Erstes „Vegan Fest“ in Köln-Kalk„Es ist eine sehr demokratische Ernährungsweise“

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Anna-Lena Klapp las aus ihrem Buch Food-Revolte.

Köln-Kalk – Die Mäusemutter möchte ihren Mäusekindern unbedingt einen Erdbeerkuchen backen und bittet die anderen Tiere um die nötigen Zutaten. „Was? Ein Ei?“, fragt das Huhn entsetzt. „Daraus schlüpfen doch meine Kinder.“ Auch die Kuh traut ihren Ohren nicht. „Die Milch brauche ich doch für mein Kälbchen.“ Völlig entgeistert ist das Schwein: „Gelatine? Die wird aus meinen Knochen und meinen Borsten gemacht.“ Zum Glück gibt es vegane Alternativen: Bananen- oder Apfelmus, Soja oder Agar Agar – ein pflanzliches Geliermittel. So backen die Tiere am Ende gemeinsam einen Kuchen und werden dicke Freunde.

Vegane Kinderbücher im Kölner Next Level Verlag

Dolunay Gördüm las auf dem Vegan Fest 22, das jetzt in den Abenteuerhallen Kalk stattfand, aus seinem Buch „Tiere backen einen Kuchen“ und zeigte den Pänz die bunten Bilder, die Franziska Vivane Zobel beigesteuert hat. Erschienen ist das Buch beim Kölner Next Level Verlag, spezialisiert auf vegane Kinderbücher. Vegan ist nicht nur der Inhalt, bei der Herstellung der Bücher wird Klebstoff ohne tierische Zusätze verwendet. „Vegane Kinderbücher sind noch ein Nischenthema, aber immer mehr werden aufmerksam“, meint Verlagschefin Moira Himmelsbach.

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Erik Puchert an seiner Veganbulanz

Den Eindruck hat auch Besucherin Martina Beyer. Sie ist gekommen, um sich die Stände der Initiativen und Vereine anzusehen, veganes Essen und vegane Getränke zu kosten, aber auch, um unter Gleichgesinnten zu sein. Bei ihr verlief das Erweckungserlebnis umgekehrt. „Vor 15 Jahren erklärte meine damals elfjährige Tochter, sie sei nun Veganerin, weil ihr die Tiere leid täten. Mein Mann und ich waren geschockt, weil wir das für furchtbar kompliziert hielten.“

Vegan gleich halal gleich kosher

Dennoch schlossen sie sich ihrer Tochter an, ganz leicht sei es seinerzeit tatsächlich nicht gewesen. Aber mittlerweile seien vegane Lebensmittel entsprechend gekennzeichnet, viele Supermärkte hätten längst vegane Abteilungen. „Restaurants und Catering-Services haben sich auch darauf eingestellt, denn es ist ja praktisch: Vegan bedeutet automatisch halal und koscher, und auch Laktose-intolerante Menschen haben keine Probleme damit“, so Beyer. „Es ist eine sehr demokratische Ernährungsweise.“

Was da alles im Angebot ist, lässt sich beispielsweise am Stand von Proveg erkennen: Rezepte und Würzmischungen für veganen Tofu-Walnuss-Braten, Linsen-Souvlaki, veganes Omelette oder vegane Burger liegen auf den Tischen aus. Die Nichtregierungsorganisation ist international aktiv, hat Büros etwa in Spanien, Großbritannien und Südafrika: „Unser Ziel ist es, den Fleischkonsum durch Aufklärungsarbeit weltweit bis 2050 zu halbieren“, sagt Jürgen Bey.

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In den Abenteuerhallen konnte man sich zum Verkosten niederlassen. 

Er erzählt auch, dass der deutsche Fleischexport 2021 erstmals rückläufig gewesen sei. Laut einer Zählung seien rund zehn Prozent der Deutschen Vegetarier, etwa ein Prozent bezeichnet sich als Veganer, Tendenz steigend. Relativ neu ist der Begriff „Flexitarier“, augenscheinlich eine Erfindung der Fleischindustrie, die versuche, zu retten, was zu retten ist, wie Annette Klietz vermutet: „Meine Nachbarn zum Beispiel haben mich neulich zum veganen Kuchen eingeladen. Aber abends haben sie dann doch tote Tiere auf den Grill gehauen.“

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Klietz gehört dem Kölner Verein Rhein Vegan an, der dieses erste Vegan Fest organisiert hat. Tommi Grusch, ebenfalls von Rhein Vegan, erzählt: „Typisch ist, dass es sowohl um Ernährungs- als auch um Tierschutzfragen geht.“ So wirbt der Verein Ärzte gegen Tierversuche für seine Sache, die „Tierbefreierinnen“ haben Stellwände mit Überschriften wie „Jagen und Angeln – ein mörderisches Hobby“ oder „Leder und Pelz – kein nachwachsender Rohstoff“ aufgebaut. 

Im Rahmen einer weiteren Lesung stellt Anna-Lena Klapp ihr Buch „Food-Revolte“ vor. „Zu 70 bis 80 Prozent wird die vegane Bewegung von Frauen getragen, aber im Vordergrund stehen immer Männer“, sagt sie. Und nennt als Beispiel Attila Hildmann. „Wenn nur eine Gruppe von Menschen das Problem erklärt, werden wir es nie lösen“, so Klapp. In Kalk jedenfalls ist es angekommen. Urszula Jablonska, Betreiberin des Kalker Buchladens, der mit einem Stand vertreten ist, verrät: „Wir verkaufen immer mehr vegane Ratgeber und Kochbücher, und es gibt sogar vegane Krimis.“

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