Tragödie in Kölner KlinikKrankenschwester rettete sich mit Sprung aus Fenster

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Die Brandermitter treffen am Unglücksort in Merheim ein.

Köln – Der Feuergeruch ist am Montagvormittag auf dem Gelände des Krankenhauses in Merheim noch deutlich wahrnehmbar. Ein Blick vom Hinterhof in ein offenes zersprungenes Fenster im ersten Stock offenbarte das große Ausmaß der Zerstörung in dem Zimmer, in dem in der Nacht ein Patient ums Leben gekommen ist. Vier weitere Personen wurden bei dem Brand am frühen Montagmorgen verletzt.

Feuer ist in einem Patientenzimmer ausgebrochen

Die Feuerwehr war um 4.05 Uhr zunächst von einer Brandmeldeanlage und kurze Zeit später vom Klinikpersonal alarmiert worden. Die Berufsfeuerwehr war in wenigen Minuten mit zwei Löschzügen vor Ort, unterstützt von Kräften der freiwilligen Feuerwehr.

„Das Feuer war in einem Patientenzimmer der Infektionsstation der Lungenklinik ausgebrochen“, sagt Kliniksprecherin Sigrid Krebs. Das Feuer führte zu starker Rauchentwicklung in einem Flur mit weiteren direkt angrenzenden Patientenzimmern. Die Polizei ermittelt derzeit die Brandursache. Auch die Schadenshöhe ist noch nicht bekannt.

Sprung aus dem ersten Stock

Die Beamten waren aufgrund einer zunächst unübersichtlichen Lage vor Ort anfangs von elf Verletzten ausgegangen, die Zahl reduzierte sich später auf vier Menschen mit leichten Verletzungen. Darunter eine Krankenschwester mit gebrochenem Arm, die sich mit einem Sprung aus dem ersten Stock des Gebäudes vor den Flammen in Sicherheit brachte. Sie habe das Todesopfer in „einem völlig ausgebrannten Zimmer gefunden“. Zur Identität des Toten machte das Krankenhaus keine Angaben – es handelt sich aber um einen Patienten.

Ein Augenzeuge des Feuers berichtet von „beißendem Geruch“, den er in der Nacht zunächst wahrgenommen habe. Aydin Özdag ist seit vier Wochen Patient in der Klinik und bewohnt ein Zimmer im fünften Stock des benachbarten Zentralgebäudes der Klinik.

„Ich konnte nicht schlafen und war draußen vor der Tür am Haupteingang, um eine Zigarette zu rauchen“, schildert der 42-Jährige. „Plötzlich hatte sich ein intensiver Gestank ausgebreitet – kurz danach hörte ich die Sirenen der Feuerwehr.“

Auch in seinem Zimmer gab es einen Alarmton, kurz darauf gingen Klinik-Mitarbeiter durch die Zimmer und drängten darauf, alle Fenster zu schließen, so Özdag weiter. „Flammen habe ich aus meinem Fenster nicht gesehen, nur den Rauch gerochen.“ Das Geschehen auf dem Gelände sei seiner Wahrnehmung nach in geordneten Bahnen verlaufen, „Angst hatte ich nicht“.

Brandschutzanlagen auf neustem Stand

„Alle Verletzten wurden in der Notaufnahme behandelt“, so Kliniksprecherin Krebs. Es handele sich bei ihnen um Klinikpersonal und Patienten. Krebs betonte, dass die Brandschutzanlagen in dem betroffenen Krankenhausgebäude, das Ende der 1940er Jahre bezogen worden sei, auf dem „neuesten Stand“ seien. Die Alarmkette habe „einwandfrei“ funktioniert.

Für jedes Krankenhaus gibt es eigene Notfallpläne, die die Kliniken zusammen mit der Feuerwehr erarbeiten. „Die Pläne unterscheiden sich je nach Klinik und Station und hängen von den jeweiligen Gebäuden ab und davon, wie mobil die Patienten dort sind“, erklärt Monika Funken, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Kliniken der Stadt Köln. Sprinkleranlagen seien gesetzlich nicht vorgeschrieben und in Patientenzimmern „unüblich, weil es dort zum Teil hochempfindliche Elektronik und Technik gibt, die durch das Wasser beschädigt werden könnte“.

