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Fehlender Schallschutz an der Autobahn 4Kleine Lücke mit großen Auswirkungen

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  Der ehemalige Standort der Lärmschutzwand bei Merheim gibt zur Zeit noch ein trauriges Bild ab

Brück/Merheim/Holweide – Ende vergangenen Jahres erhielt Claudia Greven-Thürmer telefonisch einen Hilferuf aus Brück, genauer: Aus der kleinen Siedlung Im langen Bruch nördlich der A4 und verschaffte sich umgehend einen persönlichen Eindruck vor Ort. „Hinter der Unterführung in Fahrtrichtung Merheim hört die Lärmschutzwand plötzlich auf und dann kommt mehrere hundert Meter lang nichts mehr“, so die  Bezirksbürgermeisterin, „das Problem hatten wir gar nicht auf dem Schirm.“ Doch weil es Spätherbst war und die Bäume ohne Laub, war der Missstand nicht nur optisch überdeutlich: Der Lärm der A4 konnte beinahe ungehindert in die Siedlung dringen.

Ständiges Grundrauschen

„Jetzt im Sommer ist es wegen der Blätter etwas besser, aber wenn es geregnet hat, ist es immer noch sehr laut“, erzählt Katharina Lühr, die damalige Anruferin. „In den oberen Stockwerken macht sich das besonders stark bemerkbar, da liegen auch die Schlafzimmer unserer Kinder.“ Ihr Gatte Gunnar Lühr blickt in die Richtung der wenige hundert Meter entfernten Autobahn und ergänzt: „Man hört ständig dieses Grundrauschen.“

In den sechziger Jahren wurde die kleine Einfamilienhaus-Siedlung gebaut, es ist die einzige größere  Ansammlung von Wohnhäusern in Brück auf dieser  Seite der Autobahn und westlich des Mauspfads. In der Umgebung gibt es sonst nur Wald, Wiesen und Äcker. Gut möglich, dass damals niemand einen eigenen Lärmschutz für diese Häuser als notwendig ansah, schließlich leben hier bis heute nur etwa 100 Menschen, wie Katharina Lühr schätzt. Inzwischen habe aber ein Generationenwechsel eingesetzt: Neuerdings zögen verstärkt junge Familien mit zeitgemäßen Ansprüchen in den Langen Bruch. „Aber Proteste hat es schon vor 60 Jahren  gegeben, wie mir einer der älteren Nachbarn erzählte.“ Nur gefruchtet hätten sie nichts. Erfolgreicher waren die Bewohner des südlichen Teils von Brück, denn die durchgängige südliche Lärmschutzwand entlang der A4 wurde noch erhöht: „Mit dem Ergebnis, dass jetzt noch mehr Verkehrslärm von dieser Wand zurückprallt in unsere Siedlung.“

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Weiter Problemzone an der A4

Nach ihrem Besuch hatte sich Claudia Greven-Thürmer umgehend an ihren SPD-Parteikollegen Jochen Ott gewandt, zu dessen Landtagswahlkreis Brück gehört. Schließlich war die Instandhaltung von Autobahnen bis Ende 2020 Landesangelegenheit. Ott war bereits auf eine andere Problemzone der A4 in der Höhe von Merheim aufmerksam geworden. Zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Ost und der Anschlussstelle Moitzfeld ist bis 2030 ein Ausbau der A4 auf sechs Spuren geplant, die alten Lärmschutzanlagen sollen durch neue und höhere ersetzt werden. Im Umfeld der Anschlussstelle Merheim wurden die Lärmschutzwände bereits abgerissen, und im vergangenen Jahr hatten Rodungsarbeiten begonnen, die aber aufgrund der Witterungsverhältnisse unterbrochen wurden.

Nun klafft dort eine Lücke: „In der Gegend herrscht eine Wildschweinplage, die Tiere können jetzt ungehindert auf die Fahrbahn laufen; das ist auch schon geschehen“, so Ott. „Es ist sogar möglich, dass dort Kinder ungehindert auf die Autobahn laufen.“ Zusammen mit seinen Fraktionskollegen Martin Börschel und Carsten Löcker, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, stellte er im Landtag von NRW  daher eine kleine Anfrage, in der die Abgeordneten die Probleme darstellten und nachfragten, ob der Lärmschutz im Streckenabschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Ost und Refrath beidseitig ausgebaut werden soll. Ob für Brück, aber auch für die besonders belastete Siedlung am Schlagbaumsweg in Holweide schalltechnische Untersuchungen vorliegen oder geplant sind und wie es mit den Rodungsarbeiten sowie dem Schallschutz für Merheim nun weitergehen soll.

Bauzeit von zweieinhalb Jahren

In seiner Antwort bestätigte Hendrik Wüst, Verkehrsminister von NRW, lediglich, dass die bestehenden Lärmschutzwände durch neue ersetzt werden sollen, und dass „lärmtechnische Untersuchungen“ im Zuge der Ausbauarbeiten vorgesehen seien. Aktuelle lägen nicht vor. Die Bauzeit an der Anschlussstelle Merheim werde voraussichtlich zweieinhalb Jahre betragen. Jochen Ott nennt die Antwort „wenig befriedigend“, da sie allenfalls vage zeitliche Angaben enthalte. Zwar riegelt seit kurzem ein langer Metallzaun die Baustelle in Merheim ab, wohl um Tiere abzuhalten. Aber Ott hätte sich auch rasche lärmtechnische Untersuchungen gewünscht, um dort oder in Brück und Holweide gegebenenfalls „eine vorgezogene Sanierung oder die Anbringung von neuen Schallschutzwänden“ in die Wege leiten zu können.  „Wir müssen jetzt politischen Druck erzeugen.“

Berlin sei zuständig

Allerdings muss der in Berlin spürbar werden, denn in seiner Antwort hatte Hendrik Wüst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass  Planung, Bau, Betrieb, Erhalt und Finanzierung der Autobahnen seit dem 1. Januar 2021 durch die Autobahn GmbH des Bundes erfolgt, die ihre Aufträge wiederum vom Bundesverkehrsministerium in Berlin erhält. Dem steht bekanntlich Andreas Scheuer (CSU) vor.

Davon unbeeindruckt hat die Bezirksvertretung Kalk die Verwaltung nun auf gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, CDU und FDP beauftragt, sich für „die vorgezogene Anbringung und Erneuerung einer durchgängigen und beidseitigen Lärm- und Schallschutzanlage an der Autobahn A4 im Streckenabschnitt Autobahnkreuz (AK) Köln-Ost bis Anschlussstelle (AS) Refrath einzusetzen“. Ein inhaltsgleicher Antrag wurde auch auf der Sitzung der Bezirksvertretung Mülheim eingebracht, da Teile des betroffenen Gebiets in deren Zuständigkeitsbereich fallen. Auch Katharina Lühr bleibt kämpferisch: „Zur Not werden wir hier eine Unterschriftenliste starten“, sagt sie entschlossen.

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