Jüdisches Museum KölnDer Bau des Miqua geht voran – Die erste Museumsecke steht

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Die Rauten des Randtragewerks werden später mit transparenten Glaspaneelen und Bruchsteinen aus der archäologischen Ausgrabung verfüllt.

Die Rauten des Randtragewerks werden später mit transparenten Glaspaneelen und Bruchsteinen aus der archäologischen Ausgrabung verfüllt.

Köln – Die erste Ecke steht. Um sieben Uhr morgens kam das 7,20 Meter auf 2,86 Meter große Tragwerk, zehn Tonnen schwer. „Die erste Raute ist besonders wichtig“, sagt Bauleiter Matthias Zoppelt. „Daran setzen wir an.“

Mit der Miqua – dem Jüdischen Museum Köln – geht es aufwärts: Das Museum wächst vor der Historischen Rathauslaube nicht mehr allein in die Tiefe, es wächst auch in die Höhe. Auf dem Archäologischen Quartier wird über und unter Tage gearbeitet.

Während vor dem Spanischen Bau die Saugrüssel Sand aus der Grube saugen, der zum Schutz auf die historische Substanz gelegt worden war, arbeiten die Archäologen an den Obenmarspforten wieder in sieben Meter Tiefe. Noch ist es wüst und unübersichtlich. Überall Armierungseisen, Betonplatten, Gruben, fertige Fundamente.

1000 Tonnen Stahltragwerk

Mitten hinein manövrierte am Dienstagmorgen der zweite „Convoy Exceptionnel“ seinen 14 Meter langen Ausleger, darauf die zweite, zwölf Meter lange „Raute“, eine Spezialanfertigung einer Wittenberger Stahlelementebaufirma. Es sind die ersten von insgesamt 21 Tragwerksteilen, auf denen einmal die Natursteinfassade der oberen beiden Stockwerke aufgesetzt wird. Die ersten von 1000 Tonnen Stahltragwerk, die im Laufe des nächsten Dreivierteljahres nach und nach installiert werden und die die Hauptlast des Gebäudes tragen.

Doch bevor die beiden Mobilkräne der Colonia die 15 Tonnen Wand millimetergenau auf die Köcherfundamente stellen, gibt es ein Problem: Die Wand liegt seitenverkehrt auf dem Ausleger und muss gewendet werden.

Komplizierteste Baustelle Deutschlands

„Einfach kann jeder“, sagt Matthias Zoppelt. „Das ist hier unser Spruch.“ Überhaupt ist die Miqua vermutlich die komplizierteste Baustelle im Lande. „Das sage nicht nur ich, das bestätigen mir kopfschüttelnd alle meine Fachkollegen“, sagt der Bauleiter.

Da ist der Schutz der Archäologie während des laufenden Tiefbaus. „Ich habe Wände, deren Tiefe mir die Archäologen noch gar nicht bestätigen konnten, weil sie in diesen Bereichen noch gar nicht aufgegraben haben. Wir saugen gerade den Sand ab und stellen beim Freilegen fest, dass wir Wände unterfangen müssen.“ Das ist komplizierte Gründungsarbeit, dazu die komplexe Haustechnik und die Logistik im innerstädtischen Bereich mit engen Zufahrtsstraßen, dem Schutz der Anwohner vor Lärm und Staub.

Warum tut man sich so eine Baustelle freiwillig an? „Weil es Spaß macht und spannend ist.“ Matthias und Annett Zoppelt haben Erfahrung aus 20 Jahren Bauleitung im Denkmalbereich. Alles wird minuziös dokumentiert. „Der blanke Selbstschutz“, sagt Zoppelt. „Man muss sich nach allen Seiten absichern. Wir schützen das Geld des Bauherren und sorgen für Wirtschaftlichkeit. Deshalb sind wir bei den Auftragnehmern nicht unbedingt beliebt.“

Keine vertragliche Terminbindung mehr

2021 sollte das Museum fertig sein, 77 Millionen Euro waren kalkuliert. Doch der Termin musste bereits zweimal verschoben werden. Die beauftragten Firmen unterliegen nicht mehr der vertraglichen Terminbindung. Die Stadt muss neu verhandeln. Neue Zahlen werden nicht genannt.

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„So eine Baustelle ist nicht kalkulierbar“, sagt Zoppelt. „Von den Kalkulatoren hätte doch keiner wissen können, dass ich das Rathaus Ecke Hansasaal unterfangen muss. Dass ich hier ein Jahr lang die Kampfmittelsuche auf dem Platz habe, bevor ich mit der Gründungsarbeit überhaupt beginnen konnte.“ Weil eine Sondensuche nicht funktionierte, musste auf herkömmliche Suchmittel zurückgegriffen werden. Mit der Folge: „Ich habe hier 393 Betonpfähle in den Boden gerammt. Pro Pfahl mussten vorher 13 Sondierungsbohrungen für den Kampfmittelräumdienst gemacht werden.“

„Das ist jede Zeit wert“

Miqua – das LVR-Jüdische Museum im Archäologischen Quartier Köln

Das „Miqua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ wird auf und unter dem Rathausplatz einen 600 Meter langen Parcours bieten, der römisches Praetorium, das mittelalterliche jüdische Viertel mit der Mikwe und den Resten der Synagoge mit den unterirdischen Resten des Goldschmiedeviertels verbindet. Bauherrin ist die Stadt, mit der Fertigstellung übernimmt der LVR die Trägerschaft.

Thomas Heinz Otten, Archäologe und Gründungsdirektor des Jüdischen Museums, wird für das Museum auf Exponate aus Kölner Sammlungen zurückgreifen können, sowohl städtische als auch private. In den letzten zwei Jahren seien dem Museum eine Reihe Schenkungen und Leihgaben angeboten worden. Der Amsterdamer Machsor, ein jüdisches Ritualbuch von 1250, das in der Kölner Synagoge verwendet wurde, konnte gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Amsterdam erworben werden. Angekauft wurden Schriften von Isaak Offenbach, Kölner Kantor und Vater von Jacques Offenbach. Die Familie des vormaligen Bankhauses Oppenheim zeige großes Entgegenkommen, Dauerleihgaben zur Verfügung zu stellen. Erforscht werde auch das Vermächtnis der Kölner Familie Halevy. (hch)

Matthias Zoppelt sieht solche Unwägbarkeiten mit professioneller Gelassenheit. „Wenn es darum geht, eine Wand mit einer hebräischen Inschrift zu schützen, dann muss man einfach sagen, das ist jede Zeit wert, um das für kommende Generationen zu sichern. Wenn ich hier drei Jahre länger brauche, dann brauche ich drei Jahre länger. Aber in 100 Jahren erleben Menschen Geschichte, die sich vor 2000 Jahren ereignet hat. Das ist wichtiger als alles hier schnell-schnell hochzuziehen.“

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