Mehrstufiges Alarmsystem

Die Feuerwehr Köln arbeitet nach einem mehrstufigen Alarmsystem, das sich unter anderem nach dem Ort des Feuers richtet und danach, ob Menschen in Gefahr sind. Welche Alarmstufe für welches Krankenhaus gilt, legt die Feuerwehr individuell fest. „Wir machen in Krankenhäusern, Altenheimen, öffentlichen Gebäuden und bestimmten Firmen regelmäßige Ortsbegehungen, um die Lage im Ernstfall dort zu kennen“, erklärt Ulrich Laschet, Pressesprecher der Feuerwehr Köln.

Beim Kölner Dom etwa gelte zunächst die Alarmstufe 2, wenn eine Brandmeldeanlage Alarm schlägt. Allerdings seien die meisten Brandmelde-Auslösungen Fehlalarme. Sollte sich vor Ort oder durch einen Anruf herausstellen, dass der Dom tatsächlich brennt, gelte Stufe 4. „Die Einsatzleitung vor Ort entscheidet je nach Lage, auf welche Stufe gegebenenfalls erhöht wird und wie viele zusätzliche Löschzüge sie anfordert“, sagte Laschet.

Beim Krankenhaus Merheim wurde die Feuerwehr durch die automatische Brandmeldeanlage in einem Patientenzimmer alarmiert. In diesem Fall gelte zunächst die Alarmstufe 1, die niedrigste Stufe. „Wenn nur ein Brandmelder Alarm schlägt, gehen wir davon aus, dass es auch nur in einem Zimmer brennt“, erklärt Laschet. Bei dieser Alarmstufe rücke ein Löschzug mit 15 Feuerwehrleuten sowie zwei Einsatzleitern aus. 

Fast zeitgleich habe dann das Krankenhauspersonal die Feuerwehr angerufen und massive Rauchentwicklung gemeldet. „Daraufhin wurde die Alarmstufe 2 mit dem Zusatz »Menschenleben in Gefahr« ausgelöst.“ Das bedeute: Ein weiterer Löschzug mit zehn Feuerwehrleuten und der Chef der Feuerwehr des Tages rücken aus. Zusätzlich wurden ein Rettungswagen und ein Notarzt alarmiert sowie die Freiwillige Feuerwehr mit zehn Leuten. Das Feuer war laut Feuerwehr um 4.47 Uhr gelöscht. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch am Montag waren Feuerwehr und Polizei noch auf dem Krankenhaus-Gelände aktiv, unter anderem wurden Zeugen vernommen. Die betroffene Station bleibt Funken zufolge auf nicht absehbare Zeit geschlossen. Die Patienten würden vorübergehend auf anderen Stationen behandelt. Die weitläufigen Gebäude des Klinik-Komplexes dienten bis nach dem Zweiten Weltkrieg Kasernengelände, standen dann leer, bis 1948 das Krankenhaus in Merheim einzog. 

„Jede Woche brennt es in Krankenhäusern“

Herr Brysch, wie gut ist der Brandschutz in deutschen Krankenhäusern?

Eugen Brysch: Der Brandschutz in den 2000 deutschen Kliniken ist nicht ausreichend. Jede Woche brennt es in Krankenhäusern. Allein die Zahl der Toten beläuft sich für das Jahr 2019 nun bereits auf fünf Personen. Eine Vielzahl wird verletzt. Weder die Bundesländer noch die Einrichtungen ziehen daraus Konsequenzen.

Reichen die vorhandenen Maßnahmen denn nicht aus?

Menschen, die sich selbst nicht retten können, bieten bei der Feuerwehr aufgeschaltete Brandmeldeanlagen keinen ausreichenden Schutz.

Was fordern Sie?

Es müssen endlich zusätzliche Sprinkleranlagen auf allen Stationen und in jedem Patientenzimmer gesetzlich vorgeschrieben werden. So etwas ist für Möbelhäuser und Lagerhallen heute schon längst Standard.

Eugen Brysch, ist Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz

Das Gespräch führte Kathy Stolzenbach 

KStA abonnieren