum also dieser Aufwand, nachts herumzufahren und leise alles abzuladen, damit man nicht entdeckt wird?“

Auch Grünschnitt gehört nicht in den Wald

Die AWB bieten verschiedene Möglichkeiten zur Abholung von Müll vor der Haustür. Infos dazu stehen im Wertstoff-Kalender, Termine können telefonisch unter 0221/9222222 oder online gebucht werden.

Sperrmüll holt die AWB ab – maximal drei Kubikmeter kostenlos.

Grünschnitt bis zu einem Kubikmeter kann bei den Recycling-Höfen der AWB abgegeben werden. In Frühjahr und Herbst zudem werden bis zu drei Kubikmeter kostenfrei abgeholt.

Elektrogeräte nehmen die AWB-Wertstoff-Center ebenfalls kostenlos an oder holen sie nach Terminvereinbarung ab.

50 bis 150 Euro Bußgeld werden fällig, wenn ein sperriger Gegenstand, etwa ein Stuhl oder ein Koffer, illegal abgelegt wird; 100 bis 410 Euro für mehrere Gegenstände. 410 bis 1530 Euro kostet es, wenn Sperrmüll ohne Termin an die Straße gestellt wird.

Wilde Müllablagerungen können gemeldet werden unter Telefon 0221/9222222 oder per Mail. (kb)

Das fragt sich auch Michael Hundt, Leiter des linksrheinischen Forstbetriebsbezirks. „Die Leute finden Wege in den Wald, so eng, da denkt man, da kommt doch kein Auto hin.“ Und dann entdecke er in den abgelegensten Winkeln Autoreifen, Hausmüll, Bauschutt, Elektroschrott. Und alarmiert die AWB. Aber er stoße auch auf Öle, Farben und Lacke. „Da holen wir zusätzlich die Untere Wasserbehörde, um die Schäden zu ermitteln. Das ist ein großer Aufwand.“

Viel zu oft kippten Leute ihren Grünschnitt aus dem Garten im Wald ab. „Die denken, sie tun dem Boden damit was Gutes. Das Gegenteil ist der Fall.“ Zum einen sei diese Art Dünger falsch für den Waldboden, zum anderen befänden sich im Grünzeug oft Pflanzen, die als Killer der heimischen Flora gelten. Grünschnitt sei deshalb ein Fall für die AWB.

Auch Hundt kennt Stammplätze. Sie lägen vor allem in Gewerbegebieten, etwa im Bereich der Esso-Raffinerie und auf Plätzen, die sich Lkw-Fahrer zur Nachtruhe suchen. Am nächsten Morgen wären da kleine Abfallhalden mit Bauschutt und anderem Müll. Meist seien wohl kleine Handwerksbetriebe die Verursacher, die Kosten für Bauschutt in den Annahmestellen scheuten und den Sichtschutz der Lkw nutzten. „Das ist extrem schwierig in den Griff zu kriegen“, so Hundt. Auch weil es in Köln nicht ausreichend ausgewiesene Lkw-Ruheplätze gebe.

Ein Grund, warum Leute nach wie vor Sperrgut und Abfälle einfach auf die Straße stellen, liegt wohl darin, dass sie kaum mit Konsequenzen rechnen müssen. Die AWB haben zwar sogenannte Müll-Detektive, die Verursacher aufspüren sollen. Die können aber nur tätig werden, wenn es im Abfall Hinweise wie Adressen gibt. Und das komme selten vor, sagt AWB-Sprecher Berf. Im vergangenen Jahr wurden die Detektive nur in 162 Fällen fündig, 90-mal gab es eine Anzeige beim Ordnungsamt, und in 50 Fällen hätten die Leute nach einem Gespräch ihre Abfälle freiwillig weggeräumt. Denn wilder Müll kann Ertappte bis zu 1530 Euro Bußgeld kosten.

Nach mehreren Stunden Rundfahrt durch Kalk liegen zwei Tonnen Sperrmüll und Abfälle weniger auf den Straßen. Akin Dogan ist zufrieden: „Ist doch schön, wenn alles wieder sauber ist.“ Am nächsten Tag wird er mit seinem Kollegen wohl wieder so viel Müll entdecken – mindestens.

KStA abonnieren