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Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Köln-Deutz„Am besten wäre, dass das Denkmal verschwindet“

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In einigen Jahren nicht mehr da? Das Reiterstandbild von Wilhelm I. in Deutz

Köln – Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal vor der Hohenzollernbrücke in Deutz könnte mittelfristig abgerissen werden. Entsprechende Überlegungen gibt es in einem neu geschaffenen Gremium, das den Stadtrat künftig in Fragen, die die Kölner Kolonialgeschichte betreffen, beraten wird. Auch die weiteren Denkmäler, die an Machthaber in der deutschen Kolonialgeschichte erinnern, stehen infrage.

„Am besten wäre, dass das Denkmal verschwindet“, sagt Eli Abeke. Der Architekt engagiert sich seit vielen Jahren für die Aufarbeitung der Kölner Kolonialgeschichte, saß sechs Jahre lang im Integrationsrat. Nun ist der Teil des zwölfköpfigen Gremiums zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes.

„Wir wollen das Thema konfrontativ nach vorne schieben, auch über den Stadtrat“, sagt er. Es sei allerdings wichtig, die Stadtgesellschaft einzubinden, bevor man eine Entscheidung trifft. „Das Reiterdenkmal ist ein sehr altes Thema, es gehört Stand jetzt zum Stadtbild dazu. Ein so großes Monument steht für die frühere Kolonialmacht, es ruft sofort in Erinnerung, in welcher Form Macht damals ausgeübt wurde.“

Kaiser-Wilhelm-Denkmäler in Köln: Verschiedene Varianten denkbar

Ein Abriss des Denkmals in Deutz, mit dem auch das Aus für die weiteren Kaiser-Wilhelm-Denkmäler einhergehen könnte, ist aber längst nicht beschlossen. „Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal ist ein kolonialer Erinnerungsort“, sagt Marianne Bechhaus-Gerst. Die Afrikanistin gehörte vor rund 15 Jahren zu den ersten, die sich systematisch an die Erforschung der Kolonialgeschichte Kölns begeben hat. Auch sie ist Teil des Gremiums.

„Ich will hier keine Empfehlungen vorwegnehmen: Vom Denkmalsturz bis zum Einhüllen bis zu einem Geschichtspfad, der die Rolle des Kaisers erklärt, sind hier verschiedene Optionen denkbar“, sagt Bechhaus-Gerst. „Klar ist: Wir müssen uns mit der Frage danach, wie wir zukünftig mit diesen kolonialen Erinnerungsorten umgehen wollen, beschäftigen.“

Umbenennung von Straßen in Nippes, Ehrenfeld und Lindenthal?

Dazu gehören auch viele weitere Orte in der Stadt. So gebe es Straßen in verschiedenen Vierteln, die einen eindeutigen kolonialen Kontext haben: „Das sogenannte Afrikaviertel in Nippes, das Chinesen-Viertel, die Wißmann- und die Gravenreuthstraße in Ehrenfeld“, nennt Bechhaus-Gerst. Straßennamen, die bald infrage stehen dürften. Nicht ganz so naheliegend: Die Robert-Koch-Straße an der Uniklinik. „Robert Koch hat in Ostafrika Menschenversuche durchgeführt, die Erblindung oder Tod der ungefragten Probanden zur Folge hatten“, sagt Bechhaus-Gerst. „Es gibt viele Straßennamen mit kolonialen Bezügen.“

Für Eli Abeke ist es das Hauptziel, über das Gremium „in der Gesellschaft ein Bild darüber zu schaffen, was die Kölner Kolonialgeschichte überhaupt ist“. In den Schulen lerne man darüber kaum etwas, ein großes Problem.

„Für die Afro-Community und die ganze Gesellschaft wäre es gut, wenn diese Dinge besser aufgearbeitet wären.“ Politisch schäme man sich bislang, darüber zu sprechen. Der enge Kontakt zum Kulturausschuss des Stadtrates soll dies nun ändern. „Es ist wichtig, einen Zugang zur Geschichte aus der Perspektive derer zu gewinnen, die unter ihr gelitten haben.“

Kölner Gremium soll konkrete politische Vorschläge entwickeln

Er hofft, dass das Engagement aus verschiedenen Communitys gebündelt werden könne. „Ein Problem sehe ich darin, dass es viele migrantische Gruppen gibt, die sich mit ihren Themen politisch einbringen wollen – das passiert aber selten gemeinsam“, sagt Abeke. „Wir würden das gerne ändern. Dieses Gremium ist ein Quantensprung, um die Gesellschaft zu erreichen.“

Im sogenannten Afrika-Viertel etwa wolle er erreichen, „dass die migrantische Perspektive viel sichtbarer wird“ – Stolpersteine, die auf die historischen Hintergründe bestimmter Gebäude hinweisen, seien eine Option.

Bislang steht das Gremium noch am Anfang seiner Arbeit. Zwei Treffen hat es bislang gegeben. Bis zum Frühjahr 2024 soll es konkrete Vorschläge erarbeitet haben, die anschließend vom Stadtrat diskutiert werden. Dass man sich schon vorher in den politischen Prozess einmischen wird, schließen die Mitglieder nicht aus.

„Alles, was in Köln Rang und Namen hatte, war in der Kolonialgesellschaft“

Es geht dabei längst nicht nur um den Umgang mit Denkmälern und Straßennamen – sondern auch die früheren kolonialen Strukturen überhaupt gründlich aufzuarbeiten und in die Öffentlichkeit zu tragen. „Es gab in Köln eine große Anzahl an Schokoladenfabriken, die einen großen Bedarf an Kakao und Palmfett hatten – und damit auf Kolonialbesitz angewiesen waren, um die Rohstoffe billig zu beziehen“, sagt Bechhaus-Gerst.

Auch die Geschichte der Clouth-Gummi-Werke, die großen Bedarf am Kolonialprodukt Kautschuk hatten, gelte es genauer zu betrachten. „Daran wurde bislang aber eben kaum geforscht. Wir wissen heute, dass das koloniale Projekt die gesamte Stadtgesellschaft durchzogen hat“, betont Bechhaus-Gerst.

„Alles, was in Köln Rang und Namen hatte, war in der Kolonialgesellschaft. Bis weit in die NS-Zeit spielte das Thema hier eine riesige Rolle.“ Ihre Forschungen hierzu seien „eine regelrechte Spurensuche“. Weil sie eine der ersten sei, die sich für die Spuren interessiert.

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