Humanitate-Jubiläum„Wo Zweifel, Angst herrschte, ist jetzt Vorfreude und Zuversicht“

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Humanitate Gruppenbild

Gruppenbild mit Kabarettist

Höhenberg-Vingst-Zündorf – Früher, erzählte Kabarettist Jürgen Becker, da hätten die politischen Parteien noch Visionen für die Zukunft entwickelt und den Menschen gesagt, wohin die Reise gehen und wie das gesellschaftliche Zusammenleben einmal aussehen soll. „Heute fühlt sich die Politik dafür offensichtlich nicht mehr zuständig, heute brauchen wir dafür Vereine wie Pro Humanitate“.

Becker trat mit seinem Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ unentgeltlich beim Benefizabend zugunsten von Pro Humanitate in der Gemeinschaftsgrundschule Lustheider Straße auf. Das hatte der Kabarettist in der Vergangenheit schon öfter getan. Doch diesmal gab es einen besonderen Anlass, denn der Verein feierte sein 25-jähriges Bestehen. „Eigentlich wäre 2021 das richtige Jahr gewesen, aber dann kam Corona dazwischen“, sagte Vorstandsmitglied Memo Sahin, der schon bei der Gründung dabei war.

Gründung des Vereins am Antikriegstag

Im Jahre 1996, wurde Pro Humanitate bewusst am 1. September gegründet, dem Antikriegstag. Denn der Verein leistete zunächst humanitäre Hilfe für Kurden, die vor der türkischen Regierung aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben worden waren und wie Flüchtlinge im eigenen Land lebten. „Mit Unterstützung des Auswärtigen Amts und vor allem der deutschen Botschaft in Ankara haben wir die Menschen mit Grundnahrungsmitteln versorgt“, berichtete Sahin, der selbst kurdischer Abstammung ist.

Bereits 1998 kam mit der Jugendarbeit ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld hinzu. Die Franziskaner-Mönche, die damals noch in einem Kloster in der Burgstraße lebten, luden den Verein ein, gemeinsam mit ihnen den Jugendcontainer in der Vingster Würzburgstraße zu betreiben. Vor wenigen Jahren übernahm Pro Humanitate auch noch den Jugendtreff in der Thorwaldsenstraße im Christrosenweg in Porz-Zündorf.

Hausaufgabenhilfe, Einzelförderung und interkultureller Bildungsarbeit für Eingliederung in die Gesellschaft

Leitender Gedanke dabei war stets, Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen einander näherzubringen, einen Austausch zu ermöglichen und damit zu einem friedlichen Zusammenleben beizutragen. „Das ist gerade in Vingst notwendig, hier haben 81 Prozent der Menschen unter 21 einen Migrationshintergrund, während es im gesamten Stadtgebiet ungefähr 52 Prozent sind“, erklärte Memo Sahin.

Auch bei der Eingliederung in Gesellschaft und Beruf soll die Jugendarbeit helfen, zum Beispiel mit Hausaufgabenhilfe, Einzelförderung und interkultureller Bildungsarbeit. Mit einem Training zur Stärkung von Wertschätzung und Empathie und des Selbstwertgefühls, aber auch mit Sportangeboten, Ausflügen und Partys. Rund 150 Kinder und Jugendliche würden in den drei Einrichtungen betreut, erzählte Sahin.

Pro Humanitate begleitet auch Geflüchtete

Darunter ist auch die 19-jährige Vanessa, begeisterte Besucherin einer Mädchengruppe, die auf den ersten Seiten des Geschäftsberichts 2021 eindrucksvoll schildert, wie das funktioniert: „Man kam in die Gruppe mit einem Problem und ging nach Hause mit einer Lösung“, schreibt sie. „Wo vorher Zweifel, Angst und Unsicherheit herrschte, ist jetzt Vorfreude, Zuversicht und Selbstvertrauen.“ Auch habe sie gelernt, Verantwortung zu übernehmen – die Erfahrungen aus der Mädchengruppe, schätzt Vanessa, seien „prägend für das gesamte Leben.“

Außerdem hatte Pro Humanitate nach 2015 für einige Jahre in der Weimarer Straße eine Unterkunft für zehn unbegleitete minderjährige Geflüchtete betrieben: „Die haben mittlerweile alle eine Ausbildungsstelle oder einen Studienplatz, das ist gut gelaufen“, so Sahin. Franziskaner-Pater Jürgen Neitzel, ebenfalls Vorstandsmitglied von Pro Humanitate, erzählte, dass auch die Unterstützung für die Kurden – und Jesiden – weiterlaufe, für jene etwa, die im Irak und Syrien leben und durch den Krieg bedroht sind.

Verein braucht finanzielle Unterstützung

Da gehe es häufig immer noch um die Versorgung mit dem Nötigsten, darüber hinaus versucht der Verein auch, Studenten und Schülern aus ärmeren Familien in den kurdischen Gebieten, Studium und Schulbesuch über „Schulpatenschaften“ zu ermöglichen. „Die Franziskaner leben mittlerweile in Düsseldorf, aber wir schauen hin und wieder vorbei“, versicherte er.

Für seine Aktivitäten braucht der Verein natürlich finanzielle Unterstützung, deshalb waren zur Benefiz-Vorstellung auch vornehmlich Vertreter von Institutionen, Stiftungen und Vereinen eingeladen, die mit Pro Humanitate kooperieren. Darunter sind die Kirchengemeinden und Bürgerzentren der betreffenden Stadtteile ebenso wie die Sozialraumkoordination, Berglar Stiftung, Rotary Club und die Aktion Mensch und die GAG Immobilien AG, die kostenlose Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Und selbstverständlich die Stadt Köln: „Aber das Jugendamt hat uns schon signalisiert, dass die Unterstützung im kommenden Jahr halbiert wird“, berichtete Memo Sahin.

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