Johannes ErlemannErst entführt und dann belagert

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Johannes Erlemann als Elfjähriger

Johannes Erlemann als Elfjähriger

Es ist bis heute einer der spektakulärsten Fälle der Kölner Kriminalgeschichte: die Entführung von Johannes Erlemann. Vor knapp 32 Jahren, am 6. März 1981, kidnappten drei Männer den elfjährigen Sohn des ehemaligen KEC-Präsidenten Jochem Erlemann und ließen ihn nach zwei Wochen gegen die Zahlung von drei Millionen Mark wieder frei. „Das ist eine Erfahrung, die ich wirklich keinem wünschen kann“, sagt Johannes Erlemann rückblickend, „ich hatte das Glück, dass ich damals charakterlich relativ gefestigt war, so dass ich mit der Situation gut umgehen konnte.“ Der 36-Jährige ist seit 2003 Geschäftsführer einer Firma, die im Internet unter anderem ein Reiseportal und eine Partnervermittlung betreibt.

An den Freitagnachmittag vor 32 Jahren erinnert sich Johannes Erlemann in allen Einzelheiten: Gegen 17 Uhr hatte der Junge mit seinem Fahrrad die elterliche Wohnung in Hahnwald am Osterriethweg verlassen. Gegen 18 Uhr wurde Johannes Erlemann zuletzt gesehen. Da spielte der Elfjährige an einem Flipperautomaten im Jugendzentrum „Altes Stellwerk“, wie der Leiter des Zentrums zu Protokoll gab. Auf dem Heimweg geschah es dann: Wie die späteren Ermittlungen ergaben, lauerten drei Männer Johannes Erlemann auf seinem Heimweg auf, zerrten ihn vom Fahrrad und brachten ihn mit einem Lieferwagen weg. „Ich habe mich ohnmächtig gestellt und versucht, mir so viel wie möglich zu merken“, sagt Erlemann. Zwei Wochen lang hielten ihn die Entführer in einem 1,50 Meter breiten, zwei Meter langen und nur 1,60 Meter hohem Bretterverschlag fest. Es gab kein Fenster, keinen Strom. „Ich war die meiste Zeit angekettet, durfte aber Radio hören“, erinnert sich Erlemann.

Am 10. März schickten die Entführer einen Brief mit einer Tonbandkassette an die Familie Erlemann. Auf dem Band war die Stimme des Jungen zu hören. Er sagte, es gehe ihm gut. Die Entführer fordern drei Millionen Mark Lösegeld in gebrauchten Tausend- und Hundert-Mark-Scheinen. Über eine verschlüsselte Zeitungsannonce („Weißer Perserkater, Name Hannibal, Belohnung“) sollte die Familie ihr Einverständnis zum Plan geben.

In der Nacht auf den 21. März deponierte Mutter Gaby Erlemann das Lösegeld in einem Holzkasten im Dünnwalder Wildpark. Die Täter konnten mit dem Geld entkommen, weil die Kiste ohne Boden genau über einem Schacht zu einem elf Kilometer langen Kanal von Bensberg zum Rhein bei Stammheim stand. Die Täter hatten für ihre Flucht zu Wasser ein Gummiboot benutzt. Kurz darauf wurde Johannes Erlemann freigelassen. Die Entführer setzten ihn auf einem Feldweg bei Mönchengladbach aus. Ein Taxifahrer brachte den Elfjährigen zurück nach Köln.

Die Entführer, drei Brüder sowie ein Helfer, wurden wenige Tage später verhaftet; die Polizei fand auch das Lösegeld. Doch für Johannes Erlemann war danach „ein normales Leben“ unmöglich: „Der Medienrummel war unglaublich groß“, schildet er die damalige Belagerung der Familie. Nach dem Abitur ging Johannes Erlemann nach München, blieb dort zehn Jahre, ehe er nach Köln zurückkam. Bis heute wird er immer wieder mit seiner Geschichte konfrontiert. „Fast jeder Taxifahrer in Köln spricht mich auf die Entführung an“, sagt der 36-Jährige. „Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem ich mich noch mal intensiv mit allem, was da war, auseinander setze und ein Buch oder einen Film daraus mache. Genug Stoff hätte ich ja.“

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